05.12.2016FDPEuropa

LAMBSDORFF-Interview: Italien muss sich an die Regeln halten

Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied und Vizepräsident des Europäischen Parlaments ALEXANDER GRAF LAMBSDORFF gab „Welt.de“ das folgende Interview. Die Fragen stellte ANDRE TAUBER:

Frage: Haben Sie mittlerweile Angst vor dem Aufstehen angesichts der jüngsten Denkzettelwahlen?

LAMBSDORFF: Angst ist ein schlechter Ratgeber. Im Übrigen war der Wahlsonntag nicht so schlecht. In Österreich konnte sich mit Alexander Van der Bellen ein proeuropäischer Kandidat durchsetzen. Die Italiener lehnten die Verfassungsreform erwartungsgemäß ab, das hatte aber italienische Gründe, keine europäischen.

Frage: Kann sich Europa ein instabiles Italien erlauben?

LAMBSDORFF: Europa wäre mehr geholfen, wenn Italien eine starke Regierung hätte, die die Bankenkrise souverän bewältigt und endlich eine Wirtschaftspolitik betreibt, bei der Produktivität, Wachstum und Arbeitsplätze im Mittelpunkt stehen. Wir sind aber eine Union souveräner Staaten. Brüssel hat keinen Wunschzettel in Rom abzugeben, wie die künftige Regierung aussehen sollte.

Frage: Droht ein Euro-Ausstieg Italiens?

LAMBSDORFF: Es droht nur dann eine Euro-Krise, wenn die Fünf-Sterne-Bewegung oder die Lega Nord in die Nähe einer Regierungsbeteiligung kämen. Bei aller Kritik an Forza Italia und Silvio Berlusconi muss man sagen, dass sich seine Regierung nie in diese Richtung bewegt hat und auch Renzis Partito Democratico nicht. Insofern glaube ich, dass das eher unwahrscheinlich ist.

Frage: Wie sicher sind Sie, dass die Euro-Zone in fünf Jahren noch alle Mitglieder hat?

LAMBSDORFF: Ich hoffe sogar, dass die Euro-Zone in fünf Jahren nicht mehr alle Mitglieder haben wird. Die FDP sagt seit einem Jahr, dass Griechenland seine Wettbewerbsfähigkeit außerhalb der Euro-Zone aber innerhalb der EU wieder herstellen sollte. Die Euro-Zone sollte sich gesundschrumpfen. Italien sollte aber ein Mitglied bleiben.

Frage: Wäre ein Euro-Austritt Italiens das Ende des Euro?

LAMBSDORFF: Man sollte vorsichtig sein, aus Einzelentscheidungen immer gleich apokalyptische Szenarien abzuleiten. Ich sehe nicht, dass Italien die Euro-Zone verlässt. An einem Ende des Euro und einer dominanten Bundesbank hat man in Rom, Paris oder Madrid bestimmt kein Interesse.

Frage: Endet der Sparkurs in Europa?

LAMBSDORFF: Das wäre ganz falsch. Italien ist doch das beste Beispiel, was passiert, wenn man es mit der nachfrageorientierten Wirtschafts- und Finanzpolitik übertreibt. Jetzt wieder den Versuch zu unternehmen, durch das Bereitstellen größerer Geldsummen aus der Krise herauszukommen, wäre nichts anderes als das gescheiterte Konzept der Vergangenheit einfach fortzusetzen.

Frage: Droht eine Finanzkrise?

LAMBSDORFF: Die neue Regierung muss entscheiden, wie sie mit den italienischen Banken umgeht. Die meisten sind in Europa nicht systemrelevant, in Italien aber bedeutend. Ich kann nur hoffen, dass sich die künftige Regierung an die Vorschriften des Bankenauflösungsfonds hält und einen Bail-in organisiert. Das wäre politisch schwierig, klar, aber dennoch richtig. Auch Italien muss sich an die Spielregeln halten.

Frage: Gibt der Wahltag Rückenwind für Marine Le Pen in Frankreich?

LAMBSDORFF: Im Gegenteil! Sonntag war ein schlechter Tag für Marine Le Pen. Ihr Parteifreund Hofer ist gescheitert, weil die schweigende Mehrheit aufstand und den proeuropäischen, weltoffenen, nicht rassistischen Kandidaten in Österreich wählte. Und in Italien werden wir jetzt erst mal sehen, wie es weitergeht.

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