LINDNER/BUSCHMANN-Statement: Neuen Aufschwung gibt es nur mit einer Neuausrichtung der Wirtschafts- und Finanzpolitik
Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner MdB und der designierte FDP-Generalsekretär Dr. Marco Buschmann MdB gaben nach den Gremiensitzungen folgendes Statement ab:
Lindner: „[…] Wir haben uns heute in Präsidium und Bundesvorstand zunächst noch einmal mit der Retrospektive der vergangenen Monate beschäftigt. Seit dem Urteil zum Haushalt vom 15. November des vergangenen Jahres ist die Ampelkoalition in ein inneres Trudeln geraten.
Die Bewertungsunterschiede wurden größer, die Konflikte über die knapper gewordenen Ressourcen wurden auch öffentlich mit großer Intensität ausgefochten. Wir haben seitdem regelmäßig in unseren Gremien darüber gesprochen, was von unserer Regierungsbeteiligung zu erwarten ist, um unser Land voranzubringen, welche politischen Vorhaben umsetzbar sind und wie die Akzeptanz der Ampelkoalition bei den Bürgerinnen und Bürgern ist.
Wir haben dann […] einen Herbst der Entscheidungen ausgerufen. Für uns Freie Demokraten war klar: Unser Land braucht eine Wirtschaftswende, um die Arbeitsplätze und den Wohlstand in unserem Land zu sichern.
Wir sind überzeugt, dass die Weltoffenheit und die Toleranz Deutschlands nur dann erhalten bleiben können, wenn wir mehr Kontrolle, mehr Begrenzung, mehr Konsequenz bei der Migration erhalten. Insbesondere die irreguläre Migration muss unterbunden werden.
Und wir als Freie Demokraten stehen nicht zur Verfügung für Tricks beim Haushalt, die vom Verfassungsgericht verworfen worden sind, sondern wir wollen stabile Staatsfinanzen, die die Interessen auch der jungen Generation achten und deshalb unser Land nicht in immer höhere Verschuldung führen.
Wir haben im Herbst der Entscheidungen gesagt, dass Deutschland entweder eine neue Politik bekommt oder neue Wahlen erreicht werden müssen. An diesem Ziel haben wir uns orientiert, und zu diesem Ziel bekennen wir uns.
Unser Angebot an den Bundeskanzler war, gemeinsam geordnete Neuwahlen für den Fall herbeizuführen, wenn es keine inhaltlichen Gemeinsamkeiten gibt. Aber selbstverständlich haben wir uns auch auf alle Szenarien vorbereitet. Mit zunehmender Nähe auch zum notwendigen Beschluss des Haushaltes 2025 wurde ja auch klar, dass die Gemeinsamkeiten kleiner wurden, insofern die Wahrscheinlichkeit auch eines Scheiterns der Ampelkoalition im Wachsen begriffen war.
Deshalb haben sich ja alle Koalitionspartner auch auf ein mögliches Ampel-Aus vorbereitet, wie wir heute wissen. Auch wir Freien Demokraten haben das getan. Dies bekennen wir auch sehr klar. Die Freien Demokraten sehen keinen Grund, sich zu rechtfertigen dafür, dass wir neue Politik oder neue Wahlen wollten und dass wir uns darauf vorbereitet haben.
Nach dem Scheitern der Regierung […] gab es Prozessfehler im Hans-Dietrich-Genscher-Haus und deshalb auch kommunikative Fehler im Umgang mit Szenen aus internen Sitzungen und internen Dokumenten. Das bedauern wir sehr, weil dadurch die Lauterkeit unserer Motive von unseren politischen Gegnern in Frage gestellt werden konnte. Wir haben deshalb auch schmerzhafte personelle Konsequenzen gezogen .
Unser Generalsekretär und der Bundesgeschäftsführer haben politische Verantwortung dafür übernommen. Ich bedauere, dass dies erforderlich war, denn mit beiden habe ich sehr gerne und gut zusammengearbeitet. Beiden ist auch heute in den Gremien gedankt worden dafür, dass sie so schnell politische Verantwortung übernommen haben. Wir werden die Prozesse und Kommunikationsfehler nach dem Scheitern der Ampel auch weiter aufarbeiten.
Ich habe heute Marco Buschmann als neuen Generalsekretär vorgestellt in den Gremiensitzungen. […] Marco Buschmann ist 2013 Bundesgeschäftsführer der FDP auf meinen Vorschlag hin geworden. Es ist wesentlich auch ihm zu verdanken, dass es der FDP 2017 gelungen ist, aus der außerparlamentarischen Opposition wieder in den Deutschen Bundestag zurückzukehren.
