03.04.2014FDPGroße Koalition

LINDNER-Interview für die „Schwäbische Zeitung“

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende CHRISTIAN LINDNER gab der „Schwäbischen Zeitung“ (Donnerstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Sabine Lennartz:

Frage: Die Große Koalition legt schon die ersten Gesetze vor. Überrascht es Sie, dass es weit schneller geht als bei Schwarz-Gelb vor vier Jahren?

LINDNER: Ich erinnere mich, dass wir schon Anfang 2010 das Kindergeld erhöht, die Sozialbeiträge stabilisiert und Wachstumsimpulse gesendet haben. Heute geht es mit Tempo in die andere Richtung, weg von der Agenda 2010. Die Union hat die Wahl gewonnen, die SPD die Koalitionsverhandlungen. Beim Mindestlohn wird jetzt die Union am Nahles-Ring durch die Manege gezogen. Es gibt 1,5 Millionen 25- bis 35-Jährige ohne Schul- und Berufsabschluss. Hoffentlich werden deren Einstiegsjobs nicht zerstört. Mit einem breit angelegten Qualifizierungsprogramm wäre ihnen besser geholfen.

Frage: Beim Energiegipfel gab es eine Einigung. Ein guter Tag für die Windkraft, hieß es. Auch ein guter Tag für Deutschland?

LINDNER: Nein, ein schlechter Tag für uns Verbraucher und für die Arbeitsplätze in Mittelstand und Industrie. Statt über eine Senkung der Energiepreise zu sprechen, geben die sich mit einer Dämpfung des Anstiegs zufrieden. Wir müssen Deutschland aus der kollektiven Selbsthypnose in der Energiepolitik aufwecken. Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit sind genauso wichtig wie der Klimaschutz. Als Sofortmaßnahme sollte die Stromsteuer gesenkt werden, damit der Fiskus an Energiepreisen nicht weiter mitverdient. Vor allem aber muss das EEG mit seinen Dauersubventionen aufgehoben und durch Wettbewerb ersetzt werden.

Frage: Also durch mehr Atomkraft und mehr Kohle?

LINDNER: Nein, nicht durch Kernkraft. Aber wir dürfen nicht mit dem aberwitzigen Tempo beim Zubau erneuerbarer Energien weitermachen, deren Storm wir dann zum Teil im Ausland teuer entsorgen. Wir alle zahlen an die Investoren, dass sie Strom herstellen, und danach an die Niederlande, dass sie unseren überflüssigen Strom abnehmen. Das sind Schildbürgerstreiche. Die Rentnerin und der Bafög-Empfänger zahlen die Garantierenditen für die Ökoinvestoren, das ist unsozial und wirtschaftlich unsinnig.

Frage: Also lieber einen langsameren Ausbau der erneuerbaren Energien?

LINDNER: Ja, nur einen Zuwachs, der wirtschaftlich und physikalisch vertretbar ist. Es macht ja keinen Sinn, Windräder aufzubauen, die nicht ins Netz integriert sind.

Frage: Man könnte ja auch die Netze ausbauen.

LINDNER: Das dauert aber länger. Deshalb muss der Zubau an Erneuerbaren so gedrosselt werden, dass dessen Tempo zum Netzausbau passt. Wir werden zudem weiter für sichere Versorgung konventionelle Kraftwerke vor allem im Kohlebereich brauchen. Sigmar Gabriel selbst hat zu Recht vor einer Deindustrialisierung Deutschlands gewarnt. Aber statt des angekündigten großen Wurfs kommt jetzt nur eine Schmalspurreform. Wir sind in einem übertriebenen Ökofimmel, wo das wirtschaftlich Notwendige nicht mehr gesehen wird.

Frage: Dritte Baustelle der Koalition ist das Rentenpaket. Sie haben gefordert, die Sozialsysteme „enkelfit“ zu machen. Wie sieht das aus?

LINDNER: Es dürfen nur Leistungen beschlossen werden, die auf Dauer ohne höhere Abgaben, Steuern oder Schulden zu finanzieren sind. Das Rentenpaket wird aber zu Mehrbelastungen führen. Es kostet 160 Milliarden bis zum Jahr 2030 – und das ist die Zahl von Frau Nahles, die den Charakter einer ADAC-Statistik hat. Vorausschauend wäre es, heute Altschulden zu tilgen und in die Zukunft zu investieren.

Frage: Müssen die Opas und Omas länger ran?

LINDNER: Die Rente mit 63 droht unsere Sozialkassen überzustrapazieren. Dabei wollen doch auch ältere Menschen, wenn man sie fragt, keine Wahlgeschenke, sondern lieber einen fairen Lastenausgleich zwischen den Generationen.

Frage: Wenn Sie Mindestlohn, Rente, Energiewende hören, wie oft denken Sie dann: „Ach, könnte ich jetzt im Bundestag kontern“?

LINDNER: Natürlich würde ich gerne Kontra geben. Es gibt ja im Parlament gegenwärtig keine Stimme, die für solide Finanzen und eine vernünftige Wirtschaftspolitik kämpft, sondern nur Parteien, die auf mehr Staat und mehr Umverteilung setzen. Das ist gefährlich. Denn die Stärke Deutschlands ist nicht selbstverständlich.

Frage: Sie müssen mit Ihrer Partei noch eine lange Durststrecke überstehen. Wie wollen Sie die FDP im Gespräch halten?

LINDNER: Ich habe keinen Mangel an Einladungen ins Fernsehen, zu Interviews oder zu Reden vor Ort. Wir müssen aber das Profil der FDP neu aufbauen. Wir wenden uns alle, die selbstbestimmt leben und Verantwortung übernehmen wollen. Millionen Menschen teilen unsere Einstellung, unabhängig von Alter oder Beruf. Noch beobachten die uns nur. Für die wollen wir als die liberale Partei attraktiv werden, indem wir substanzielle Lösungen anbieten, die notfalls auch dem Zeitgeist widersprechen. Das ist Pionierarbeit in den nächsten 41 Monaten. Und wissen Sie was? Die macht auch Freude.

 

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