28.07.2016FDPInnen

KUBICKI-Interview: Merkel reagiert zu spät

Berlin. Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende WOLFGANG KUBICKI gab dem „SWR2“ heute das folgende Interview. Die Fragen stellte FLORIAN RUDOPLH:

Frage: Heute lädt die Kanzlerin also in Berlin zur Pressekonferenz. Kommt es unerwartet früh, weil sie das gewöhnlich erst nach dem Urlaub tut, oder ist sie spät dran nach den Gewalttaten der zurückliegenden Tage?

KUBICKI: Es ist beides, es kommt deshalb früh, weil normalerweise, wie sie zurecht sagen, sonst erst Ende August diese Pressekonferenz erfolgt. Es kommt aber auch zu spät, weil die Menschen nach den Attentaten von Würzburg, München und vor allen Dingen Ansbach extrem verunsichert sind und die Kanzlerin schon, jedenfalls in Ansbach, bei dem ersten Anschlag mit tatsächlich islamistischen Hintergrund, bei dem ersten Bombenanschlag, dann nach Ansbach hätte reisen sollen, um der Bevölkerung auch das Gefühl zu geben, dass man dort nicht allein gelassen wird, sondern sich der Probleme annimmt. Sie kann sich ein Beispiel nehmen an dem französischen Präsidenten, der innerhalb von Stunden am Ort des Geschehens war, um zu dokumentieren, der Staat ist wehrhaft und wir stehen zusammen, um mit dieser Bedrohungslage fertig zu werden.

Frage: Viele Beobachter sehen die Kanzlerin schwer unter Druck. Wie eng ist es für sie?

KUBICKI: Naja, das ist die normale Analyse, die vorhanden ist, denn die Kanzlerin wird jetzt verantwortlich gemacht für den massiven Zuzug von Menschen nach Deutschland, für das Anschwellen der Flüchtlinge in Deutschland. Das ist aber nicht ihr eigenes Problem. Das Problem, das entstanden ist, ist dadurch ausgelöst worden, dass 100-tausende von Menschen die deutsche Grenze haben überschreiten können, ohne, dass sie auch nur registriert worden sind. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass in einem so bürokratisch durchorganisierten Land wie Deutschland es möglich ist, dass mehrere 100-tausend Menschen sich bei uns im Land aufhalten, von denen wir nicht wissen, wo sie herkommen, wer die sind, wo sie hier sind und vor allen Dingen was sie im Zweifel vorhaben. Das ist schon beachtlich und das ist auch ein Versagen der Sicherheitsbehörden seit September letzten Jahres in Deutschland.

Frage: Über Sicherheitspolitik reden wir gleich. Was erwarten Sie denn heute konkret von der Kanzlerin?

KUBICKI: Zunächst, dass sie Auskunft darüber gibt, wie die Bundesregierung sich zu der Problemlage stellt. Das ist ja ein Märchen zu glauben, dass sich bei uns nicht noch mehrere 100 weitere Menschen aufhalten, von denen wir annehmen müssen, dass sie Terroranschläge begehen. Wir wissen bereits, dass der IS im Rahmen der Flüchtlingskrise diesen Zustrom von Menschen ausgenutzt hat, auch, um Attentäter nach Deutschland, nach Europa einzuschleusen. In Österreich sitzen zwei Personen in Haft, die mit den gleichen Ausweispapieren aus der Fälscherwerkstatt des IS ausgestellt worden sind, die die Attentäter von Paris auch hatten und wir wissen auch, dass solche Personen sich in Deutschland aufhalten. Wir müssen den Menschen sagen, dass alles in unserer Macht stehende getan wird, von Verfassungsschutz, von Polizei und von anderen Diensten, um der Sache und der Lage Herr zu werden, denn die Bevölkerung wird ein Wirbel, wenn wir alles zwei, drei Tage mit Anschlägen der Art von Ansbach rechnen müssen.

Frage: Aber stattdessen hören wir immer wieder Ermahnungen zur Besonnenheit. Reicht das aus?

KUBICKI: Besonnenheit ist ja die Voraussetzung dafür, dass man mit einem Problem wirklich fertig wird. Angst und Angstreaktionen sind das völlig Falsche, aber wir müssen konstatieren, dass unsere Sicherheitsbehörden sich jetzt auf den Weg machen müssen und zwar ziemlich schnell, denn die Gefährdungslage ist akut und nur darauf hinzuweisen, wird nicht ausreichen. Man muss dokumentieren, dass alles in unserer Macht stehende getan wird, um Anschläge zu verhindern. Dazu wird wie gesagt, auch eine Verstärkung auch der Sicherheitsdienste notwendig sein. Wir haben 1,2 Millionen mehr in unserem Land, das bedeutet, dass wir entsprechende weitere Aufstellung von Polizei und Sicherheitsdiensten und auch Verfassungsschutz brauchen. Wir müssen konsequent den Rechtsstaat durchsetzen, wir dürfen nicht dulden, dass sich Parallelgesellschaften bilden und das heißt, überall dort, wo Menschen auffällig werden, müssen sie mit den Möglichkeiten, die unser Rechtsstaat bietet, auch behandelt werden im wahrsten Sinne des Wortes – es muss sich angenommen werden.

