04.01.2025FDPDemokratie

BUSCHMANN-Interview: Das Land braucht eine neue Politik für Wohlstand und Wachstum

Der designierte FDP-Generalsekretär Dr. Marco Buschmann MdB gab dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Samstags-Ausgaben) und „rnd.de“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Daniela Vates:

Frage: Herr Buschmann, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzler Olaf Scholz haben den Zusammenhalt der Gesellschaft als Wunsch fürs neue Jahr formuliert, Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck den Erhalt der Demokratie. Was wünscht sich die FDP für 2025?

Buschmann: Der Wunsch nach Demokratie und Zusammenhalt sollte in einer liberalen Gesellschaft selbstverständlich sein. Entscheidend ist, was wir konkret dafür tun. Wir sehen, dass die Abstiegsängste in der Gesellschaft zunehmen und der soziale Zusammenhalt darunter leidet. Deshalb müssen wir wieder für mehr Optimismus in unserem Land sorgen. Dafür ist die wirtschaftliche Erneuerung zentral, gerade nach zwei Jahren Rezession. Denn daran hängen Arbeitsplätze, Wohlstand und der Kitt der Gesellschaft.

Frage: Dazu hätte die FDP doch beitragen können als Teil der Bundesregierung. Aber es wurde intern mit dem „D-Day-Papier“ detailliert der Ausstieg aus der Koalition geplant.

Buschmann: Die Koalition ist an einem Grundsatzkonflikt in der Wirtschafts- und Finanzpolitik gescheitert und nicht am Unwillen der FDP. Das Land braucht dringend eine neue Politik für Wohlstand und Wachstum. Man könnte auch sagen: einen Agenda-Moment. Dazu waren SPD und Grüne nicht bereit. Ein einfaches Weiter-So war in der Lage, in der sich unser Land befindet, keine Option.

Frage: Warum sollten Bürgerinnen oder Bürger oder künftige Koalitionspartner der FDP nach ihren Ausstiegsplänen noch vertrauen?

Buschmann: Wenn sich ein Schiff auf Kollisionskurs mit einem Eisberg befindet, muss es die Richtung ändern. Das ist es, was Verantwortung ausmacht. Vertrauen wird dann gefährdet, wenn eine demokratisch gewählte Regierung nicht auf die akuten Probleme im Land reagiert. Der dringend notwendige Richtungswechsel war aber mit SPD und Grünen nicht zu machen. Die FDP hat mehrfach in ihrer Geschichte ihre eigene Existenz aufs Spiel gesetzt, um dem Land eine bessere Richtung zu ermöglichen. Mehr Vertrauenswürdigkeit, als mit seiner eigenen Existenz für das Wohl des Landes zu haften, kann man eigentlich nicht unter Beweis stellen.

Frage: Die FDP verspricht in ihrem Wahlprogramm höhere Entlastungen als die anderen Parteien, je nach Berechnung rund 140 bis 190 Milliarden Euro. Wie wollen Sie das finanzieren?

Buschmann: Unsere Vorschläge sind schrittweise finanzierbar und schrittweise sind sie auch bei der Umsetzung im Programm angelegt. Christian Lindner hatte als Finanzminister bereits milliardenschwere Einsparvorschläge vorgelegt. Weitere 25 Milliarden Klimasubventionen können eingespart werden, wenn wir auf kleinteilige Bürokratie verzichten auf den CO2-Preis als Instrument setzen. Wenn wir die anstehende Pensionierungswelle im öffentlichen Dienst nutzen, um Verwaltungsprozesse zu digitalisieren und zu automatisieren, ergeben sich weitere Einsparpotenziale durch einen schlanken und digitalen Staat. Zudem führen Entlastungen zu Wirtschaftswachstum. Das führt zu zusätzlichen Einnahmen des Staates. Verstetigt sich das Wachstum über die Jahre ergibt sich daraus eine Art Zinseszins-Effekt bei den Einnahmen. Der Staat muss effizienter haushalten und aus dem ausgabefreudigen Krisen-Modus herausgekommen.

Frage: Aber das ist er doch auch angesichts des Kriegs in der Ukraine, der mehr Ausgaben für Sicherheit und Energie nötig gemacht hat.

