16.04.2003FDP-FraktionEuropapolitik

LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Europa wird größer - jetzt muss es noch einig werden

BERLIN. Zur heutigen Unterzeichnung der Beitrittsverträge erklärt die europapolitische Sprecherin der FDP-Bundestagfraktion, Sabine LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER:

Die heutige offizielle Unterzeichnung der Beitrittsverträge mit den 10 Staaten, die am 1. Mai 2004 als neue Mitglieder der Europäischen Union begrüßt werden können, stellt einen entscheidenden Schritt auf einem langen und sowohl für die Kandidatenstaaten als auch für die Europäische Union und ihre gegenwärtigen Mitgliedstaaten sehr mühsamen und arbeitsreichen Weg dar. Die neuen Länder - und damit 70 Millionen neue EU - Bürger- können endlich ihren verdienten Platz in Europa einnehmen. Als europapolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion habe ich diesen Prozess intensiv begleitet und freue mich, dass die Vision von einem friedlichen Europa nun tatsächlich Realität wird. Die Folgen der Teilung Europas werden heute geschichtlich endgültig überwunden.
Ist aber die Europäische Union, sind vor allem die einzelnen Mitgliedstaaten aber tatsächlich schon bereit für ein Europa der 25, bald der 27 oder 28? Die Geschehnisse der letzten Wochen haben ernsthafte Zweifel aufkommen lassen. Die Europäische Union selbst ist noch nicht erweiterungsfähig.
Mit den Arbeiten des EU-Konvents an einer europäischen Verfassung sind endlich die grundlegenden Reformen der europäischen Institutionen und Entscheidungsprozesse konkret in Angriff genommen worden, die für die Handlungsfähigkeit der erweiterten Union unverzichtbar sind.
Aber ob die Verfassung wie geplant bis Ende des Jahres auf einer Regierungskonferenz beschlossen werden kann, ist sehr fraglich geworden.
Die Ereignisse der letzten Wochen haben eine tiefe Uneinigkeit über Zukunft Europas aufgedeckt, die nicht nur die Einhaltung dieses Zeitplans unwahrscheinlich macht, sondern das Projekt als Ganzes gefährden kann. Das letztlich leider erfolglos gebliebene Ringen um eine friedliche Möglichkeit der Abrüstung des Irak und der darauf folgende Krieg haben nicht nur eine tiefgreifende transatlantische Krise offenbart, sondern auch tiefe Gräben in der heutigen und der erweiterten EU entstehen lassen oder aufgedeckt.
Die innereuropäische Uneinigkeit bedroht die Arbeiten des Konvents und das Verfassungsprojekt. Dies ist deutlich geworden, als das Präsidium des Konvents die Beratung über die verfassungsrechtliche Ausgestaltung einer europäischen Außen- und Sicherheitspolitik in den Mai vertagen musste, um nicht das Risiko einzugehen, sich lächerlich zu machen bzw. den Streit sofort im Konvent zwischen den Regierungsvertretern neu zu entfachen.
Jetzt müssen die Lehren aus der gegenwärtige Krise gezogen und die Krise als Chance begriffen werden.
Europa wird nur dann stark und handlungsfähig auftreten können, wenn es im Rahmen des Verfassungsprozesses die Grundlagen für eine zukünftige gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik schafft. Aber auch darüber hinaus muss Europa handlungsfähiger und demokratischer werden. Dies muss der Konvent mit einer europäischen Verfassung leisten.
Die gegenwärtige Krise lehrt uns, das dies nur dann gelingen wird, wenn die politischen Akteure auch den Willen erkennen lassen, ihr Handeln zukünftig nicht mehr ausschließlich an ihren rein nationalen, sondern an europäischen Interessen auszurichten.
Hoffentlich tritt diese Einsicht in den nächsten Monaten ein.

Holger Schlienkamp - Telefon [030] 227-59461 - pressestelle@fdp-bundestag.de

Social Media Button