29.01.2025FDPInnenpolitik

KUBICKI/TEUTEBERG-Gastbeitrag: Wir müssen die Bildung von Parallelgesellschaften verhindern

Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende und Vizepräsident des Deutschen Bundestages Wolfgang Kubicki MdB und FDP-Bundesvorstandsmitglied Linda Teuteberg MdB schrieben für „Welt“ (Mittwoch-Ausgabe) und „welt.de“ den folgenden Gastbeitrag:

Sicher, die Dramatik von Friedrich Merz hat einen Haken: Er erklärte, er gehe nicht in eine Koalition, in der seine fünf Punkte zur Wende in der Migrationspolitik nicht umgesetzt werden. Und andererseits sagte er, er würde das Innenministerium am ersten Tag seiner Kanzlerschaft anweisen, einen Punkt davon umzusetzen.

Dieser Punkt, nämlich die Grenzen zu allen Nachbarn dauerhaft zu kontrollieren und ausnahmslos alle Versuche der illegalen Einreise zurückzuweisen, würde ja bedeuten, das Funktionieren seiner Koalition hinge von der Richtlinienkompetenz ab und nicht vom Selbstbewusstsein, es aus Überzeugung besser zu machen. Die Koalitionsfrage steht vor dem Innehaben einer Richtlinienkompetenz. Und sie muss so beantwortet werden, dass die für unser Land wichtigen Fragen richtig beantwortet werden.

Aus unserer Sicht sind die fünf Punkte von Friedrich Merz ein Anfang – zugegeben ein wichtiger, gleichzeitig ein sehr später. Nach fast zehn Jahren, geprägt von migrationspolitischer Führungslosigkeit, aktivem Wegschauen, Laissez-faire und immer größer werdenden Kontrollverlusten im Bereich der inneren Sicherheit, ist schon viel Schaden entstanden und Vertrauen in die Problemlösungsfähigkeit des Staates erodiert.

Und die von manch einem Grünen aufgeworfene Frage, ob Zurückweisungen von Migranten ohne gültige Einreisepapiere möglich sind, hat vor ein paar Monaten der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, Hans-Jürgen Papier in einem Interview mit der WELT überzeugend beantwortet: ja. Wörtlich: „Deutschland kann nicht durch sekundäres EU-Recht und dessen Auslegung durch die europäischen oder nationalen Gerichte gezwungen werden, grenzen-, voraussetzungs- und asylgrundlos Menschen aufzunehmen“.

Neben der endlich zu lösenden Problematik in der Migrations- und Asylpolitik muss ein weiterer Themenbereich endlich angegangen werden, der den Menschen auf den Nägeln brennt: die Integrationspolitik. Es sind die täglichen Begebenheiten, die immer mehr Menschen das Gefühl geben, Deutschland habe sich vor allem seit 2015 zum Schlechteren verändert.

Es sind die Poller, die auf keinem Stadtfest mehr fehlen dürfen. Es sind die Fälle von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, bei denen Zuwanderer gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil überrepräsentiert sind. Es sind spätestens seit dem 7. Oktober 2023 die antisemitischen Vorfälle, von Menschen, die meinen, Judenhass könne man mittlerweile ungestraft und ungezügelt in Deutschland ausleben.

Seit 2015 haben wir eine enorme Zuwanderung erfahren, zu einem beträchtlichen Teil aus Ländern, in denen Antisemitismus, Frauenfeindlichkeit und Homophobie an der Tagesordnung sind. Es wäre naiv zu glauben, dass die Menschen diese Prägung an der Landesgrenze vollständig hinter sich lassen.

Das grüne Wolkenkuckucks-Konzept des „Multikulti“, das auch Angela Merkel ab 2015 vertreten hat, ist in Deutschland krachend gescheitert. „Wir schaffen das“ hat sich als gefährliche Illusion entpuppt, weil die Integration von Hunderttausenden Menschen im politischen Alltag im Berliner Raumschiff kaum eine Rolle gespielt hat. Nach zehn Jahren ist sicher: Wir haben es nicht geschafft.

Deshalb muss es auch im Bereich der Integrationspolitik zu einem harten Kurswechsel kommen. Wir brauchen und wir wollen Zuwanderung. Wir brauchen aber die richtige Zuwanderung. Und wir brauchen Menschen, die unsere Rechtsordnung und unsere gesellschaftliche Liberalität beachten und die mit uns gemeinsam nach vorne gehen wollen. Deshalb darf „die“ Politik nicht mehr so blind sein und Integrationsbereitschaft für gegeben voraussetzen. Sie muss sie auch einfordern.

Das Entstehen von parallelen Rechtsräumen ist für einen liberalen Rechtsstaat nicht zu akzeptieren. Dem müssen wir entschlossen entgegentreten, indem wirksam verhindert wird, dass sich in bestimmten Quartieren und sogenannten „Problemvierteln“ Parallelgesellschaften bilden und wachsen, in denen die Achtung der individuellen Würde und Freiheit des Gegenübers nicht in dem Maße gewährleistet ist, wie es für eine aufgeklärte Demokratie im 21. Jahrhundert eine Selbstverständlichkeit sein sollte.

Für die im besonderen Maße betroffenen Quartiere müssen entsprechende Maßnahmen ergriffen werden. Denkbar ist, nach dänischem Vorbild, dass für Viertel bestimmte Migrationsquoten und Mindesterwerbsquoten festgelegt werden, die entweder bei Über- oder Unterschreitung ein entschiedenes Gegensteuern notwendig machen.

Auch sollten wir Sozialleistungen verstärkt an Integrationsmitwirkungspflichten knüpfen, die auch beinhalten können, den Wohnsitz nicht in den betroffenen Quartieren zu nehmen, bzw. diesen aufzugeben. Ebenso müssen die Länder sicherstellen, dass in den Schulen eine bestimmte Quote von Kindern, die die deutsche Sprache nicht beherrschen, nicht überschritten wird.

Eine konsequente Zeitenwende in der Migrations- und Integrationspolitik ist überfällig und eine Schicksalsfrage für die Selbstbehauptung liberaler Demokratien. Viele Menschen haben ein Gespür dafür, dass dieselben politischen Kräfte, die bei anderen Themen einen unheimlichen Gestaltungsanspruch haben, bei Kernaufgaben des Staates seltsam fatalistisch sind.

Es gibt kein unbedingtes Recht auf Einreise. Unsere Weltoffenheit und Attraktivität für Menschen, die in unserem Land arbeiten, sich integrieren und zum Wohlstand beitragen wollen, wird gerade dann gestärkt, wenn wir die eigene innere Sicherheit und Liberalität gewährleisten.

Es ist die vordringliche politische Aufgabe, der Sorge vieler Menschen entgegenzuwirken, dass sich ihr Leben durch eine unbegrenzte Migration zum Schlechteren verändert. Politische Pflicht ist es ebenfalls, deutlich zu machen, dass die Bewahrung unserer Freiheitsordnung einhergeht mit einer Bestätigung und Wiederherstellung der staatlichen Kontrolle, dem Gewaltmonopol des demokratischen Rechtsstaates. Kontrollverlust und Kontrollverzicht sind nicht fortschrittlich.

Wenn wir jetzt anfangen würden, uns auch noch entschuldigen zu müssen dafür, in Notsituationen für unser Land ein entschlossenes Gesicht zu zeigen, dann wäre das nicht unser Land. Deutschland ist aber unser Land, und wir wollen ihm dienen. Die rechtsstaatliche Begrenzung von Migration ist unsere politische Aufgabe. Das müssen wir schaffen.

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