10.11.2016FDPAußenpolitik

LAMBSDORFF-Interview: Europa muss künftig selbst für seine Sicherheit sorgen

Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied und Vizepräsident des Europäischen Parlaments ALEXANDER GRAF LAMBSDORFF gab dem „SWR2“ heute das folgende Interview. Die Fragen stellte FLORIAN RUDOLPH:

Frage: Herr Lambsdorff, als Diplomat lautet die Devise ja, man muss auch mit einem US-Präsidenten Trump zusammenarbeiten. Aber ich wette mal, als Liberaler stehen ihnen bei der Aussicht auf die kommenden vier Jahre die Haare zu Berge?

LAMBSDORFF: Da ist was dran. Sie haben völlig Recht. Natürlich steht Donald Trump für populistische Werte, die ich als Liberaler nicht teilen kann. Er hat sich ja auch im Wahlkampf auf eine Art und Weise geäußert, was das Zusammenleben von Männern und Frauen angeht, das Zusammenleben mit Minderheiten, das Zusammenleben von Behinderten und Nichtbehinderten. Das sind alles Dinge, die können einen Liberalen, aber ich würde mal sagen, fast jedem anständigen Menschen, nur die Haare zu bergen stehen lassen. Aber, und das gehört dazu wenn man an die Demokratie glaubt, dann muss man auch an den Wähler glauben und der Wähler hat das jetzt so entschieden und hier kommt, vielleicht haben Sie da Recht, ein bisschen der Diplomat, der Politiker ins Spiel der sagt, jetzt warten wir mal ab was er tatsächlich machen will und dann werden wir damit zurechtkommen müssen und schauen, wie wir uns dazu verhalten.

Frage: Aber wird es nur schwerer künftig im Umgang mit den USA, wie Außenminister Steinmeier gestern ankündigte oder müssen wir uns nicht vielmehr eine Menge Dinge abschminken und da meine ich nicht nur das Freihandelsabkommen TTIP?

LAMBSDORFF: Ja Herr Rudolph, eine Sache müssen wir uns wirklich abschminken. Ich weiß, dass das eine schwierige Diskussion ist, übrigens eine die wir auch mit Hillary Clinton gehabt hätten, wir werden sie jetzt nur viel schneller, dringender und vermutlich unfreundlicher bekommen. Das ist die Frage: Wie stellt sich Europa in seiner Sicherheitspolitik auf. Einmal in der Bekämpfung des Terrorismus nach innen, aber auch in der gemeinsamen Außen-, Sicherheits-, Verteidigungspolitik nach außen. Donald Trump hat gesagt, er ist der Meinung, man könne nur die NATO Alliierten verteidigen, die wirklich ihre Pflichten erfüllen und die Pflicht, das heißt, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung muss jedes NATO-Mitglied in die Verteidigung investieren. Da sind wir in Deutschland sehr weit davon entfernt. Aber und das ist das Entscheidende, in Europa, wenn wir uns zusammentun, brauchen wir nicht unbedingt mehr Geld auszugeben, aber wir müssen unser Geld klüger ausgeben. Die meisten Menschen wissen gar nicht, wir haben in Europa mehr Soldaten als die USA, in Uniform. Aber wir geben für diese Soldaten, ungefähr zwei Millionen sind das, nur gut die Hälfte dessen aus, was die Amerikaner für ihre Soldaten ausgeben. Das heißt einfach, dass unsere Streitkräfte nicht in der Lage sind, das zu leisten, was sie leisten könnten, wenn sie ordentlich finanziert würden. Nur das, das schaffen wir wirklich nur europäisch. Insofern ist die große Herausforderung jetzt endlich ernst zu machen mit einer europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

Frage: Was man da jetzt hört und auch bei ihnen bisschen mitklingt, ist ja der Aufruf, der Appell an die EU jetzt zusammenzustehen. Aber das ist ja angesichts der zurückliegenden Krisen und da gab es ja in jüngster Zeit eine Menge, Krim, Brexit, Flüchtlinge, Griechenland, da ist das ja kaum gelungen. Warum sollte das jetzt klappen?

