09.01.2025FDPDemokratie

BUSCHMANN-Interview: Der Staat verwaltet sich selbst zu Tode

Der designierte FDP-Generalsekretär Dr. Marco Buschmann MdB gab der „Schwäbischen Zeitung“ (Donnerstag-Ausgabe) und „schwaebische.de“ das folgende Interview. Die Fragen stellten Gabriel Kords und Dirk Grupe:

Frage: Herr Buschmann, beim Dreikönigstreffen in Stuttgart hat die FDP den Aufbruch beschworen, die Verunsicherung angesichts der schlechten Umfragewerte war aber auch unverkennbar. Wie fällt Ihr Resümee aus?

Buschmann: Das Dreikönigstreffen hat gezeigt, wie viel Tatendrang und wie viele Ideen in der FDP stecken: Die Stimmung war herausragend, die Motivation ist hoch. Die Freien Demokraten haben klargemacht, wofür sie stehen: eine echte politische Veränderung in unserem Land. Wir kämpfen dafür, dass Deutschland wirtschaftlich wieder auf Erfolgskurs kommt und das Prinzip Freiheit in Wirtschaft und Gesellschaft gestärkt wird. Wir sind davon überzeugt, dass es in diesem Land nicht besser wird, wenn der Staat immer weiterwächst, sondern wenn Millionen von Menschen wieder mehr Zuversicht im Herzen und mehr Netto in der Tasche haben. Ich bin sehr guter Dinge, dass wir mit diesem starken Jahresauftakt in den nächsten Wochen weiter an Fahrt aufnehmen werden.

Frage: Die Wirtschaftswende samt einem riesigen Entlastungspaket steht bei der FDP im Mittelpunkt. Fragen bei der Finanzierung bleiben jedoch offen. Wie viel Wahlkampfversprechen steckt also in dem Paket, wie viel Realität?

Buschmann: Es stimmt: Die FDP ist die politische Kraft, die Bürger und Betriebe am stärksten von Steuern, Abgaben und Bürokratie entlasten möchte. Unser Entlastungspaket ist seriös finanzierbar. Christian Lindner hatte als Finanzminister bereits milliardenschwere Einsparvorschläge vorgelegt. Weitere 25 Milliarden Euro können wir allein durch die Streichung ineffizienter Klimasubventionen einsparen, wenn wir auf einen marktwirtschaftlichen CO2-Preis im Klimaschutz setzen. Zudem ist es so, dass viele der von uns vorgeschlagenen Maßnahmen schrittweise umgesetzt werden sollen – und dadurch auch erst schrittweise haushaltswirksam werden. Dabei gilt: Wenn wir Bürger und Betriebe entlasten, führt das zu mehr Wirtschaftswachstum. Wächst die Wirtschaft wieder jedes Jahr, dann entsteht eine Art Zinseszinseffekt. Es kommt also immer mehr Geld in die Kasse.

Frage: Müsste man in der aktuellen Lage den Bürgern nicht auch sagen, worauf wir in Zukunft verzichten müssen?

Buschmann: Wenn wir auf etwas verzichten sollten, dann auf den Bürokratismus und die hohe Steuerlast in unserem Land. Wir sollten verzichten auf einen Staat, der immer fetter, aber nicht fitter wird. Wir leben in einem Land, in dem es Hunderte verschiedene Stellen gibt, die sich um die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse kümmern. Die Vergabestellen der Kommunen beschäftigen wegen der vielen komplizierten Vorschriften mittlerweile zwei- bis dreimal so viele Menschen wie noch vor einigen Jahren. Ich könnte viele andere Beispiele nennen. Dieser Wildwuchs führt nicht zu mehr, sondern zu weniger staatlicher Handlungsfähigkeit. Denn der Staat verzettelt sich und verwaltet sich selbst zu Tode.

Frage: Seit Jahren ist zu hören, der Bürokratieabbau sei so wichtig. Aber wie findet er denn konkret statt?

Buschmann: Beim Thema Bürokratieabbau gibt es drei wesentliche Ebenen. Erstens: die Entrümpelung des nationalen Rechts. Das ist harte Fleißarbeit, wie ich als dafür zuständiger Minister selbst erlebt habe. Als Freie Demokraten haben wir in der Bundesregierung Bürokratie im Umfang von mehr als 3 Milliarden Euro abgebaut. Das ist das größte Bürokratieabbau-Programm in der Geschichte unseres Landes und sollte eine Blaupause für noch ambitionierteren Bürokratieabbau sein. Der Grund, warum ich in diesem Zusammenhang von Sisyphusarbeit spreche, ist die zweite Ebene: der Brüsseler Bürokratismus. Insbesondere in der Amtszeit von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist die EU zur Hauptquelle der Bürokratie geworden. Zwischen 2019 und 2024 hat die EU gut 13.000 neue Rechtsakte erlassen, in den USA waren das weitaus weniger als die Hälfte dessen. Der größte Teil der Bürokratielasten stammt in Deutschland mittlerweile aus dem europäischen Recht. Deshalb brauchen wir in Deutschland eine Regierung, die sich entschiedener für den Bürokratieabbau in Brüssel einsetzt. Und die dritte Ebene: ein grundlegender Mentalitätswechsel, weg vom staatlichen Mikromanagement und hin zu mehr Vertrauen in die Verantwortungsfähigkeit des einzelnen Menschen. Das ist der vielleicht wichtigste Punkt. Denn Bürokratie ist vor allem ein Ausdruck von Misstrauen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern.

