15.02.2020FDPFDP

STAMP-Interview: Für stärkere NRW-Vertretung in Berlin

Dr. Joachim Stamp, Ständiger Gast des Präsidiums der FDP, Landesvorsitzender der FDP und stellvertretender Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen, gab der "Rheinischen Post" (Samstagausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Kirsten Bialdiga:

Frage: Herr Stamp, hat­ten Sie das Er­geb­nis in Thü­rin­gen kom­men se­hen?

Stamp: Es hat ei­ne Mut­ma­ßung ei­nes füh­ren­den Lan­des­po­li­ti­kers in Thü­rin­gen ge­ge­ben. Ich ha­be den­noch nicht er­war­tet, dass es der AfD ge­lin­gen könn­te, ei­ne de­mo­kra­ti­sche Wahl so per­fi­de zu hin­ter­trei­ben und den ei­ge­nen Kan­di­da­ten als Stroh­mann zu ver­bren­nen.

Frage: Hat­ten Sie vor­her Kon­takt zu Herrn Kem­me­rich?

Stamp: Ja, ich ha­be ihm emp­foh­len, sich auch auf die­ses un­wahr­schein­li­che Sze­na­rio vor­zu­be­rei­ten.

Frage: Und wie hat er re­agiert?

Stamp: Er ant­wor­te­te, dass es kei­ne Ab­spra­che mit der AfD gibt. Was ich ihm auch glau­be. Tho­mas Kem­me­rich ist ein auf­rech­ter De­mo­krat, der dann im ent­schei­den­den Mo­ment schlicht­weg mit der Si­tua­ti­on über­for­dert war. Das al­les war ein Rie­sen­feh­ler. Aber un­ser Bun­des­vor­sit­zen­der Chris­ti­an Lind­ner hat dann ja am nächs­ten Tag die Thü­rin­ger Par­tei­kol­le­gen über­zeugt – und Kem­me­rich ist zu­rück­ge­tre­ten.

Frage: An­ders als Herr Lind­ner ha­ben Sie sich so­fort klar ge­äu­ßert.

Stamp: Ich fin­de, dass man Chris­ti­an Lind­ner un­recht tut: Sein State­ment war nicht schwam­mig. Er hat gleich ge­sagt, dass er nicht Vor­sit­zen­der ei­ner Par­tei sein kann, die in ir­gend­ei­ner Wei­se mit der AfD ko­ope­riert. Er war in sei­ner Wort­wahl nicht so dras­tisch wie ich, weil sonst in Thü­rin­gen ei­ne Art Trotz­hal­tung ent­stan­den wä­re, die den Rück­tritt Kem­me­richs er­schwert hät­te. Im Ge­gen­satz zu An­ne­gret Kramp-Kar­ren­bau­er hat Chris­ti­an Lind­ner dann aber Füh­rungs­stär­ke be­wie­sen und die schwie­ri­ge La­ge für die FDP ge­klärt.

Frage: Wä­re es nicht für die FDP bes­ser, wenn sich in der Par­tei Ih­re ein­deu­ti­ge Po­si­ti­on als die maß­geb­li­che durch­setz­te?

Stamp: Es gibt da kei­nen Un­ter­schied zwi­schen un­se­rem FDP-Vor­sit­zen­den und mir. Chris­ti­an Lind­ner hat in ei­ner be­ein­dru­cken­den Re­de im Deut­schen Bun­des­tag Ver­ant­wor­tung über­nom­men und für die Par­tei um Ent­schul­di­gung ge­be­ten, ei­ne sol­che Fä­hig­keit zur Selbst­kri­tik er­le­ben Sie bei Spit­zen­po­li­ti­kern sel­ten. Es war völ­lig klar, dass die­se Wahl nicht auf­recht­er­hal­ten wer­den kann. Dif­fe­ren­zen gibt es al­ler­dings in der Be­wer­tung der Vor­gän­ge zwi­schen Ost- und West­deut­schen.

Frage: Was mei­nen Sie da­mit?

