LAMBSDORFF-Interview: Hardliner sitzen May im Nacken
Das FDP-Präsidiumsmitglied und Vizepräsident des Europäischen Parlaments Alexander Graf Lambsdorff gab der „Rhein-Neckar-Zeitung“ (Dienstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Tobias Schmidt:
Frage: Die Detailverhandlungen zum Brexit haben begonnen. Der Status der mehr als drei Millionen EU-Bürger im Königreich steht ganz oben auf der Agenda. Was muss die EU hier erreichen?
Lambsdorff: Die EU-Bürger in Großbritannien müssen einen dauerhaft rechtssicheren Status erhalten. Hier dürfen keine Unklarheiten bleiben. Wer sich in Großbritannien im Vertrauen auf das Niederlassungsrecht angesiedelt hat, sollte diese Sicherheit auch in Zukunft haben.
Frage: Welche Druckmittel hat die EU, um dieses Ziel zu erreichen?
Lambsdorff: Es gibt viele Stellschrauben – vom Marktzugang bis zu den finanziellen Verpflichtungen. Ich appelliere aber an die Einsicht der britischen Regierung. Die allermeisten EU-Bürger, die in Großbritannien leben, arbeiten dort, zahlen Steuern und Sozialabgaben. Es ist im ureigenen britischen Interesse, dafür zu sorgen, dass diese Menschen bleiben können.
Frage: Wie viel Marktzugang werden sich die Briten erhalten können?
Lambsdorff: Der Verbleib im Binnenmarkt, also die Teilnahme am freien Waren- und Dienstleistungsverkehr, ist unmöglich, wenn die Niederlassungsfreiheit für EU-Bürger beschränkt wird. Da die Briten dies angekündigt haben, werden die Verhandlungen über den Marktzugang schwierig.
Frage: In der britischen Regierung werden die Stimmen lauter, die anders als Theresa May einen harten Brexit verhindern wollen. Wer setzt sich am Ende durch?
Lambsdorff: Das stimmt. Frau May hat ihr Land durch die überflüssige Wahl ein weiteres Mal ins politische Abseits manövriert. Jetzt sitzen ihr die Hardliner im Nacken, die den harten Bruch mit der EU wollen. Am sinnvollsten wäre es für May, sie würde das Gespräch mit der Opposition suchen, um eine breite Mehrheit herzustellen. Leider gibt es keine Anzeichen, dass das klappt.
Frage: Könnte das zum Platzen der Gespräche führen?
Lambsdorff: Das wäre für alle schlecht, vor allem aber für diejenigen, die heute schon auf der anderen Seite des Ärmelkanals leben. Das würde auch viele Deutsche treffen. Aus Sicht der FDP bleibt Großbritannien auch jetzt ein Freund, ein Land, in dem viele Deutsche und Europäer gerne leben, und es bleibt ein Nato-Verbündeter. Gescheiterte Verhandlungen oder das Gerede mancher, man müsse die Briten „bestrafen“, lehnen wir ab.
Frage: Der Brexit reißt eine Milliardenlücke in den EU-Haushalt. Wird Deutschland künftig mehr zahlen müssen?
Lambsdorff: Der Ausfall des britischen Netto-Beitrags muss ausgeglichen werden. Dafür sehe ich aber nicht alleine Deutschland in der Pflicht. Das muss gemeinsam mit den Franzosen, den Niederländern, den Polen und allen anderen besprochen werden. Es sollte auch künftig ausreichend Geld zur Verfügung stehen, damit die EU ihre Aufgaben erfüllen kann.
Frage: Martin Schulz will Ländern, die keine Flüchtlinge aufnehmen, EU-Mittel kürzen. Ist das ein sinnvoller Vorstoß?
Lambsdorff: Er weiß ganz genau, dass sich das nicht umsetzen ließe. Das ist ein Schnellschuss aus der Hüfte, der nur auf den Wahlkampf zielt. Dadurch werden die europäischen Partner vergrätzt und die Suche nach einer konstruktiven Lösung erschwert.