24.05.2009FDP

WESTERWELLE-Interview für "SonntagsBlick" (Schweiz)

Berlin. Der FDP-Partei- und -Fraktionsvorsitzende DR. GUIDO WESTERWELLE gab dem "SonntagsBlick" (Sonntagsausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten JOHANNES VON DOHNÁNYI und MARCEL ODERMATT:

Frage: Herr Westerwelle, bald sind Sie der beliebteste deutsche Politiker in der Schweiz.

WESTERWELLE: Ist das so?

Frage: Sie finden auf jeden Fall die richtigen Töne im Umgang mit der Schweizer Politik.

WESTERWELLE: Ich finde hoffentlich die richtigen Töne für die deutsche Politik. Ich möchte nicht, dass unsere treuen Freunde - Österreich, die Schweiz oder Luxemburg - einen so hässlichen Eindruck von einem wunderbaren Land wie Deutschland bekommen.

Frage: Kritisieren Sie den Stil von Herrn Steinbrücks Verbal-Attacken oder den Inhalt?

WESTERWELLE: Natürlich muss eine deutsche Bundesregierung versuchen, internationale Steuer-Standards in Verhandlungen durchzusetzen. Aber völlig unangemessen und geradezu peinlich ist es, wenn ein deutsches Regierungsmitglied einem Nachbarland mit der Kavallerie oder der Peitsche droht.

Frage: Zur Rettung von Herrn Steinbrück muss gesagt werden, dass deutsche Regierungen ja schon seit längerem versuchen, mit der Schweiz über das Bankgeheimnis zu reden. Und passiert ist nichts.

WESTERWELLE: Seit fünf Jahren gibt es die Möglichkeit, die Schweiz in Steuerverfahren um Amtshilfe zu bitten, und bislang gibt es offenbar bloß ein einziges Gesuch dieser Art aus Deutschland. Herrn Steinbrücks Attacken auf angebliche Steueroasen sollen doch auch verhindern, dass Deutschland ein besseres Steuersystem bekommt. Mit derselben Energie, mit der dieser Finanzminister sogenannte Steueroasen im Ausland austrocknen will, sollte er die deutsche Steuerwüste bewässern. Ich habe, wohlgemerkt, kein Verständnis für Steuerkriminalität. Aber ein faires Steuersystem ist immer noch ein wichtiges Gegenmittel. Die Schweiz steht ebensowenig wie Österreich oder Luxemburg auf der schwarzen Liste der OECD.

Frage: Aber auf der grauen.

WESTERWELLE: Der Ton macht die Musik. Ich will nicht, dass Peer Steinbrück das Bild des hässlichen Deutschen in unseren Nachbarländern und bis nach Afrika verbreitet, wobei ich die Hoffnung habe, dass ihn in Burkina Faso keiner kennt. Übrigens hat Herr Steinbrück zu Großbritannien und den Kanal-Inseln wenig gesagt. Britannien ist ihm wohl zu groß und mächtig.

Frage: Ihr Parteikollege - Bundespräsident Hans-Rudolf Merz - wartet immer noch auf eine formelle deutsche Anfrage, das bilaterale Doppelbesteuerungsabkommen neu zu verhandeln.

WESTERWELLE: Deswegen ist das Ganze ja auch so scheinheilig. Ich verstehe, dass man im Wahlkampf mal richtig auf die Pauke haut. Aber deshalb darf man seinen Verstand nicht an der Garderobe abgeben und die Beziehungen zu den besten Freunden gefährden.

Frage: Was wäre denn Ihre Methode, sollten Sie in der nächsten Regierung sitzen?

WESTERWELLE: Ich möchte, dass wir unsere Ziele nicht durch Bedrohungen, Beschimpfungen und wilhelminische Kanonenbootpolitik, sondern in Verhandlungen durchsetzen. Diese teutonische Arroganz muss aufhören.

Frage: Davon müssten Sie aber erst noch die CDU überzeugen. Die hat gegen die Politik von Herrn Steinbrück zumindest nicht protestiert.

WESTERWELLE: Auch deswegen würde ich die CDU ja auch nicht wählen. Deutschland muss mit einer starken FDP als Koalitionspartner der Union wieder eine Politik bekommen, die die Mittelschicht schützt.

Frage: Sie wollen nicht um jeden Preis mitregieren?

WESTERWELLE: Uns gibt es nicht zum Nulltarif. Wir sind kein stilles Reserverad für eine mir persönlich durchaus sympathische Bundeskanzlerin. Wir wollen etwas verändern.

Frage: Für Frau Merkels künftigen Juniorpartner sind Sie ganz schön kess!

WESTERWELLE: Halt, Bitte. Nur weil ich ein paar Jahre jünger bin als Frau Merkel, bin ich doch nicht ihr Juniorpartner. Das ist auch ungalant gegenüber unserer Kanzlerin. Was erwarten Sie? Dass wir uns in Demut vor der Union in den Staub werfen, um dann gnädig von ihr auf 5 Prozent hoch gehoben zu werden? Die FDP ist eine eigenständige Partei. Sie ist die einzige Partei in Deutschland, die soziale Marktwirtschaft noch ernst nimmt. Daher: Gebt Angela Merkel endlich einen vernünftigen Partner - uns Liberale. Und mich.

