30.01.2015FDPEuropa

LAMBSDORFF-Gastbeitrag: Der Ball liegt jetzt bei Tsipras

Berlin. Der Vizepräsident des Europäischen Parlaments und Vorsitzende der FDP im Europäischen Parlament FDP-Präsidiumsmitglied ALEXANDER GRAF LAMBSDORFF schrieb für „Handelsblatt Online“ den folgenden Gastbeitrag:

Diplomatie gehört nicht zu den Stärken des neuen griechischen Ministerpräsidenten. Kaum 48 Stunden im Amt stößt Alexis Tsipras bereits seine europäischen Partner vor den Kopf. Die Privatisierung des Hafens in Piräus soll zurückgenommen, der öffentliche Sektor aufgestockt und Renten und Mindestlohn deutlich angehoben werden. Als Koalitionspartner wählt er europafeindliche Rechtspopulisten.

Was sich wirtschaftspolitisch wie eine Anleitung aus dem kommunistischen Manifest anhört, könnte dem griechischen Überflieger ganz schnell auf die Füße fallen. Und mit seiner Kritik an den Sanktionen gegen Russland eröffnet er noch einmal eine ganz andere Reihe von Problemen. Doch in der für sein Land zentralen Finanzfrage weiß auch Tsipras, allem Aktionismus zum Trotz, dass der Rest der Eurozone am längeren Hebel sitzt. Denn Europa hat in den letzten Jahren die Vorkehrungen für einen möglichen Ausstieg Griechenlands aus der Gemeinschaftswährung bereits getroffen.

Dank eines reformierten Stabilitätspaktes, aber auch dank der Bankenunion, des ESM und einer selbstbewussten Europäischen Zentralbank. Weil es diese Institutionen gibt, kann man heute die Frage nach einem möglichen „Grexit“ ruhiger angehen als noch 2010 oder 2012.

Das zeigt im Übrigen auch die entspannte Reaktion der europäischen Aktien- und Devisenmärkte in dieser Woche. Die Eurozone ist stabiler geworden und längst nicht mehr so anfällig für finanzpolitische Erpressungsversuche – auch dank der zum Teil heftig umstrittenen Maßnahmen, die die FDP in ihrer Regierungszeit mitgetragen hat.

Während ein „Grexit“ für Europa wirtschaftlich also kein fundamentales Problem mehr darstellen würde, wäre er für Griechenland eine Katastrophe. Ein Blick nach Argentinien zeigt, was die Zahlungsunfähigkeit für einen Staat bedeutet: Nachhaltiges Wirtschaftswachstum ist seit über einem Jahrzehnt nicht in Sicht, die Mittelschicht verarmt zunehmend.

Die Abwertung einer neuen Drachme würde Importe drastisch verteuern, die Inflation wäre dramatisch und der Auswanderungsdruck würde noch weiter ansteigen. Da kann die AfD noch so oft vom freiwilligen Austritt aus dem Euro schwadronieren – ein Staatsbankrott liegt sicher nicht im Interesse der griechischen Bevölkerung.

Unterdessen verschweigt Tsipras das größte Problem Griechenlands gekonnt. Trotz mancher Reformen ist der öffentliche Sektor weiterhin riesig, kostet viel Geld und erschwert mit seiner Bürokratie die Tätigkeit von Unternehmen.

In Griechenland geht es deshalb weiterhin darum, die wirklichen Ursachen der Krise anzupacken. Nur durch grundlegende Strukturreformen, Öffnung der Arbeitsmärkte, Deregulierung und Privatisierung wird es gelingen, die Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Wirtschaft nachhaltig zu erhöhen.

Daher gibt es auch keinen Grund, öffentlich über einen Schuldenschnitt zu diskutieren. Für andere Krisenstaaten wie Spanien oder Portugal, die ebenfalls gegen die Schuldenlast kämpfen, wäre dies ein Schlag ins Gesicht – und würde völlig falsche Anreize setzen.

Niemand würde seinem Nachbarn noch Geld leihen, wenn dieser ein ums andere Mal nur die Hälfte der geschuldeten Summe zurückzahlte. Übertragen auf Griechenland heißt dies, dass das Land auf absehbare Zeit kein Geld zu bezahlbaren Zinsen auf den Finanzmärkten bekommen kann.

Fest steht: Der Ball liegt jetzt bei Tsipras. Sollte der Wahlsieger sämtliche Drohungen aus dem Wahlkampf wahrmachen, dann schlägt er die Tür zur griechischen Euro-Mitgliedschaft selbst zu. Die EU und die Euro-Länder haben mit Griechenland wirksame Vereinbarungen geschlossen, die Hilfe gegen Reformen garantieren.

Die FDP steht zu diesen Verträgen. Aber Verträge sind bekanntlich einzuhalten, und zwar von beiden Seiten.

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