29.09.2016FDPDemokratie

KUBICKI-Gastbeitrag: Mut und Entschlossenheit sind die besten AfD-Gegenmittel

Berlin. Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende WOLFGANG KUBICKI schrieb für „Focus Online“ den folgenden Gastbeitrag:

Der Männerbund ist ein bisschen aus der Mode gekommen. So hat auch einer der wirkungsmächtigsten Herrenzirkel der Bundesrepublik vor einigen Jahren das Zeitliche gesegnet: der legendäre Andenpakt in der CDU, der so konturierte wie streitbare Persönlichkeiten wie Roland Koch, Friedbert Pflüger, Christoph Böhr oder Matthias Wissmann beheimatete. Mit deren politischen Ausscheiden verlor die Union auch wichtige Vertreter der konservativen Linie, also von demjenigen programmatischen Profil, das noch in der Vor-Merkel-Zeit den Markenkern der Partei darstellte.

Angela Merkel war es, die ihrer Partei vor rund zehn Jahren den Slogan „CDU. Die Mitte“ verpasste – ohne sich zu gewärtigen, dass die programmatische Neusetzung zwangsläufig bedeutete, sich von Positionen zu lösen, die rechts der Mitte lagen. Sprich: Sie sorgte mit dem Schwenk zur faktischen positionellen Beliebigkeit dafür, dass Menschen, die sich mit dem Modernitätskurs der Union nicht repräsentiert sahen, politisch heimatlos wurden.

In der aktuellen, gesellschaftlich-politisch aufgeheizten Situation, in der die AfD die CDU in Teilen Deutschlands mit einem strammen rechtskonservativen bis -extremen Kurs überflügelt, fragen sich viele entsetzt, wie es so weit kommen konnte. Dass führende Christdemokraten – wie der gescheiterte Wahlkämpfer Lorenz Caffier – plötzlich wieder den Law-and-Order-Schlagstock aus der lange verschlossenen Schublade gezogen haben, wirkte nun reichlich hilflos.

Dabei liegt die Antwort auf der Hand: Markenkerne kann man nicht ad hoc wiederbeleben, wenn es gerade passt. Die entsprechenden Positionen müssen wahrnehmbar bleiben. Dies hat die Merkel-CDU jedoch unterlassen – mit der Folge, dass die CDU jetzt rechts der Mitte ein massives Glaubwürdigkeitsproblem hat. Und in der Zeit der flüchtlingsbedingten Verunsicherung stieß die AfD in diese Lücke hinein. Das CDU-Problem namens „AfD“ ist also hausgemacht.

So problematisch und grenzübertretend die AfD politisch zu Werke geht: Sie hat es vermocht, neben vielen alten CDU-Wählern auch eine Reihe an Nichtwählern zum Urnengang zu bewegen. Insofern hat der demokratische Diskurs durch die Partei gewonnen. Die Dankbarkeit über einen solchen Einsatz für die Demokratie wird aber wieder relativiert, wenn wir sehen, dass viele dieser Stimmen von erklärten Demokratiefeinden gekommen sind. Hierzu zählen unter anderem Menschen, die den Kaiser wiederhaben wollen, Antiliberale, Neonazis, Ausländerfeinde oder solche, die sich allgemein abgehängt und von „denen da oben“ einfach nicht mehr vertreten fühlen. Nicht wenige von denen sehen in der AfD auch die heimliche Möglichkeit, die Demokratie und den verhassten „Parteienstaat“ zu überwinden und – vorsichtig formuliert – durch etwas anderes zu ersetzen. Gewissermaßen als eine Art Konservative Revolution.

Und von nun an wird der revoltierende Wunsch in der heutigen AfD-Wählerschaft für die Partei langfristig zum Problem: Mit jedem Tag, an dem sie in den Parlamenten auf demokratischem Terrain streitet, enttäuscht sie das Verlangen vieler ihrer Wähler nach einer systemüberwindenden Größe, die etwas Grundlegendes in der Politik verändert. Als radikale Partei wird sie sich deshalb auf Dauer nicht halten können, da Protest und die Wirklichkeit langfristig nicht mehr zusammenpassen. Dieser Prozess wird umso schneller gehen, a) je ernsthafter alle anderen politischen Akteure die Auseinandersetzung im europäischen Parlament, in den Land- oder Kreistagen mit den konkreten Positionen der Rechtspopulisten führen und b) je schneller erkennbar wird, dass die Flüchtlingskrise in wesentlichen Teilen gelöst ist.

Für die Petrys, Gaulands und Meuthens bedeutet dies, dass sie vor die Wahl gestellt werden: Entweder sie teilen ihr Schicksal mit den parlamentarischen Kurzzeitkräften NPD oder Schill-Partei und verschwinden in naher Zukunft wieder im Orkus der Geschichte – oder sie werden systemkonformer, also friedfertiger. Denn das größte Kapital der Partei, die Angst in Teilen der Bevölkerung – vor Flüchtlingen, vor dem Zurückgesetztsein, vor dem Ungewissen – ist nicht beliebig lange politisch verfügbar.

Der sechste stellvertretende Vorsitzende der SPD, Ralf Stegner, hat jüngst in einem Interview erklärt, dass die AfD gefährlich sei für unsere Demokratie. Eine solche Aussage von einem der führenden Köpfe der deutschen Sozialdemokratie ist intellektuell schon reichlich bemerkenswert. Denn mit diesen Worten schürt Stegner die Angst vor einer Partei, die mit Angst Politik betreibt. Schon der Hobbypsychologie würde hier flugs einschreiten und sagen, dass Angst vor der Angst die am wenigsten geeignete Methode ist, die ursprüngliche Angst zu überwinden. Vielmehr sind Mut und Entschlossenheit die besten Gegenmittel. Stegners Dämonisierung führt genau in die falsche Richtung.

Ich bin zukunftsmutig, was den Fortbestand unseres Gemeinwesens angeht. Unsere demokratischen Werte können von einer Partei nicht untergraben werden. Vielmehr zeigt sich, dass die Diskussion über den Umgang mit den rechten Populisten auch etwas Selbstvergewisserndes hat. In der Abgrenzung zu deren Vorstellungen stärken wir unser Demokratiebewusstsein. Deshalb bin ich sicher: Die AfD bleibt nicht so, wie sie jetzt ist. Unsere Demokratie ist stärker als Populismus.

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