Nach 2017 hat er auf meinen Vorschlag gewirkt, als Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion unter meiner Führung. Und es ist wesentlich ihm zu verdanken, dass wir nach dem Scheitern der Jamaika-Gespräche 2017 uns politisch-programmatisch so substanziell verstärken konnten, dass bei der Wahl 2021 die FDP sogar mit einem besseren Ergebnis als 2017 in den Deutschen Bundestag eingezogen ist. Er hat […] danach gewirkt als Bundesminister der Justiz. […]
Ich hätte verstehen können, wenn Marco Buschmann meine Bitte abgelehnt hätte, in diesen Zeiten Generalsekretär der FDP zu werden. Das hätte ich verstehen können, dass eine Persönlichkeit wie er sagt: Nach einem hohen Staatsamt und nachdem ich zweimal bereits an einem Comeback der FDP erfolgreich mitgearbeitet habe, traue ich es mir nicht ein weiteres Mal zu. Will ich es mir ein weiteres Mal auch nicht zumuten.
Ich weiß nicht, ob ich die Kraft gehabt hätte, ohne Marco Buschmann ein Comeback der FDP am 23. Februar zu erreichen. Nachdem er zugesagt hat, bin ich mir aber sicher, dass es uns gelingen wird, mit einem starken Ergebnis im nächsten Deutschen Bundestag vertreten zu sein, dass es die Möglichkeit auch einer Regierungsbeteiligung der Freien Demokraten gibt. Ich bin sehr dankbar, dass Marco mein Angebot angenommen hat.
Er ist für mich die einzig denkbare Option gewesen, in diesen Zeiten dieses Amt zu übernehmen. Aufgrund unseres engen persönlichen Vertrauensverhältnisses, aufgrund seiner unbestrittenen intellektuellen Brillanz und auch, weil er das Hans-Dietrich-Genscher-Haus wie seine Westentasche kennt und er es auch seiner Zeit als Bundesgeschäftsführer in der heutigen Form so aufgebaut hat.
[…] Die Entscheidung der FDP, neue Politik oder Neuwahlen in diesem Herbst, die hat sich am vergangenen Wochenende noch einmal bestätigt. Denn auch der von der FDP in Anführungsstrichen befreite Olaf Scholz hat keine anderen Ideen als der Ampel-Scholz. Olaf Scholz redet weiter an den Problemen des Landes vorbei und würde auch an den Herausforderungen unseres Landes weiterhin vorbei regieren.
Wir haben eine sich zuspitzende wirtschaftliche Krise. Hunderttausende Menschen müssen sich inzwischen sorgen um Jobs. Eine Erfahrung, die es in unserem Land schon lange nicht gegeben hat. Die einzige Antwort von Olaf Scholz darauf ist, die Schuldenbremse in Frage zu stellen, was ich konzeptionell hilflos finde. Einen Aufschwung wird Deutschland nämlich nicht auf Pump erreichen.
Einen neuen Aufschwung für unser Land gibt es nur mit einer Neuausrichtung der Wirtschafts- und Finanzpolitik, einer Neuausrichtung, die möglicherweise über die Dimension der Agenda 2010 noch hinausgehen muss. Weil nicht nur strukturelle Schwächen unseres Landes zu beobachten sind, sondern weil möglicherweise ganze Schlüsselindustrien mit ihrer Zukunftsfähigkeit am Standort Deutschland in Frage stehen.
Also müssen die Veränderungen genauso grundlegend sein wie die Dimension der Herausforderung, vor der unser Land steht. Wir sind deshalb der Überzeugung, dass eine Wirtschaftswende ein Schlüssel ist dafür, unseren Lebensstandard zu sichern und unseren Wohlstand zu sichern. Aber am Ende des Tages auch den sozialen Frieden in unserem Land und unsere demokratische Kultur.
Denn wenn Menschen sich sorgen müssen um die eigene wirtschaftliche Zukunft und die ihrer Familien, dann sind sie auch anfällig für die politischen Ränder. Dann sind sie anfällig, wenn die Demokratie nicht liefert, das System selbst in Frage zu stellen. Und deshalb, weil wir uns bestätigt sehen durch die Konzeptionslosigkeit von Rot-Grün ohne FDP, geht es am 23. Februar um eine politische Richtungsentscheidung.
Es geht darum, dass unser Land einen anderen Kurs bestreitet als in den vergangenen gut zehn Jahren. Einen solchen Kurswechsel, den kann und den wird es aber nur mit starken Freien Demokraten in Parlament und Regierungsverantwortung geben. Und deshalb sehen wir es als ein Stück auch unserer Verantwortung für das Land, die FDP erfolgreich zu machen, damit wir für unser Land erfolgreich sein können.“
Buschmann: „Ich möchte mich sehr herzlich dafür bedanken, dass mir Christian Lindner das Vertrauen schenkt, diese Aufgabe zu übernehmen. Auch bei den Gremien, die heute getagt haben, möchte ich mich ganz herzlich bedanken. […] Einen Gedanken möchte ich vorneweg stellen: In welcher anderen Partei hätte ein solcher Vorgang so schnell und so klar zu so einschneidenden persönlichen Konsequenzen geführt. Man kann die FDP und ihr Programm kritisieren, man kann die Akteure kritisieren, die kann man mögen oder nicht mögen. Aber hier ist bewiesen worden, dass persönliche Verantwortung übernommen wird und dass Verantwortung hier nicht nur ein Begriff ist, den man in Programme schreibt, in Kampagnen benutzt oder in PR-Statements abgibt. Sondern: Dass Menschen Verantwortung persönlich übernehmen und auch für sich schwerwiegende Entscheidungen daran knüpfen. Deshalb glaube ich, hat sich auch gezeigt, dass Integrität und Verantwortung in der Kultur unserer Partei fest verankert sind.
