FDPGastbeitrag

SPD hat ihre Wurzeln verloren

Patrick Döring
26.02.2014

Die SPD setzte auch einst auf Freiheit, Individualität und Verantwortung: Seither habe die SPD diese progressiven Werte allerdings gegen staatsgläubigen Kollektivismus getauscht, zur Unterwerfung des Einzelnen. Das konstatiert FDP-Generalsekretär Patrick Döring in einem Gastbeitrag für die „Welt“. Damit habe sich die SPD zum natürlichen Gegner der Liberalen gemacht. Döring schildert die Entwicklung der Sozialdemokratie in Deutschland und wie sie ihre liberale Gesinnung verlor.

Gastbeitrag von Patrick Döring: „Wohltäter Staat? Warum die SPD der natürliche Gegner der Liberalen ist“

Wir "erstreben eine Gesellschaft, in der jeder Mensch seine Persönlichkeit in Freiheit entfalten und als dienendes Glied der Gemeinschaft verantwortlich am politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben der Menschheit mitwirken kann". Dieser Satz stammt nicht aus dem Wahlprogramm der FDP, sondern aus dem Godesberger Programm der SPD von 1959. Diese progressive Idee – Freiheit durch Bildung, Fortschritt, Wachstum – hat in den 70er-Jahren auch Liberale und Sozialdemokraten in einer Koalition zusammengeführt.

Dass die Sozialdemokraten heute das "Wir" vor und über die Freiheit des Einzelnen stellen, ist daher befremdlich. Denn dieses "Wir" der SPD meint eben ausdrücklich nicht alle Menschen in unserer Gesellschaft. Sondern, in den Worten von Andrea Nahles, "Wir – das ist der Anspruch als Volkspartei, bessere Politik für die Mehrheit im Land zu machen." Man muss die historischen Vergleiche an der Stelle nicht überstrapazieren – aber dass die SPD sich selbst und eine (vorgebliche) "gesellschaftliche Mehrheit" als "Wir" über die Interessen Einzelner stellt, das zeugt von der Geschichtsvergessenheit der heutigen SPD-Führung. Nicht mehr die Aufstiegs- und Teilhabechancen des Einzelnen stehen im Mittelpunkt. Sondern das große "Wir", das Kollektiv, der Staat. Die SPD denkt und handelt nach dem Prinzip: Die Gemeinschaft, das "Wir", hat Rechte. Dem Einzelnen, dem "Ich", obliegen die Pflichten. Der Staat, das "Wir", ist der Wohltäter. Der Bürger muss zahlen und gehorchen.

Es geht der Sozialdemokratie nicht mehr darum, wie noch im Godesberger Programm, dass "jeder Mensch seine Persönlichkeit in Freiheit entfalten" kann, sondern allein um einen starken Staat, der zugunsten einer vermeintlichen Mehrheit steuern, lenken und umverteilen soll. Damit vollendet sich eine Entwicklung, die im SPD-Grundsatzprogramm von 2007 bereits im Ansatz erkennbar war: Die SPD verabschiedet sich vom Anspruch der Volkspartei, eine Politik für alle Menschen zu machen. Sie wird zu einer staatsgläubigen Partei des Stillstands – und somit, wie Sigmar Gabriel und Andrea Nahles zu Recht feststellen, zum natürlichen Opponenten der Liberalen.

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