Frage: Was steuert die FDP denn konkret zur Sicherheitsdebatte bei, was nicht auch schon die anderen schon längst auf den Markt geworfen haben?

KUBICKI: In einer Debatte, die wir jetzt gerade führen, werden sie mit Originalität nichts werden, aber entscheidend ist, wie gesagt, das sage ich immer wieder, und das sagt meine Partei auch, dass wir den Rechtsstaat durchsetzen. Wir können nicht hinnehmen, dass Frauen beleidigt werden, weil sie Frauen sind, wir können nicht hinnehmen, dass erklärt wird, man gebe ihnen nicht die Hand, weil sie unrein seien. Schlimmer ist eine Diskriminierung gar nicht zu konstatieren. Wir müssen wesentlich härter gegen Menschen vorgehen, die unter Glaubensaspekten zum Hass und zur Gewalt aufrufen. Es ist ein gutes Signal, dass in einigen Städten jetzt Moscheen durchsucht werden und es ist ein gutes Signal, dass die dortigen Prediger auch zur Verantwortung gezogen werden. Wir müssen uns insbesondere von der Türkei und ihre Einflussnahme auf die Moscheen lösen. Es kann nicht sein, dass 900 Imame in Deutschland predigen, die unmittelbar von Herrn Erdogan gesteuert werden. Hier müssen wir dazu beitragen, dass Islamunterricht in Schulen möglichst von deutschen Islamgläubigen unterrichtet wird. Wir müssen dazu beitragen, dass mehr Verständnis untereinander beworben wird. Noch einmal – wichtig ist, den Rechtsstaat durchzusetzen. Einer unserer Vorschläge ist der, dass man beispielsweise bei kriminell gewordenen Ausländern den Aufenthaltsstatus schon im Strafverfahren entziehen kann, quasi als Nebenstrafe. Bei Führerscheinen machen wir das auch, wenn jemand auffällig geworden ist im Straßenverkehr, entziehen wir ihm den Führerschein, dann darf er nicht mehr fahren. Wenn jemand auffällig geworden ist, kriminell geworden ist, Straftäter geworden ist, brauchen wir kein weiteres Verwaltungsverfahren, dann kann das Strafgericht darüber entscheiden, dass der Aufenthaltsstatus beendet ist, so dass wir die Möglichkeit haben, wesentlich schneller als bisher auf entsprechende Taten zu reagieren.

Frage: Nun ist die Sicherheitspolitik nicht unbedingt Markenkern der Liberalen, gerade in Bereichen Stichwort: Videoüberwachung, Vorratsdatenspeicherung. Da wirft ihn manch einer vor, auf der Bremse zu stehen.

KUBICKI: Mit der Vorratsdatenspeicherung verhindern sie nichts. Das zeigt Frankreich.

Frage: Sie helfen vielleicht bei der Ermittlung?

KUBICKI: Ja, sie helfen bei der Ermittlung, das kann man aber auch schon heute machen, dazu brauchen wir die Vorratsdatenspeicherung nicht. Sie können bei schweren Straftaten sofort alle Kommunikationsdaten einfrieren und dann analysieren, wie die Verbindungsdaten waren. Deutschland hat keine Vorratsdatenspeicherung und trotzdem ist interessanterweise eine sehr schnelle Aufklärung von Straftaten erfolgt. Frankreich hat die Vorratsdatenspeicherung seit 2006 sehr umfangreich. Keine der Taten ist verhindert worden. Was wir brauchen ist Mann- und Frau-Power, wir brauchen Personen, die in der Lage sind, die Gefährdungslage zu analysieren und entsprechend zu reagieren. Wir brauchen nicht mehr Technik, sondern mehr Personal. Selbstverständlich stimmt es, dass die FDP bei der Frage, im Zweifel für die Freiheit eintritt und weniger für die Sicherheit, aber Sicherheit bedingt Freiheit und Freiheit bedingt Sicherheit, das ist kein Widerspruch. Man muss das immer ordentlich austarieren und wie gesagt, was wir brauchen ist Personal. Es rächt sich jetzt, dass in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten sehr viel Personal, sehr viel Polizei im Sicherheitsbereich abgebaut worden ist. Wenn Sie überlegen, dass die Grünen noch vor kurzer Zeit die Abschaffung des Verfassungsschutzes gefordert haben, dann zeigt es, wie dumm es ist, mit falscher Argumentation, falsche Weichenstellungen zu treffen – das rächt sich heute.

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