NIEBEL-Interview für DeutschlandRadio Kultur
Berlin. FDP-Generalsekretär DIRK NIEBEL gab "DeutschlandRadio Kultur" das folgende Interview. Die Fragen stellte BIRGIT KOLKMANN:
Frage: Ob mit einem Regierungswechsel im Herbst auch die ersehnten Steuersenkungen kommen, darf bezweifelt werden, denn angesichts der prekären Haushaltslage rudern viele Unionspolitiker schon zurück und sind sogar bereit, bislang heilige Kühe zu schlachten wie die Eigenheimzulage und die Pendlerpauschale, sogar von einer Erhöhung der Mehrwertsteuer ist die Rede. Wie paßt das zusammen mit angekündigter großer Reform des Steuersystems, Vereinfachung und Senkung der Steuern? Die Finanzexperten der FDP wiesen diese Vorhaben als Gift für die Konjunktur zurück. Wir sind jetzt mit dem Generalsekretär, Dirk Niebel, verbunden. Herr Niebel, bahnt sich da schon der erste Streit mit dem künftigen Koalitionspartner an?
NIEBEL: Nein, es ist so, bei einer großen Partei gibt es viele Leute die Zugang zu Medien haben und wenn dann Einzelmeinungen eine unklare Position nach außen tragen, ist es immer ärgerlich. Aber es ist völlig klar, das Konzept der FDP für eine umfassende Steuerreform, sowohl für die Einkommenssteuer als auch für die Unternehmenssteuer, liegt vor, und das Ziel ist eindeutig eine Entlastung sowohl für Betriebe, damit hier Lust zum Investieren ist, als auch für die Privaten, damit wieder Lust zum Konsumieren da ist, denn alles andere würde die Wachstumsimpulse in Deutschland nicht befördern. Wir brauchen Wachstum, damit wir Arbeitsplätze bekommen - mit Arbeitsplätzen gibt es Steuereinnahmen - und von daher ist die Diskussion relativ lästig, aber man kommt wahrscheinlich in Wahlkampfzeiten nicht drum rum.
Frage: Das klingt ja gut, Sie sagen ja auch, Sie halten unbedingt fest an den Steuersenkungsplänen, zumindest als FDP. Aber bitte, wie wollen Sie das finanzieren?
NIEBEL: Nun, wir haben ein durchgerechnetes Konzept, das können Sie auf unserer Internetseite jederzeit nachgucken. Dann, ein wesentlicher Kritikpunkt besteht ja nicht nur in der Höhe der Steuersätze, sondern auch in dem undurchsichtigen Dschungel unseres Steuersystems. Das heißt also, ein Kernpunkt wird ein deutlich transparenteres Steuersystem sein. Die Entlastungswirkungen kommen durch die Sekundärwirkungen, also durch das Anspringen der Wirtschaft zum einen - dadurch daß entlastet wird, kann investiert und konsumiert werden, das schafft Arbeitsplätze, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können Steuern und Beiträge zahlen, so daß auch Zuschüsse für soziale Sicherungssysteme geringer ausfallen -, aber darüber hinaus, wenn diese Entlastungswirkung einsetzen soll, muß man natürlich auch gucken, wie das Steuersystem ausgestaltet ist, und man muß alle Ausnahmetatbestände selbstverständlich auf den Prüfstand stellen - das ist unstreitig, nur, mit der Überschrift: Es muß eine entlastende Steuerreform herauskommen.
Frage: Das klingt so gut und so einfach, daß man sich wundert, warum es noch keiner gemacht hat. Wie erklären Sie sich denn die widersprüchlichen Aussagen der Union zu Steuern rauf oder Steuern runter?
NIEBEL: Ach, da sollten Sie vielleicht die Union am besten dazu fragen, wie man sich das erklärt.
Frage: Sie müssen sich ja auch damit auseinander setzen.
NIEBEL: Ja, nur erklären, warum die sich widersprechen, kann ich Ihnen nicht. Wir haben eine klare Position als FDP, wir werden auch mit dieser Position in den Wahlkampf gehen und gegebenenfalls in Koalitionsverhandlungen und je stärker wir sind, desto mehr können wir von unserer Position auch beim potenziellen Partner durchsetzen.
Frage: Es gibt ja verschiedene Kommentare heute zum Thema in den deutschen Zeitungen, unter anderem auch einen zum Thema "Ehrlichkeit in der Politik": Da könne man in diesem Bereich mehr Ehrlichkeit wagen, weil sich nämlich an der Steuer- und Finanzpolitik wenig ändern kann, weil es niemand bezahlen kann, die Kassen sind leer. Werden Sie das den Bürgern sagen?
NIEBEL: Nein, das ist falsch. Es kann sich viel ändern, denn der Umstand, daß die Kassen so leer sind, hat ja auch was mit den Aufgaben des Staates zu tun. Und diese rot-grüne Bundesregierung hat immer mehr Aufgaben an sich gezogen, die natürlich mit Geld bezahlt werden müssen und deswegen ist es zwingend notwendig, mal eine Aufgabenkritik durchzuführen. Da gibt es kleine Dinge, also kleine Haushaltsposten wie zum Beispiel die nationale Erbsenreserve mit über 25.000 Tonnen Trockenerbsen, die wir für 100.000 Euro im Jahr lagern, aber es gibt auch große Punkte wie zum Beispiel Ausweitung der Steinkohlesubventionen um weitere 16 Milliarden in den nächsten Jahren, so daß da einiges zustande kommt, wo man Einsparpunkte hat, wo der Bürger nicht das Gefühl hat, es geht ihm ans Innerste.
Frage: Sie würden als FDP ja am liebsten ganz radikal alle Subventionen streichen, das aber geht ja nicht, es gibt da ja Verträge.
NIEBEL: Wir würden gerne nicht über jede Einzelsubvention diskutieren, sondern einen linearen Schnitt machen, damit alle Subventionsempfänger gleich belastet sind, das ... Lobbyinteressen irgendwelchen Abgeordneten umzustimmen, da wo es vertragliche Bindungen gibt, muß man vertragstreu sein, da dauert es länger, aber vom Grundsatz her ist eine lineare Subventionskürzung politisch das am ehesten Durchsetzbare.
Frage: Kommen wir noch mal zu dem Thema der indirekten Steuern. Die Mehrwertsteuer, über die wird jetzt diskutiert, Tabaksteuer gibt es ja auch noch als Möglichkeit - kann man sich vorstellen, daß da möglicherweise im nächsten Jahr doch noch eine Erhöhung kommen muß?
NIEBEL: Also um das ganz klar zu sagen für die FDP: Jede Steuererhöhung, jede, ist das völlig falsche Signal. Die Menschen und die Betriebe in diesem Land sind absolut überbelastet, was Steuern und Abgaben anbetrifft, das erstickt unser Wirtschaftswachstumspotenzial, wodurch wieder Arbeitsplätze verloren gehen. Jede Steuererhöhung ist das falsche Signal, deswegen sind wir dagegen. Und die Tabaksteuer, wenn Sie die schon ansprechen, hat ja gezeigt, daß hier die Einnahmen des Staates zurückgehen, die Volksgesundheit allerdings nicht besser wird, weil jetzt schwarz geraucht wird.