28.05.2003FDP

WESTERWELLE-Interview für "WDR-2-Morgenmagazin"

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende DR. GUIDO WESTERWELLE gab dem "WDR-2- Morgenmagazin" das folgende Interview. Die Fragen stellte STEPHAN KARKOWSKY:
Frage: FDP-Chef Guido Westerwelle traf sich am Abend in Düsseldorf mit den Landesspitzen der FDP. Herr Westerwelle, haben Sie sich da schon gemeinsam auf ein "Brautkleid" geeinigt?

WESTERWELLE: Nein, ganz bestimmt nicht! Wir können das auch mit Ruhe und mit Gelassenheit betrachten. Tatsache ist, dass diese rot-grüne Koalition in Düsseldorf ja nicht mehr genügend Gemeinsamkeiten hat. Und es geht nicht darum, ob man sich in der Politik als Partner liebt oder herzt. Es geht darum, dass man das Richtige für Nordrhein-Westfalen macht. Es ist ein modernes Industrieland, und das kommt mit dieser grünen Stillstandspolitik nicht voran.

Frage: Was haben Sie denn besprochen, mit den Kollegen von der FDP, in Nordrhein-Westfalen?

WESTERWELLE: Wir haben zumindest zunächst einmal die Lage erörtert. Es bleibt ja abzuwarten, ob Herr Steinbrück lediglich versucht, abermals die Grünen zu disziplinieren, um wesentliche Projekte durchzubringen oder ob es tatsächlich um einen Neuanfang geht; denn ein Politikwechsel in Nordrhein-Westfalen wäre ja sinnvoll. Ich meine, wir erleben ja seit Garzweiler, dass es zwischen Rot-Grün nicht mehr funktioniert. Nur noch die Macht hält die beiden ja zusammen. Jetzt steht vor uns wieder eine ganz wichtige Investitionsentscheidung, nämlich der Metro-Rapid. Es stehen vor uns wichtige Entscheidungen in der Bildungspolitik. Denken Sie an das Abitur nach 12 Jahren. All das wird von den Grünen bislang verhindert. Nordrhein-Westfalen braucht hier einen Neuanfang. Und wenn es einen Politikwechsel gibt, erfüllen wir natürlich auch unseren Wählerauftrag.

Frage: Sie sagen, Sie biedern sich der SPD nicht an, aber Sie bieten sich an. Was können Sie der SPD denn als Mitgift anbieten?

WESTERWELLE: Ich glaube, es ist doch offensichtlich, dass viele Bürgerinnen und Bürger eine Mehrheit der Vernunft in den Parlamenten wollen und auch über die Parteigrenzen, vielleicht auch über die klassischen Konfliktlinien hinweg, erwarten, dass jetzt zusammen gearbeitet wird. Wir sind ja dazu bereit, und den Rest müssen die Sozialdemokraten jetzt erst einmal beantworten. Meine Parteifreunde und meine Kolleginnen und Kollegen in Nordrhein-

Westfalen als selbstbewusste Landtagsabgeordnete, die würden es sich mit Sicherheit verbitten, wenn ich ihnen irgendwelche Weisungen geben wollte. Und ich gehe auch fest
davon aus, dass die Landtagsabgeordneten der SPD in Düsseldorf genauso selbstbewusst sind, wenn Herr Kollege Müntefering jetzt versucht, ihnen Weisungen zu geben.

Frage: So ein bisschen Angst haben Sie vor der "bösen Schwiegermutter", dass der Kanzler Morgen den Ministerpräsident noch mal umstimmen könnte beim Gespräch im Kanzleramt, oder? Sie haben den Kanzler vor Einmischung gewarnt.

WESTERWELLE: Ich kann da nur an die Sozialdemokraten in Düsseldorf appellieren: "Mannesmut vor Königstreue!"

Frage: Seit Jahren ist ja die Drohung mit der FDP von der SPD immer nur als "Nudelholz" benutzt worden, als Druckmittel also, um die Grünen zu disziplinieren. Warum sollte das diesmal anders sein?

WESTERWELLE: Na ja, wir erleben ja, dass Nordrhein-Westfalen nicht voran kommt. Und dass natürlich auch die Sozialdemokraten sich Gedanken darüber machen, wie sie denn nächstes Jahr die Kommunalwahlen gewinnen wollen mit diesem Stillstand, mit diesem schlechten Ergebnis, das ist doch nachvollziehbar. Dass die sich darüber hinaus auch Gedanken machen, wie sie dann die Landtagswahlen erneut gewinnen wollen, das ist doch ganz klar. Und natürlich schauen auch viele bei der SPD jetzt auf Henning Scherf, der ja für die SPD ? und das muss man respektieren ? in Bremen die Wahlen gewonnen hat. Und Herr Scherf hat die Wahlen in Bremen gewonnen, indem er massiv gegen Rot-Grün Wahlkampf gemacht hat. Augenscheinlich wissen ja unsere Bürgerinnen und Bürger, gerade in einem modernen Industrieland wie Nordrhein-Westfalen, dass wir nicht Nordrhein-Westfalen regieren können, als wäre es ein Agrarland, wo es um die Herstellung von Strickpullovern geht. So stellen sich das die Grünen vor. NRW ist kein Land nur für Sammler, Jäger und Fallensteller, sondern das ist ein Land mit einer Dienstleistungsregion im Rheinland, im Ruhrgebiet mit industriellen Strukturen, in Westfalen mit mittelständischen Strukturen, gerade was auch das produzierende Gewerbe angeht.

Frage: Herr Westerwelle, eine Frage habe ich noch. Wer hat sich Ihnen den gestern Abend als Nachfolger für die grünen Minister angeboten?

WESTERWELLE: Garantiert noch niemand. Und warum sollten wir das auch? Wir können das in Ruhe abwarten. Und ich glaube auch, dass es in der Politik notwendig ist, in bestimmten Situationen kühlen Kopf zu bewaren. Wir sind bereit für einen Politikwechsel, und der Ball liegt im Augenblick bei den Sozialdemokraten.

Social Media Button