Buschmann: Für die Finanzierung unserer äußeren Sicherheit und der Ukraine haben wir immer Wege gefunden. Denken Sie an das Sondervermögen zugunsten der Bundeswehr. Die Energiepreise in Deutschland sind heute schon die höchsten. Wir sollten nicht in erster Linie daran denken, diese hohen Preise schuldenfinanziert runtersubventionieren, sondern die Energieversorgung günstiger und effizienter zu gestalten.

Frage: Eine Finanzierungslücke bleibt bei der FDP auch bei Wegfall von Klima-Subventionen. Müssen Sie doch an die Schuldenbremse ran?

Buschmann: Wie ich bereits ausführte: Unsere Maßnahmen sind schrittweise umsetzbar und auch schrittweise finanzierbar. Wenn unsere Wirtschaft durch steuerliche Entlastungen und Entbürokratisierung wieder in Gang kommt, sprudelt das auch neues Geld in den Staatshaushalt. Voraussetzungen sind dafür, dass Bürger und Betriebe entlastet werden, der Staat solide haushaltet und sich zurücknimmt, um privatwirtschaftlicher Initiative mehr Raum zu lassen. Bei all dem hilft die Schuldenbremse. Zudem weiß jeder Mensch: Wer immer mehr Schulden macht, ist irgendwann pleite.

Frage: In ihrem Wahlprogramm schlagen Sie vor, das Entwicklungsministerium mit dem Auswärtigen Amt zusammenzulegen. Dafür aber soll ein Digitalministerium neu geschaffen werden. Was ist da der Diät-Effekt?

Buschmann: Ein gut gemachtes Digitalministerium bündelt Zuständigkeiten, setzt digitale Standards für die Verwaltung und sorgt dafür, dass viele Staatstätigkeiten automatisiert werden können. Sie werden schneller, bürgerfreundlicher und auch kostengünstiger für den Steuerzahler.

Frage: Sie fordern auch einen reduzierten Tarif in der Arbeitslosenversicherung. Wer den wählt, soll einen geringeren Anspruch haben auf Arbeitslosengeld. Wie wollen Sie sicherstellen, dass niemand auf diese Weise in die Armut abrutscht und der Staat nicht umso mehr Bürgergeld zahlen muss?

Buschmann: Gerade für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit eher geringem Lohnniveau ist die Belastung durch Sozialversicherungsbeiträge höher als durch Steuern. Deswegen ist diese Wahloption ein sinnvoller Vorschlag, um Menschen zu entlasten, der auf Freiwilligkeit beruht und niemanden zu etwas zwingt. Gleichwohl sollte sichergestellt sein, dass das Leistungsniveau so bemessen ist, dass die Betroffenen im Falle von Arbeitslosigkeit nicht sofort ins Bürgergeld abrutschen.

Frage: Bei der Rente plädiert die FDP für eine Abschaffung des Renteneintrittsalters, das derzeit schrittweise auf 67 Jahre steigt. Wer später in Rente geht, würde dann eine höhere Rente bekommen. Die SPD kritisiert, auf diese Weise sinke das Rentenniveau für diejenigen mit dem derzeit „normalen“ Rentenalter.

Buschmann: Die versicherungsmathematische Formel, mit der die Rentenhöhe berechnet wird, würde mit dem Vorschlag nicht angetastet. Es geht um einen wirklich flexiblen Renteneintritt nach schwedischem Vorbild. Damit wäre schlichtweg nicht mehr verboten, länger zu arbeiten, wenn man es möchte. Wer das heute machen möchte, muss sich zum Teil auf absurde Konstruktionen einlassen, um Nachteile zu vermeiden. Von unserem Vorschlag profitieren alle: Ältere, die sich noch fit fühlen und vielleicht noch länger mehr verdienen wollen, um sich oder ihren Kindern und Enkelkindern einen besonderen Wunsch zu erfüllen. Arbeitgeber, die in Zeiten des Fachkräftemangels häufig Probleme bei der Nachbesetzung haben. Ich weiß gar nicht, wie man gegen unseren Vorschlag sein kann.

Frage: In Ihrem Wahlprogramm steht, dass Sie Atomkraftwerke wieder zulassen wollen – allerdings ohne staatliche Subventionen. Wie realistisch ist diese Perspektive?