Stamp: Vie­le Men­schen in Ost­deutsch­land ha­ben ei­nen et­was an­de­ren Blick auf die­sen Vor­fall in Thü­rin­gen, den ich nicht nach­voll­zie­hen kann. Das mag auch dar­an lie­gen, dass im Os­ten Deutsch­lands zwei Dik­ta­tu­ren nicht rich­tig auf­ge­ar­bei­tet wur­den. Vie­le Leu­te dort se­hen nicht, dass es sich nur for­mal um ei­ne de­mo­kra­ti­sche Wahl han­del­te – weil die AfD ei­nen ei­ge­nen Kan­di­da­ten vor­ge­schla­gen hat, den sie gar nicht ge­wählt hat. Das war ein sub­ver­si­ves Ver­hal­ten, das dem Geist der Ver­fas­sung wi­der­spricht. Ich ha­be des­halb in der Land­tags­de­bat­te von ei­nem An­schlag auf die De­mo­kra­tie ge­spro­chen.

Frage: Sie gel­ten be­reits als Kan­di­dat für Herrn Lind­ners Nach­fol­ge.

Stamp: Das ist doch Ko­ko­lo­res. Es stellt ihn in der Par­tei nie­mand in­fra­ge. Der Bun­des­vor­stand hat ihm ge­ra­de ein­drucks­voll das Ver­trau­en aus­ge­spro­chen.

Frage: Wie muss das Wahl-Er­geb­nis in Ham­burg aus­fal­len, da­mit Herr Lind­ner FDP-Chef blei­ben kann?

Stamp: Egal wie die Wahl aus­geht – Chris­ti­an Lind­ner bleibt FDP-Bun­des­vor­sit­zen­der.

Frage: Stün­den Sie im Zwei­fel be­reit?

Stamp: Nein. Die Fra­ge stellt sich doch gar nicht. Die Stim­mung in der Par­tei wird sich nicht dre­hen.

Frage: Se­hen Sie Un­ter­schie­de zwi­schen der AfD in Thü­rin­gen und in NRW?

Stamp: Die So­li­da­ri­sie­rung der nord­rhein-west­fä­li­schen AfD mit Hö­cke zeigt, dass die AfD ins­ge­samt ei­ne rechts­ex­tre­me Par­tei ist.

Frage: Sind die Wäh­ler auch als rechts­ex­trem zu be­zeich­nen?

Stamp: Die Wäh­ler sind nicht al­le rechts­ex­trem, aber sie ma­chen sich mit Rechts­ex­tre­men ge­mein, und das will ich nicht ent­schul­di­gen. Den­noch müs­sen wir den Teil der Wäh­le­rin­nen und Wäh­ler, der nicht rechts­ex­tre­mis­tisch ist, von un­se­rer Po­li­tik der De­mo­kra­ten über­zeu­gen. Ziel muss es sein, zu­min­dest im Wes­ten die AfD so schnell wie mög­lich un­ter die Fünf-Pro­zent-Hür­de zu drü­cken.

Frage: Se­hen Sie die­se Chan­ce in NRW?

Stamp: Ja. Die AfD bringt kei­ne kon­struk­ti­ve Ar­beit ein und ist in Um­fra­gen wie­der in der Ab­wärts­be­we­gung. Und ent­schei­dend ist: Wir ma­chen gu­te Po­li­tik in NRW und vor al­lem das macht der AfD zu schaf­fen.

Frage: Wel­che Aus­wir­kun­gen der Thü­rin­gen-Kri­se se­hen Sie für NRW?

Stamp: Kei­ne. Wir re­gie­ren sta­bil.

Frage: Es könn­te sein, dass der Mi­nis­ter­prä­si­dent ab­han­den­kommt…

Stamp: Ar­min La­schet ist auch jetzt schon in die Bun­des­po­li­tik stark ein­ge­bun­den. Es hilft uns, wenn wir als Nord­rhein-West­fa­len in Ber­lin noch stär­ker ver­tre­ten sind.

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