28.06.2003FDP-FraktionEuropapolitik

GERHARDT: Kroatien - auf dem Weg in die EU

BERLIN. In einer Kolumne für die Wetzlarer Zeitung (Samstagsausgabe) schreibt der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Dr. Wolfgang GERHARDT:

Die griechische EU-Präsidentschaft geht am kommenden Montag zu Ende. Es war eine erfolgreiche Präsidentschaft: Die EU-Erweiterung ist in trockenen Tüchern, der Entwurf für eine EU-Verfassung gelang besser als gedacht - und selbst in die Europäische Agrarpolitik kommt langsam Bewegung.
Zeit also, sich den nächsten großen Themen zuzuwenden. Eines dieser großen Themen ist die Frage: Wie soll es weitergehen in Südosteuropa? Nach dem Ende des blutigen Bürgerkrieges hat die Europäische Union diesen Ländern langfristig den Weg in die Europäische Union angeboten. Dieses Angebot hat in den meisten Ländern große Reformanstrengungen ausgelöst, und zu einer deutlichen Stabilisierung geführt. Es liegt in unserem eigenen nationalen Interesse, dass dieser Weg weiter beschritten wird. Sollte es dort wieder zu Krisen kommen, wären wir in Deutschland mit als erste betroffen.
Was soll geschehen mit Albanien? Wie weiter mit Mazedonien, Bosnien, mit Serbien und Montenegro? Was soll mit dem UN-Protektorat Kosovo geschehen? Und besonders dringend: Wie soll sich die EU zu dem seit Februar 2003 auf dem Tisch liegenden Beitrittsantrag Kroatiens verhalten, dem bisher einzigen Beitrittsgesuch aus dieser Gruppe. Wann sollen die Verhandlungen mit Kroatien beginnen?
Kroatien ist den anderen Ländern dieser Gruppe weit voraus: beim Bruttosozialprodukt pro Kopf, in der Steuerpolitik (Kroatien hat ein modernes und einfaches Einkommensteuersystem, von dem wir Deutsche nur träumen können) und es hat eine sehr solide und stabile Währung. Sicher, Kroatien hat auch noch gewaltigen Reformbedarf, z. B. im gesamten Rechtswesen, und es darf bei der Zusammenarbeit mit dem Haager Kriegsverbrechertribunal und bei der Rückführung serbischer Flüchtlinge nicht locker lassen. Aber es hat sich in der Zeit nach Präsident Tudjman mit Riesenschritten demokratisiert und gefestigt. Und es hat " anders als alle anderen Staaten der sogenannten Westbalkan-Gruppe " nicht unnötig Zeit verloren und sich schnell an die nötigen Reformen gemacht. Das sollte belohnt werden.
Kroatien mit seinen knapp 4,5 Millionen Einwohnern ist ein kleines, aber potentiell reiches Land. Es ist wirtschaftlich ambitiös, birgt zahlreiche Kulturschätze und ist ein beliebtes Ziel vieler Touristen, das viele Deutsche aus unvergesslichen Urlauben kennen und lieben. Es vereint in sich Mediterranes ebenso wie Mitteleuropäisches. Es ist eine Brücke zum Balkan.
Wie in der aktuellen Erweiterungsrunde, darf es auch in Zukunft keinen Beitritt auf Rabatt geben, auch keine politischen Begünstigungen. Wer sich aber dem mit zahllosen gesellschaftlichen Härten verbundenen Reformprozess so konsequent wie die im Herbst zur Wiederwahl anstehende kroatische Regierung in den letzten vier Jahren stellt, der sollte auch die Früchte der Reformen ernten können. Auf dem EU-Westbalkan-Gipfel von Thessaloniki hat die EU sich zur Beibehaltung der bewährten Methode der bisherigen Erweiterungsrunden bekannt, nämlich jeden EU-Kandidaten nach seinen individuellen Fortschritten zu beurteilen. Gemessen an diesem Kriterium ist Kroatien reif für die nächste Etappe: Es ist reif für die Eröffnung der Beitrittsverhandlungen. Bis zum tatsächlichen Beitritt werden anschließend ohnehin nochmals einige Jahre vergehen. Die Europäische Kommission, die den kroatischen Antrag derzeit prüft, sowie Italien, das nun ab Juli die EU-Präsidentschaft innehat, sollten den Verhandlungsprozess zügig in Gang setzen. Dies wäre das beste Signal nicht nur für Kroatien, sondern auch für die gesamte Region: Echte Reformen zahlen sich aus.

Bettina Lauer - Telefon [030] 227-55736 - pressestelle@fdp-bundestag.de

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