30.09.2016FDPFinanzen

THEURER-Gastbeitrag: Regulierungsschraube nicht überdrehen

Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied MICHAEL THEURER schrieb für die „Börsen-Zeitung“ (Freitag-Ausgabe) den folgenden Gastbeitrag:

Auf die weltweite Finanzkrise hat die EU mit umfangreichen Gesetzgebungen reagiert, um dem europäischen Bankensektor zusätzliche Stabilität zu verleihen. Es wird inzwischen mehr und besseres Eigenkapital vorgehalten. Die gemeinsame Bankenaufsicht war bisher trotz der Einführungskosten insgesamt ein positiver Faktor, da sie in der EU vergleichbare Wettbewerbsvoraussetzungen für die größeren Institute schafft. Es war im Rückblick richtig, die Regulierungsschraube anzuziehen. Sie darf jetzt aber nicht überdreht werden.

Denn die Situation im Euroraum bleibt angespannt. Die Aktien der beiden internationalen Großbanken aus Deutschland sind seit Jahren praktisch im Dauersinkflug. Auch manch andere europäische Institute leiden unter massiven Kursverlusten, in Italien indes könnten notleidende Kredite die nächste Bankenkrise auslösen. Das Umfeld aus massiven Anleihenkäufen der Europäischen Zentralbank, Negativzinsen und wenig berauschenden langfristigen Wachstumsaussichten zerstört das Zinsgeschäft, welches gerade für viele deutsche Banken eminent wichtig ist. Derweil bestehen die grundlegenden Ursachen der Euro-Krise – die wirtschaftlichen Ungleichgewichte im Euroraum – weiterhin.

Interdependenzen sind offensichtlich: Realwirtschaftliches Wachstum und der daraus entstehende Wohlstand sind auf eine stabile und funktionsfähige Finanzwirtschaft angewiesen. Umgekehrt gilt, dass Staatsschuldenkrisen und wirtschaftliche Stagnation oder gar Rezession fast immer negative Rückwirkungen auf den Finanzsektor haben.

Handlungsbedarf besteht zunächst bei den Banken selbst, schließlich sind sie diejenigen, die für ihre Erfolge und Misserfolge verantwortlich sind. Sie sollten große Anstrengungen unternehmen, um ihre Geschäftsmodelle dem regulatorischen und makroökonomischen Umfeld anzupassen. Mit Investitionen in Finanztechnologien könnten deutliche Effizienzsteigerungen realisiert werden. Darauf vertrauen auch die Anleger, wie zuletzt die sofort honorierte Blockchain-Ankündigung der Deutschen Bank zeigte. Entscheidend ist die Offenheit für Wandel und Fortschritt. Dazu gehört auch die – oft schmerzhafte – Frage, ob die bestehenden Filialstrukturen noch zeitgemäß sind oder dem sich verändernden Kundenverhalten angepasst werden müssten.

Was die Bankenregulierung angeht, wäre ein regulatorisches Moratorium wünschenswert. Bevor nicht Basel III überhaupt evaluiert werden konnte, sollte der Finanzsektor nicht erneut mit hohen Umstellungskosten und erschwerten Vorgaben in Form eines Basel IV belastet werden – dies könnte erst recht neue Probleme heraufbeschwören.

Bei den derzeit laufenden Verhandlungen im Basler Ausschuss für Bankenaufsicht muss darüber hinaus darauf geachtet werden, dass wenn es Anpassungen gibt, diese nicht kontinentaleuropäische Universalbanken gegenüber dem angelsächsischen Modell benachteiligen. Im Gegenteil sollte angedacht werden, aus Sparkassen und Genossenschaftsbanken einen Exportschlager ähnlich dem deutschen Ausbildungssystem zu kreieren, um so auch in Griechenland und Spanien nachhaltiges Wachstum zu finanzieren.

Bisher ist der europäische Bankenmarkt stark fragmentiert, von Binnenmarkt keine Spur. Eine entsprechende Expansion könnte den in Deutschland bestehenden Konsolidierungsprozess weiter vorantreiben und gleichzeitig neue Geschäftsfelder erschließen.

Das Dilemma der EU, dass aus dem gemeinsamen Währungsraum makro-ökonomische Ungleichgewichte entstehen, könnte durch eine mutige Strategie Deutschlands ebenso gelöst werden wie das Problem der EZB, dass ihre Geldpolitik inzwischen praktisch wirkungslos verpufft. Hierfür notwendig wären Impulse für langfristiges Wachstum: Mit guten Wachstumsaussichten entfällt einerseits der Grund für die aktuelle Politik der EZB, andererseits steigen auch die langfristigen Zinsen am Markt wieder: zwei komplementäre Wege zu höheren Zinsen und Zinsmargen.

Ordnungspolitisch sollte dies insbesondere durch ein einfacheres Steuersystem mit niedrigeren Steuersätzen sowie einer Reform der sozialen Sicherungssysteme angegangen werden – diese Reformen hätten den netten Nebeneffekt gesteigerten Binnenkonsums. Elementar wichtig ist auch eine innovationsfreundliche Regulierung. Gerade die Potenziale in der Schnittstelle zum Kunden könnten von zu starker Regulierung in Mitleidenschaft gezogen werden. Allgemein gilt: Europa kann im Wettbewerb um hart umkämpfte Märkte nur durch Innovation und Technologie bestehen.

Als Fortschrittskatalysator sollte ein Wagniskapitalgesetz für Start-ups erlassen werden. Es bietet sich auch an, nach dem Beispiel des „Zukunftsfonds Schweiz“ Pensionskassen und Versicherungen die Finanzierung von jungen, zukunftsträchtigen Unternehmen zu ermöglichen, statt die Altersvorsorge mit Negativzinsen in Staatsanleihen versauern zu lassen.

Prozesspolitisch sollte der Staat dort tätig werden, wo er mit zuständig ist: mit Investitionen in Bildung, Verkehrs- und Digitalisierungsinfrastruktur sowie effiziente Verwaltung. Industriepolitisch muss sich Deutschland jedoch auch einmal die Frage stellen, ob es als viertgrößte Volkswirtschaft der Welt auf Dauer auch zukünftig eigene Banken braucht, die mit den ganz Großen der Branche mithalten können. Ich komme zu dem Schluss, dass dem so ist. Denn beispielsweise für Spitzenfusionen braucht man auch Spitzeninstitute; die Abhängigkeit von ausländischen Banken mit anderen Wirtschaftszyklen könnte sich hier negativ auswirken. Daher sollte auch dies beim Setzen der Rahmenbedingungen endlich beachtet werden.

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