THEURER-Gastbeitrag: Gabriel niveau- und planlos bei Deutscher Bank
Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied MICHAEL THEURER schrieb für „Focus Online“ den folgenden Gastbeitrag:
Geldtürme wanken, Geschäftsmodelle kranken: Man kann es poetisch klingen lassen, doch in Wahrheit schrillen die Alarmglocken – nicht nur bei der deutschen Industrie. Das größte deutsche Geldhaus führt einen Überlebenskampf, und es ist schlicht inakzeptabel, wenn sich Deutschlands Wirtschaftsminister und Vize-Kanzler auf Parolen mit Teenager-Niveau beschränkt („Spekulantentum als Geschäftsmodell“).
Auch aus Unionsreihen klingen die Töne schrill, ist gar von Wirtschaftskrieg die Rede. Ja, die Deutsche Bank hat Fehler begangen, für die sie gerade stehen muss, sieht sich Vorwürfen ausgesetzt, in Zockereien, windige Hypothekengeschäfte oder Geldwäschedelikte verstrickt zu sein.
Im Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Panama-Papers, dem ich angehöre und in dem wir etwaige Verletzungen der Sorgfaltspflichten durch Geldhäuser unter die Lupe nehmen, wird auch die Deutsche Bank eine Rolle spielen. Was das hiesige Filialgeschäft mit Privatkunden, Mittelständlern oder Start-ups anbelangt, hat das Geldhaus einen ramponierten Ruf, geprägt von Vorwürfen der Arroganz und Ignoranz.
Unter den Folgen von Nullzinspolitik und schwachem Wachstum leiden auch andere Institute, ebenso wie sich die gesamte Branche dem technologischen Fortschritt stellen und in Innovationen in der Schnittstelle zum Kunden investieren muss. Von einem überzeugenden, zukunftsfesten Geschäftsmodell kann man indes nicht einmal Grundzüge erkennen. Hier ist das Management gefragt, kann und darf sich die Politik nicht einmischen.
Aber auch die Bundesregierung muss endlich ihre Hausaufgaben machen und einen Plan vorlegen, wie sie mit dem Wanken der Deutschen Bank und einer dringend nötigen Rekapitalisierung umzugehen gedenkt. Von der politischen Spitze der größten Volkswirtschaft der EU und der viertgrößten weltweit darf man erwarten darzulegen, ob man im Fall des GAU auf eine global agierende, auch im Investmentgeschäft tätige Bank verzichten würde, wie die Sicht auf die Systemrisiken in astronomischer Höhe ausfällt, oder ob man aber an der Deutschen Bank festhält und entsprechend ein Konzept hat für das Geldhaus.
Meiner Ansicht nach braucht Deutschland als starke Exportnation mit global agierenden Konzernen und Marktführern in mehreren Branchen die Deutsche Bank - wenngleich sicherlich nicht die Deutsche Bank in ihrer derzeitigen Verfassung. Deutsche Konzerne sind bei Fusionen, Großinvestitionen, Expansionen, Börsengängen und anderen strategischen Meilensteinen angewiesen auf die Begleitung und auch den Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten. Es wäre naiv zu glauben, dass die Nationalität des Geldinstituts keine Rolle mehr spielte im globalen Wettbewerb.
Die Deutsche Bank wird meiner Einschätzung nach nur überleben können, wenn die Bank sich von sich heraus mit aller Vehemenz dem technologischen, regulatorischen und makroökonomischen Wandel anpasst und den nötigen Strukturwandel vornimmt. Im internationalen Wettbewerb muss die Bank die Gratwanderung absolvieren, mit sauberen, rechtlich wasserdichten Geschäftsmodellen auf den Weltmärkten zu bestehen. Das dürfte nur gelingen, wenn die Deutsche Bank sich ein klares Profil mit wiederbelebtem Markenkern gibt, sich auf ihre Wurzeln und Werte zurückbesinnt - und kleinere Brötchen backt.
Die Politik ihrerseits muss mit den richtigen Rahmenbedingungen und Weichenstellungen auf die Krise der Deutschen Bank, aber auch die Schwäche des europäischen Bankensektors insgesamt reagieren. Die Interdependenzen zwischen Real- und Finanzwirtschaft sowie dem Staat sind spätestens seit der Finanzkrise offensichtlich. Große Banken wie die Commerzbank sind teilverstaatlicht. Dazu kommen globale Machtspiele und leider wieder erstarkende protektionistische Tendenzen sowie fortbestehende Unterschiede in den Wirtschaftssystemen der Weltregionen. Es macht mithin keinen Sinn, auf ein drohendes Desaster wie die Krise der Deutschen Bank aus ordnungspolitischen Gründen keine industriepolitische Antwort zu finden - die reine Lehre gilt hier nicht.
So macht es bei der Suche nach Investoren durchaus Sinn, andere Banken zum Einstieg bei der Deutschen Bank zu bewegen, aber auch die Aktienkultur allgemein in Deutschland wiederzubeleben, etwa mit steuerlichen Anreizen. Auch ist zu hoffen, dass John Cryan bei seiner Demarche in Washington Unterstützung aus Berlin hat. Die Summe, die in der Auseinandersetzung mit dem US-Justizministerium wegen Hypothekengeschäften genannt wird, ist mit 14 Milliarden Euro in etwa so hoch wie die Summe, die einem Urteil der EU-Kommission zufolge die irische Regierung von Apple zurückfordern soll. Zufall? Zwar haben auch amerikanische Banken wie JP Morgan oder Morgan Stanley für die Hypothekenkrise blechen müssen, aber es sollten die gleichen Maßstäbe gelten, und dies sollte in Washington klar gemacht werden.
An anderer Stelle ist Innehalten gefragt. Seit vor acht Jahren die Bankenkrise ausbrach, wird um den Sektor ein neuer regulatorischer Rahmen gebastelt, mit strengeren Eigenkapitalvorgaben, Aufsehern und Rettungs- und Sanktionsmechanismen. Das ist richtig und konsequent. Jetzt wäre jedoch ein regulatorisches Moratorium wünschenswert. Bevor nicht Basel III evaluiert werden konnte, sollte der Finanzsektor nicht neuerlich mit Umstellungskosten und neuen Vorgaben in Form von Basel IV belastet werden. Auch braucht der Sektor Sicherheit, was das künftige regulatorische Umfeld anbelangt. Keinesfalls dürfen europäische Geldhäuser gegenüber amerikanischen oder chinesischen Wettbewerbern in Nachteil geraten.