Buschmann: Deutschlands Strombedarf wird in den nächsten Jahren weiter steigen – etwa durch die zunehmende Digitalisierung. Wenn unser Land bei Cloud-Technologien und Künstlicher Intelligenz eine Rolle spielen will, brauchen wir mehr Stromkapazitäten. Hinzu kommt die Umstellung von Mobilität und Gebäudewärme auf Elektrizität. Dabei kann eine neue Generation kleiner modularer Kernreaktoren helfen. Wenn Unternehmen solche modernen, sicheren und sehr viel kostengünstigeren Reaktoren privatwirtschaftlich errichten und betreiben wollen, dann sollte das rechtlich möglich sein. Niemand kann heute garantieren, ob die Energiewende allein mit Erneuerbaren gelingen wird. Ein Land wie Deutschland sollte einen Plan B haben.

Frage: Der Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt hat den Fokus auf die Sicherheitspolitik gelenkt. Reichen die Gesetze?

Buschmann: Nach allem, was wir derzeit wissen, gab es rund 80 Hinweise für die Gefährlichkeit des Täters, die unterschiedlichen Behörden vorlagen. Weiterhin wissen wir, dass es in diesem Fall an keiner Stelle an Befugnissen gemangelt hat. Daten oder Befugnisse scheinen also nicht das Problem gewesen zu sein. Vielmehr wurden die zahlreichen Informationen nicht zusammenführt. Der Flaschenhals war die fehlende Vernetzung der Behörden. Deshalb braucht es eine gesetzliche Grundlage für den Datenaustausch zwischen Bund und Ländern in gemeinsamen Zentren wie dem Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum. Das ist wichtiger als Ablenkungsdebatten über eine Vorratsdatenspeicherung. Klar ist, dass aufgearbeitet werden muss, warum das Sicherheitskonzept für den Weihnachtsmarkt offenbar nicht umgesetzt wurde.

Frage: Berichtet wird über fehlende Stahlketten zum Absperren der Marktzufahrt und um ein falsch platziertes Polizeifahrzeug.

Buschmann: So sah es das Sicherheitskonzept angeblich vor. Weiterhin wird berichtet, dass der Betreiber des Weihnachtsmarktes auf Mängel bei der Umsetzung dieses Sicherheitskonzeptes bei den Sicherheitsbehörden hingewiesen hat. Wenn all das stimmt, ist es zentral, aufzuklären, wer dafür die Verantwortung trägt – und zwar schnell. Darüber kann man nicht hinweggehen.

Frage: CDU-Chef Friedrich Merz fordert Abschiebungen nach der zweiten Straftat.

Buschmann: Das hat mich etwas verwundert. Denn das geltende Recht ermöglicht schon jetzt Abschiebungen in vielen Fällen bereits nach der ersten Straftat. Natürlich kann man gerne über Ausweitungen sprechen. Das Problem ist aber meist, dass die dafür zuständigen Bundesländer Abschiebungen oft nicht durchführen, die Herkunftsländer die Personen nicht zurücknehmen wollen oder dort solche Zustände herrschen, dass deutsche Gerichte Abschiebungen untersagen. Um hier mehr Zug reinzubringen, sollte die Kompetenz für Abschiebungen auf den Bund übergehen.

Frage: Die CSU will Flüchtlinge an der Grenze zurückweisen. Als Justizminister waren Sie da zurückhaltend. Wie sehen Sie das jetzt.?

Buschmann: Wir weisen heute schon an deutschen Grenzen zurück. Das ist ein wesentlicher Fortschritt, auf den die FDP gedrungen hat. Eine europa- und völkerrechtlich bedingte Ausnahme gilt jedoch für Asylbewerber. Politisch befürworte ich die Zurückweisung auch von Menschen, die an der deutschen Grenze um Asyl bitten, wenn sie aus einem anderen EU-Staat kommen. Denn dort sind sie sicher. Rechtlich haben deutsche Gerichte aber seit 2019 immer wieder entschieden, dass das nicht zulässig sei. In der Wissenschaft ist dies ebenfalls umstritten. Daher halte ich eine völker- und europarechtliche Änderung der Rechtslage für zwingend. Die EU mit ihrer gemeinsamen Asylpolitik sollte als einheitlicher Rechtsraum behandelt werden. Das heißt: An der Außengrenze kann man um Asyl bitten. Aber es gibt kein Recht, das an jeder EU-Binnengrenze erneut zu tun.