Frage:: Als der nächste Außenminister in Berlin?

WESTERWELLE: Was nach den Wahlen im September aus mir wird, ist völlig zweitrangig. Aber mir gefällt Ihre Art zu denken.

Frage: Das freut uns. Dann sagen Sie uns wohl auch, welche neuen Akzente ein Außenminister Westerwelle setzen würde?

WESTERWELLE: Wir Liberale würden dafür sorgen, dass mit allen Ländern in Europa wieder auf gleicher Augenhöhe gesprochen und diese deutsche Hochnäsigkeit gegenüber den kleineren Nachbarländern beendet wird. Deutschland würde es auch nicht schätzen, wenn Russland, China oder Amerika mit Drohungen auf uns einwirken wollten. Und im europäischen Konzert wiegt Luxemburgs Stimme nicht weniger als die Frankreichs.

Frage: Wäre es für die Schweiz als Mitglied der EU leichter?

WESTERWELLE: Das muss die Schweiz selbst bewerten. Aber ich glaube, dass Europa eine Schicksalsgemeinschaft ist. Und nicht nur für den Frieden, sondern in Zeiten der Globalisierung auch für unseren Wohlstand. Ich habe den Schweizern keinen Rat zu geben. Aber wir Deutsche registrieren voller Dankbarkeit, wie wichtig in diesen Zeiten ein Binnenmarkt von 500 Millionen Menschen ist. Unsere Mitspieler in der Welt sind alle groß. 1,3 Milliarden Menschen in China, über eine Milliarde in Indien, oder Brasilien mit seinen190 Millionen Einwohnern, von denen gut ein Drittel 15 Jahre und jünger ist: Das sind Gesellschaften, die gerade erst beginnen, ihr Potential zu erschließen. Niemand dort wartet auf uns.

Frage: Was können Länder wie Deutschland oder die Schweiz diesen Konkurrenten entgegensetzen?

WESTERWELLE: Jedes für sich allein wenig. Aber auf europäischer Ebene werden wir uns darüber unterhalten müssen, was das etwa für unsere Bildungs- und Energiepolitik bedeuten wird. Denn das werden die fundamentalen neuen Menschheitsfragen werden.

Frage: Wie meinen Sie das?

WESTERWELLE: Innovative Energienutzung muss erfunden werden. Patente und Produkte müssen ersonnen werden. Unser Wohlstand speist sich aus Kreativität. Kunst und Kultur bestehen aus Ideen. Deshalb ist Bildung die Menschheitsfrage. Und für uns in Europa ist Bildung die wichtigste - oft auch einzige -Ressource. Wir können es uns schlicht nicht mehr erlauben, dass wir durch ein schlechtes Bildungssystem Talente durchfallen lassen, nur weil Elternhäuser nicht wohlhabend genug waren. Chancengerechtigkeit und Bildung als Bürgerrecht sind, wie ich glaube, in Europa noch nicht richtig verstanden worden. Die Welt ist in einem rasanten Umbruch. Daher lautet die eigentliche Frage der europäischen Politik, die leider völlig ignoriert wird: Wovon wollen wir in 20 Jahren leben? Und auf welchem Tabellenplatz in der Welt wollen wir in 20 Jahren stehen?

Frage: Das geht aber nur im Verbund. Allein werden es weder Deutschland noch die Schweiz schaffen.

WESTERWELLE: Deswegen bin ich ja Anhänger der europäischen kulturellen Identität. Es ist in Wahrheit nicht nur eine Frage der regionalen Lage, sondern auch der kulturellen Wurzeln und Gemeinsamkeiten.

Frage: Womit wir wieder bei der Schweiz sind: Die deutsche FDP ist sehr erfolgreich zur Zeit. Sie könnte sogar ein historisches Resultat erreichen.

WESTERWELLE: Mal langsam mit den jungen Pferden! Erstmal muss die Ernte eingebracht werden.

Frage: Aber im Gegensatz zu Ihnen ist die Schweizer FDP in einem Tief. Was machen Sie besser?

WESTERWELLE: Offensichtlich machen wir immer noch einiges schlechter als die Schweizer FDP. Die liegt in Wahlergebnissen vor uns. Beim letzten Mal erreichte sie um die 15 Prozent. Da wollen wir erst noch hin.

Frage: Aber der Trend ist eindeutig. Sie gehen rauf, die staatstragende Partei der Schweiz verliert.

WESTERWELLE: Mag sein, dass die FDP in der Schweiz eine schwierige Zeit hatte. Ich habe aber den Eindruck, dass sie das packt. Und dass die Schweizer wieder erkennen werden, dass die FDP mit ihrer freisinnigen Geisteshaltung vorbildlich ist. Ich bin mit meinen Schweizer FDP-Freunden, nicht nur mit dem von mir sehr geschätzten Fulvio Pelli, im regelmässigen Gespräch. Und ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass die Schweizer FDP eine gute Zukunft haben wird.

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