Frage: Es ging jetzt viel um die Schuld der anderen. Hat die FDP in der Ampelzeit eigene Fehler gemacht?

Buschmann: Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein. Die größte Last der Ampel war sie selbst. Die Regierung insgesamt hat kein gutes Bild abgegeben. Die Art, wie die Partner miteinander umgegangen sind, war unwürdig, der Modus der Willensbildung unzuverlässig. Man konnte die Uhr danach stellen: Sobald sich die Koalitionsspitzen auf etwas verständigt hatten, hat sich kurze Zeit später jemand aus der zweiten oder dritten Reihe zu Wort gemeldet, der das sofort wieder infrage gestellt hat. Schuldzuweisungen im Nachhinein sind aber vergossene Milch. Wichtig ist, dass es jetzt eine politische Veränderung in unserem Land gibt.

Frage: Laut Umfragen wissen etwa die Hälfte aller Wähler noch nicht, wo sie ihr Kreuz machen soll…

Buschmann: Mein Eindruck ist, dass die Bürgerinnen und Bürger eine echte politische Veränderung in unserem Land wollen. Denn so wie es ist, kann es nicht bleiben. Daraus müssen wir die richtigen Schlüsse ziehen. In den letzten Jahren galt es als fortschrittlich, verschiedene Varianten von Mitte-Links-Regierungen zu bilden. Das sind Konstruktionen, bei denen es nur Veränderungen des kleinsten gemeinsamen Nenners geben kann. Was unser Land aber jetzt braucht, ist ein echter Richtungswechsel für mehr Freiheit und neue wirtschaftliche Stärke. Das funktioniert am besten in einer schwarz-gelben Koalition.

Frage: Wobei viele Bürger das Gefühl haben, dass die Unterschiede zwischen bürgerlich-liberal und rot-grün nicht groß genug sind. Hinzu kommt, dass die AfD das Entstehen einer bürgerlich-liberalen Koalition auch bei dieser Wahl wieder verhindern könnte…

Buschmann: Bürgerlich-liberal und rot-grün sind politische Gegensätze. Deshalb bin ich überzeugt, dass sich viele Menschen eine bürgerliche Regierung mit liberalen und konservativen Elementen wünschen. Viele sind ja verärgert über die Notkoalitionen des kleinsten gemeinsamen Nenners der letzten Jahre. Das führt zu Frustration und einer Stärkung der politischen Ränder. Genau deshalb werbe ich dafür, sich gut zu überlegen, wie man seine Stimme investiert. Denn am Ende sorgt eine Stimme für die AfD dafür, dass mindestens eine linke Partei mitregiert: Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün. Wer also nicht möchte, dass es nur in Trippelschritten weiter vorangeht, sondern dass es einen echten Richtungswechsel gibt, sollte für eine bürgerliche Mehrheit sorgen. Dafür braucht es eine starke FDP.

Frage: Boris Palmer hat in der „Schwäbischen Zeitung“ gesagt, dass man die Leute, die mit der AfD sympathisieren, davon überzeugen müsse, dass sie dem bürgerlich-liberalen Lager noch eine letzte Chance für Erneuerungen geben sollten. Hat er recht? Ist das jetzt Ihre letzte Chance?

Buschmann: Ich glaube, dass da etwas dran ist. Es ist mit den Händen zu greifen, dass viele Menschen frustriert sind und sagen: Was machen die da in Berlin eigentlich? Was die Bürger auf die Palme bringt, ist der Eindruck, es ginge immer nur um Schaufensterpolitik: Auf vollmundige Ankündigungen folgen zu wenig Taten. In der Substanz verändert sich nichts, die Alltagsprobleme der Menschen bleiben. Das ist eben die Konsequenz, wenn es nur Koalitionen des kleinsten gemeinsamen Nenners gibt. Deshalb ist es so wichtig, dass jetzt eine Regierung kommt, die an einem Strang zieht und so Veränderungen nicht nur ins Schaufenster stellt, sondern auch auf die Straße bringt.

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