Frage: Werden wir nochmal grundsätzlich: Welche Lehre ziehen Sie aus dem Scheitern der Ampelkoalition?

Buschmann: Eine Regierung muss auf Veränderungen der Wirklichkeit pragmatisch reagieren.

Frage: Und auch mehr Kompromissbereitschaft und ein anderer Ton?

Buschmann: Die größte Belastung für die Koalition war sie selbst. Daran sollte sich keine neue Regierung ein Beispiel nehmen. Man muss über konkrete Vorschläge sprechen, statt sich gegenseitig zu beschimpfen. Kompromissbereitschaft braucht es – aber das Ergebnis eines Kompromisses muss sich immer an der Wirklichkeit orientieren. Ein Kompromiss ist nicht gut, wenn alle am Tisch irgendwie mit ihm Leben können. Ein Kompromiss ist nur dann gut, wenn er auch sachlich geeignet ist, das Problem zu lösen, um das es geht.

Frage: Würden Sie nochmal mit der SPD und einem Kanzler Scholz regieren?

Buschmann: Dass Olaf Scholz noch einmal Bundeskanzler wird, ist fernliegend. Welche Kräfte dann in der SPD walten, kann niemand vorhersagen. Für uns Freie Demokraten ist klar: Unser Land braucht den Richtungswechsel für eine echte Wirtschaftswende. Darauf kommt es an. Und das funktioniert am besten in einer schwarz-gelben Koalition.

Frage: Die FDP liegt in den Umfragen relativ stabil unter 5 Prozent und käme also nicht wieder in den Bundestag. Wie erklären Sie sich das?

Buschmann: Die FDP ist eine wahlkampfstarke Partei, die insbesondere in den letzten Wochen vor der Wahl zulegt. Schon Hans-Dietrich Genscher sagte: Mit Anbruch des neuen Jahres, zu Dreikönig, erfindet sich die FDP immer wieder ein kleines Stückchen neu. Gut die Hälfte der Menschen ist noch unentschieden, wen sie wählen wollen. Ich bin deshalb zuversichtlich, dass wir noch viele Menschen von der Idee der politischen Freiheit überzeugen können.

Frage: War es ein Fehler, dass FDP-Chef Christian Lindner auf den Tech-Milliardär Elon Musk als Vorbild gesetzt hat, der jetzt die AfD zur Wahl empfohlen hat?

Buschmann: Christian Lindner hat keinen Personenkult empfohlen und sich jede Meinungsäußerung zu eigen gemacht – erst recht nicht für die Zukunft. Er hat verdeutlicht, dass wir offen sein sollten für funktionierende, pragmatische Ansätze aus der ganzen Welt. Denn nicht nur in Deutschland haben Menschen gute Ideen. Jeder Mensch hat umgekehrt das Recht, auch dumme Vorschläge zu machen. Das gilt auch für Elon Musk. Er hat nur nicht das Recht, dass andere dann dazu schweigen. Das ist die Basis einer offenen Gesellschaft.

Frage: Sind Sie schockiert über Musks Empfehlung?

Buschmann: Seine Einlassungen sind für mich nicht nachvollziehbar. Denn das, was Musk im Kern fordert – wirtschaftliche Dynamik und Innovationskraft stärken – hat mit dem Programm der AfD nichts zu tun. Wer Marktwirtschaft, Freihandel und Innovationsgeist stärken will, kann nicht rational zur Wahl der AfD aufrufen.

Frage: Bleibt die FDP bei Musks sozialem Netzwerk X?

Buschmann: Wir müssen als demokratische Partei dort sein, wo die Debatte stattfindet. Dazu gehört auch X mit Millionen von Nutzern in Deutschland. Gerade wenn es Meinungsmache gibt, die sich gegen eine offene Gesellschaft richtet, müssen wir präsent sein. Denn die Flucht vor der Debatte ist keine Option. Die liberale Demokratie lebt vom Austausch der Argumente.

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