21.09.2016FDPFinanzen

THEURER-Gastbeitrag: Auf Megafonds achten

Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied MICHAEL THEURER schrieb für die „Frankfurter Rundschau“ (Mittwoch-Ausgabe) den folgenden Gastbeitrag:

Große Fondsgesellschaften sind auf dem Vormarsch, mit beeindruckenden Wachstumszahlen und einer schwindelerregenden Konzentration von Kapital. Alleine der Branchenprimus Blackrock verfügt über etwa 4,7 Billionen US-Dollar, das ist mehr als die deutsche Wirtschaftsleistung eines ganzen Jahres. Forschern der Universität von Amsterdam zufolge wären Blackrock, Vanguard und State Street, würde man sie als Einheit zusammenfassen, bei etwas über 40 Prozent der börsennotierten US-Unternehmen größte Anteilseigner. An jedem einzelnen der DAX-30-Unternehmen, von BASF über die Deutsche Telekom bis Siemens, sind die Amerikaner beteiligt, meistens zwischen fünf bis sieben Prozent. Das verwaltete Vermögen der Top Ten insgesamt übersteigt das BIP der EU.

Diese gigantische Bündelung von Kapital und Macht wirft Fragen auf, etwa nach dem Machtgefüge in einer Demokratie, nach Transparenz, Interessenkonflikten, nach der Systemrelevanz – sind Blackrock & Co „too big to fail“? – und der Einschränkung des Wettbewerbs. Es ist höchste Zeit, dass diese Zusammenhänge im europäischen Rahmen genauer unter die Lupe genommen werden. Gesetzgeber und Kartellbehörden müssen sich mit dem Thema befassen, denn bisher flogen die Fonds offensichtlich unter dem Radar.

So sind inzwischen immer häufiger an allen großen Unternehmen einer Branche dieselben Fondsgesellschaften beteiligt. Nehmen wir zum Beispiel die sechs größten US-Banken: Bei allen sind mindestens vier der fünf Fonds Blackrock, Vanguard, State Street, Fidelity und Wellington unter den Top Five der Anteilseigner. Dazu kommt bei drei der Banken Warren Buffets Berkshire Hathaway. Daneben gibt es Querbeteiligungen – Vanguard, Wellington und State Street beispielsweise sind an Blackrock beteiligt und so weiter.

Der Aufsichtsratsvorsitzende der deutschen Blackrock-Niederlassung und ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Friedrich Merz beschrieb schon 2008 in seinem Buch „Mehr Kapitalismus wagen“, warum die Fondsgesellschaften besonders viel Einfluss auf Unternehmen haben: „Liegt die Präsenz auf der Hauptversammlung – wie in Deutschland leider üblich – bei durchschnittlich unter 60 Prozent, dann hat ein Minderheitenaktionär mit 30 Prozent schon die Mehrheit.“

Die Frage ist, ob die kartellrechtlichen Definitionen angepasst werden müssen dahingehend, dass Beteiligungen einiger weniger Großinvestoren an mehreren oder allen Firmen derselben Branche als problematisch erfasst werden. Empirische Studien zu den Folgen des „Common Ownership“ durch die großen Fondsgesellschaften sind zwar erst am Anfang. Doch erste Ergebnisse bei Untersuchungen von Flugticketpreisen sowie Gebühren von Bankkonten in mehreren US-Regionen deuten klar in die Richtung: Ja, es zeichnet sich das Bild von Quasi-Oligopolen oder Monopolen ab, mit erhöhten Preisen und Gebühren für die Kunden. Mittel- und langfristig drohen negative Wohlfahrtseffekte durch weniger Wettbewerb, Wachstum, Innovation und Arbeitsplätze.

Zweites Problem sind die sogenannten Indexfonds, die Vanguard mit ins Leben gerufen hat und die heute von den großen Fondsgesellschaften massiv und gezielt für ihre Kunden gehalten werden. Indexfonds, die schlicht einen Index wie den DAX abbilden, sind für den Kunden bequem, doch hebeln sie den Marktmechanismus aus. Die Kapitalmärkte sind gerade deshalb effizient, weil sie profitable Unternehmensentscheidungen belohnen und unprofitable bestrafen.

Indexfonds gibt es zwar schon seit den 1970er Jahren. Doch seit der letzten Finanzkrise ist ihr Wachstum rasant. Sie machen derzeit noch keine Mehrheit des Anlagevolumens aus, doch dies scheint nur eine Frage der Zeit. Einerseits wird damit der Marktmechanismus zunehmend abgeschaltet und innovative, zukunftsfähige Unternehmen werden noch größere Schwierigkeiten haben, an Finanzierung zu kommen. Andererseits werden die anteilig immer wenigeren, (außerhalb der Indexfonds) aktiven Investoren immer seltener Überreaktionen und Schwankungen der Märkte ausgleichen können. Beides wären massive Hindernisse für die dauerhafte Funktionsfähigkeit unseres Wirtschaftssystems.

Auch potenzielle Interessenkonflikte lassen sich anhand von Blackrock darstellen. Während der Finanzkrise hat Blackrock sowohl amerikanische als auch die irischen und die griechischen Banken im Auftrag der öffentlichen Hand analysiert, beispielsweise im Rahmen der sogenannten Stresstests. Hierfür bekommen die Analysten tiefe Einblicke in die Bücher. Dies alles muss die Wettbewerbshüter auf den Plan rufen mit dem Auftrag, das Kartellrecht zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen. Die Kriterien für eine marktbeherrschende Stellung bei Common Ownership müssen überprüft werden. Auch Transparenzvorschriften im Wertpapierhandel sollten dahingehend evaluiert werden.

Und schließlich müssen adäquate Mittel und Wege gefunden werden, um mit den potenziell desaströsen makroökonomischen Auswirkungen der Indexfonds umzugehen. Eine entsprechende Anfrage an die EU-Kommission, Europas oberste Wettbewerbsaufsicht, habe ich mit der liberalen Fraktion im Europäischen Parlament auf den Weg gebracht. Auch die deutsche Monopolkommission hat das Thema auf die Agenda genommen. Hier zeigt sich, dass nur funktionierender Wettbewerb die soziale Marktwirtschaft garantiert.

Social Media Button