Ich möchte etwas Zweites sagen zu der Aufgabe, die sich uns nun stellt. Wenn man etwas über 80 Tage vor der Wahl Generalsekretär wird, […], dann ist es natürlich die Aufgabe herauszustellen, worum es bei dieser Wahl geht. Das ist die Aufgabe der politischen Parteien, an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken, indem man Alternativen aufzeigt, eigene Argumente und Vorschläge macht. […]
Und ich will einmal sehr persönlich sagen, dass diese Richtungsentscheidung, von der Christian Lindner sprach, für mich persönlich auch ein wichtiger Grund ist, diese Aufgabe zu übernehmen, und warum ich es persönlich für wichtig halte, dass Liberale erfolgreich sind.
Ich selber komme aus diesen berühmten kleinen Verhältnissen, über die so häufig gesprochen wird, häufig gerne auch von Leuten, die diese Verhältnisse vielleicht nur aus Statistiken kennen oder Studien darüber gelesen haben. Ich habe in meiner Familie erlebt, welchen Unterschied es gemacht hat, als plötzlich die Sorgen ums Geld im Laufe der 80er-Jahre kleiner wurden, weil plötzlich Wirtschaftswachstum da war.
Persönlich habe ich das große Privileg genossen, in einem sehr wohlhabenden Land zu sein, in dem ich selbst durch das gute Bildungssystem, das wir jedenfalls eine Zeit lang hatten, selbst das zu durchleben, was viele den sozialen Aufstieg nennen. Dass wir auch in fünf oder zehn Jahren ein Land sind mit hohem Wohlstand – das war für mich immer Motivation, politisch tätig zu sein. […] Ein Land, in denen Menschen durch eigene Anstrengung, durch Talent, durch Fleiß, mit dem Bildungssystem, vielleicht auch am Bildungssystem vorbei, diese Chancen, etwas aus ihrem Leben zu machen, haben.
Diese Erfolgsstory dieses Landes spiegelt sich wider in den Farben, die dieses Land ausmachen: Schwarz-Rot-Gold. Das war immer das konservative, das soziale Denken, aber immer auch das liberale Denken. Und in der Phase, in der wir uns jetzt befinden, ist das liberale Denken nötiger denn je und wichtiger denn je. Weil die Frage, wie wir aus der Stagnation der Wirtschaft herauskommen, […] ist mehr als eine materielle, ökonomische Frage.
Ein Land, in dem die Menschen das Gefühl haben, dass sie sich auf einem sinkenden Schiff befinden, auf einem Schiff, das irgendwie auf Grund gelaufen ist und sich nicht mehr bewegt. Diese Menschen haben Angst, sie machen sich Sorgen. Wir müssen wieder […] ein politisches Klima ermöglichen, in dem die Menschen dieses Gefühl hinter sich lassen, dass das Schiff festgefahren ist oder gar sinkt.
Sie müssen wieder das Gefühl haben, dass es in dieser Gesellschaft vorangeht, dass der Kuchen wächst, dass man für sich selbst mehr erreichen kann, ohne dass jemand anders daran Schaden nimmt. Und das ist die Aufgabe, das zu erreichen. […]
Glaubt man, mit einem Gängelband der Subventionen die Wirtschaft nur richtig dirigieren zu müssen? Oder glaubt man an unternehmerische Initiative und Wettbewerbsfähigkeit? Ich glaube, dass nur durch mehr Wettbewerbsfähigkeit und bessere Rahmenbedingungen in diesem Land wieder eine Entwicklung möglich wird, in der breiteste Schichten dieser Gesellschaft die Zuversicht gewinnen, dass es vorwärts geht, dass es sich lohnt, sich anzustrengen, und dass man für sich selber und seine Familie etwas erreichen kann […].
Und darum geht es bei dieser Wahl neben all den technischen Begriffen wie Arbeitsvolumen, Steuerlast, Energiekosten. Das ist alles wichtig, aber das, was dahinter steckt, ist genau diese Frage: Spüren wir wieder in dieser Gesellschaft, dass es vorwärts geht, und merken Menschen, dass es sich lohnt, sich einzubringen?
Dafür stelle ich mich sehr gerne in den Dienst dieser Partei, weil sie dafür steht. Dafür möchte ich werben in diesem Wahlkampf mit unseren über 70.000 Mitgliedern, die jeden Tag ihre Freizeit, ihren guten Namen, ihre Energie einsetzen, um in diesem Sinne an der Politik mitzuwirken.
Und in diesem Sinne freue ich mich auf einen Wahlkampf, der hoffentlich das leistet, was das Grundgesetz dafür vorsieht, nämlich an der politischen Willensbildung mitzuwirken und sich nicht stattdessen maximal gegenseitig mit Dreck zu bewerfen.“