10.05.2003FDP

PIEPER-Interview für "Stuttgarter Zeitung"

Berlin. FDP-Generalsekretärin CORNELIA PIEPER gab der "Stuttgarter Zeitung" (Sonnabend-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte BÄRBEL KRAUß.

Frage: Die FDP steht vor dem ersten Bundesparteitag der Nach-MÖLLEMANN-Ära, und prompt wird gähnende Langeweile erwartet.

PIEPER: Nein. Erstens herrscht keine Langeweile bei uns, und zweitens ist dies der dritte Bundesparteitag der Westerwelle-Pieper-Ära. Außerdem waren das zwei Jahre mit neuen Ideen und einem Strategiewechsel. Wir sitzen jetzt wieder in zehn Landtagen und vier Regierungen. Wir haben eine Renaissance im Osten erreicht. Das ist eine ganze Menge für zwei Jahre. Jetzt geht es darum, die Situation zu stabilisieren und programmatisch zuzulegen. Das ist die Aufgabe des Bundesparteitags.

Frage: Ihre Zeitrechnung ist auch legitim aber nicht sehr verbreitet. Viele denken: Kaum ist MÖLLEMANN weg, ist es öde bei der FDP.

PIEPER: In die FDP sind in den vergangenen zwei Jahren 14 000 neue Mitglieder eingetreten. Das kann keine andere Partei von sich sagen. Die Hälfte der neuen Mitglieder sind jünger als 35 Jahre. Das sind keine Anzeichen, dass die Partei öde wirkt.

Frage: Andere Faktoren stehen im Vordergrund: MÖLLEMANN ist weg. GUIDO WESTERWELLE und Sie selbst werden bestätigt, die Führungsspitze bleibt fast wie sie ist, und programmatische Höhepunkte fehlen.

PIEPER: Das letzte Wort haben die Delegierten. Ziel der Liberalen ist die Halbierung der Arbeitslosigkeit. Das ist das Hauptthema beim Parteitag, und es ist das Thema Nummer eins in Deutschland. Dass Programmdebatten nie so spannend sind wie personelle Querelen, ist mir klar. Aber es tut der FDP gut, dass dieses Gerangel vorbei ist. Ich bin erleichtert, dass JÜRGEN MÖLLEMANN die Partei verlassen hat. Wir haben wieder zu uns selbst gefunden.

Frage: Es wird also ein Erholungs-Parteitag.

PIEPER: Bestimmt nicht. Wir wählen den Vorstand. Wie legen ein Gesamtkonzept für ein modernes Deutschland vor " mit Steuersenkungen, Sozial- und Bildungsreformen. Wir diskutieren über den Meisterbrief, die Zwangsmitgliedschaften in den Kammern und den EU-Beitritt der Türkei.

Frage: Die FDP hat viele wirtschafts- und sozialpolitische Vorschläge, die der Kanzler seinen Genossen jetzt abringt, schon vor Jahren gemacht. Auf der Suche nach Konzepten für durchgreifende Sozialreformen schaut trotzdem niemand auf die Liberalen.

PIEPER: Wir sind " noch " Oppositionspartei im Bund. Über den Bundesrat und unsere Regierungsbeteiligung in den Ländern können wir durchaus Druck ausüben. Zuletzt haben wir geschlossen gegen Steuererhöhungen gestimmt. Mehr ist im Augenblick nicht drin. Es wäre gut für Deutschland, wenn wir sehr schnell Neuwahlen bekämen. Daran arbeitet die FDP.

Frage: Dass Sie wieder Generalsekretärin werden, war nicht immer sicher. Wie sieht Ihr Wunschergebnis aus?

PIEPER: Ich bin vor zwei Jahren angetreten, damit die FDP wieder zu einer gesamtdeutschen Partei wird. Die Wahlergebnisse im Osten belegen, dass wir da einiges erreicht haben. Darüber hinaus ist für mich ein wichtiger Punkt, dass die FDP trotz aller Mitgliederzuwächse für Frauen nicht attraktiv genug ist. Wir sprechen Frauen zu wenig an. Da haben die Liberalen großen Nachholbedarf. Auf meinem Arbeitsplan für die nächsten Jahre steht das ganz oben.

Frage: Dennoch bleiben Sie die einzige Frau an der FDP-Spitze. Alle vier Vize-Posten sind und bleiben in männlicher Hand, obwohl 23,3 Prozent der Mitglieder Frauen sind.

PIEPER: Auf die Dauer ist eine Frau an der Spitze sicher zu wenig. In der Zukunft wünsche ich mir mehr Frauen im FDP-Vorstand. Aber für diesmal sind die Würfel wohl gefallen.

Frage: Dann bleibt die spannendste personelle Frage des Parteitags, ob der Stuttgarter WALTER DÖRING vor dem Düsseldorfer ANDREAS PINKWART zweiter Stellvertreter WESTERWELLES wird oder umgekehrt?

PIEPER: Ich sehe Spielraum, dass die beiden sich einigen. Auch da gilt: Der Klügere gibt nach.

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