LAMBSDORFF: Ja, da würde ich gern differenzieren Herr Rudolph. Und zwar, wenn ich sage EU, dann sind hier eindeutig die Mitgliedsstaaten gemeint. Im Europäischen Parlament sind wir uns da fraktionsübergreifend, Sozialdemokraten, Christdemokraten und Liberale, völlig einig, dass es in diese Richtung gehen muss. Aber das große Problem, das sind die Mitgliedsstaaten. Also Deutschland, Frankreich, Polen, die Italiener und so weiter, und da muss ich sagen, höre ich jetzt neue Töne. Francois Hollande hat nach der Wahl von Trump ähnliches gesagt, wie das was ich gerade gesagt habe. Sogar die Polen, die sich ja sonst skeptisch einlassen was Europa angeht, haben gesagt, wir müssen mehr tun bei der gemeinsamen Verteidigung. Es geht nicht darum, dass wir uns jetzt krampfhaft Feinde im Äußeren suchen, aber es geht darum, dass wir uns wappnen für die Zeit einer, vielleicht außenpolitischen Verwerfung in unserer Nachbarschaft, wo die Amerikaner sagen, wir haben mit dem aufstrebenden China, im pazifischen Raum, so viel zu tun, die sind so aggressiv da, ihr müsst euch in Europa um bestimmte Sachen selber kümmern, darum geht es. Ich glaube, es gibt in manchen Mitgliedsstaaten jetzt eine größere Bereitschaft dazu. Die Italiener haben sich ähnlich geäußert. Das wird nicht über Nacht gelingen, das ist auch eine schwierige Debatte, die wir führen müssen, aber ich glaube, wir müssen in diese Richtung gehen.

Frage: Aber Herr Lambsdorff, wie lange wird es denn dauern, bis sich die ersten Politiker in der EU einem US-Präsidenten Trump servil zu Füßen legen, für seinen Kumpel-Kurs, seiner Avancen an Putin. Da könnte ich ihnen schnell ein paar Unterstützer in der EU nennen?

LAMBSDORFF: Ja, das warten wir mal ab. Ich würde jetzt eines mal machen, und da sage ich jetzt, die Hörerinnen und Hörer werden es vielleicht komisch finden, aber, als Politiker sage ich, ein Wahlkampf ist das eine und da wird natürlich viel auch auf die Pauke gehauen. Regierungshandeln ist immer ein Rendezvous mit der Realität. Und Regierungshandeln, das müssen wir jetzt erst mal abwarten. Trump wird sich jetzt einige Monate vorbereiten. Der wird ja erst im Januar seinen Job antreten und dann schauen wir mal, was er tatsächlich macht. Es wird sicher Situationen geben, wo es schwierig wird, das ist klar, damit müssen wir dann umgehen. Steinmeier hat insofern Recht, wenn er sagt, die Dinge werden schwieriger, aber auf der anderen Seite, wissen Sie, ich finde es auch nicht gut, wenn ein Bundesaußenminister, wie Herr Steinmeier, den ich sonst wirklich schätze, im Vorfeld einer demokratischen Wahl einen der Kandidaten als Hassprediger bezeichnet. Das hat er hier getan. Das macht dann die Zusammenarbeit eben auch von deutscher Seite aus schwieriger.

Frage: Nur sind ja längst nicht alle entsetzt. Putin habe ich eben schon angesprochen. Aber neben Putin kommt Beifall ja beispielsweise von Marine Le Pen, die im nächsten Jahr Frankreichs Präsidentin werden könnte. Sind die Rechtspopulisten jetzt endgültig auf dem Vormarsch?

LAMBSDORFF: Natürlich fühlen sich Menschen, die eine menschenverachtende Ideologie haben, die auf Minderheiten schimpfen, dieses friedliche Zusammenleben stören wollen und aus den Schwierigkeiten, die es hier ja auch objektiv gibt, die muss man ja nicht wegreden, Profit schlagen wollen, ohne Lösungen anzubieten. Diese Menschen, die fühlen sich ermutigt, die fühlen sich bestärkt. Das war schon nach dem Votum über den Brexit so. Ich glaube, es wird die große Aufgabe aller Demokraten sein, die liberale, die freiheitlich Demokratie zu stärken, Rechtsstaatlichkeit in den Vordergrund zu stellen, das europäische Zusammenarbeiten in den Vordergrund zu stellen und ganz klar zu machen, dass menschenverachtende Parolen kein Platz haben dürfen bei uns. Wir haben hier in Deutschland auch eine Partei, die dieses Geschäft betreibt, die sich auch gefreut hat über diesen Wahlsieg, und zwar ohne jede Zurückhaltung. Ich glaube, wir müssen hier deutlich sagen als Demokraten, das kann nicht unser Kurs sein. Wir müssen über bestimmte Ängste und Befürchtungen reden, die die Wählerinnen und Wähler von Donald Trump dazu gebracht haben, für ihn zu stimmen. Das haben wir ja auch in Europa beim Brexit gesehen und bei der Unterstützung für Populisten sehen wir das auch manchmal. Da müssen wir vielleicht von denjenigen, die schon länger dabei sind in den Parteien überlegen, gibt es da nicht vielleicht den ein oder anderen Punkt, an dem man wirklich noch mal neu rangehen muss. Vielleicht die Vorteile der Globalisierung wahren, aber die Verteilung der Gewinne neu überdenken. Das sind Dinge, darüber kann man legitimer Weise reden, aber das darf nicht dazu führen, dass es zu menschenverachtenden Politik-Erfolgen kommt in Europa.

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