02.05.2003FDP-FraktionArbeitsmarkt

GERHARDT: Agenda 2010 - Minimalreformen, aber besser als nichts

BERLIN. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Dr. Wolfgang GERHARDT, schreibt in einem Gastkommentar für die Esslinger Zeitung (Freitagsausgabe):

"Heraus zum 1. Mai!" - mit diesem Aufruf sorgten früher die Gewerkschaften dafür, dass die Bürger aus ihren Häusern herauskamen und für eine gerechte Arbeitswelt auf die Straße gingen. Heute haben die Gewerkschaften einen wesentlichen Anteil daran, dass zu viele Menschen heraus sind aus der Arbeitswelt und stattdessen auf der Straße stehen. Statt etwas für die Arbeitslosen zu tun, machen die Gewerkschaften Politik für die Arbeitsplatzbesitzer.
Jetzt haben Starrköpfigkeit und Rückwärtsgewandheit der großen Gewerkschaften in Deutschland auch die SPD erwischt. Die Maßnahmen, die der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung zur so genannten "Agenda 2010" angekündigt hat, sind Minimal-Reformen. Sie reichen bei weitem nicht aus. Aber sie sind viel mehr als das Nichts, an dem die Traditionalisten in der SPD und in den Gewerkschaften festhalten wollen. In einem erstaunlich hohen Maß an Zukunftsverweigerung zerreden die eigenen Leute schon jetzt das Konzept des Kanzlers, das doch nicht mehr ist als ein erster Schritt, dem noch viele weitere und weiter gehende zwingend notwendig folgen müssen.
Fast ist man versucht, den Bundeskanzler, der sich wieder einmal genötigt fühlt, die Vertrauensfrage aufzuwerfen und mit Rücktritt zu drohen, und den Bundeswirtschafts- und Arbeitsminister, dessen Rücktritt offen gefordert wurde, gegen die eigenen Leute zu verteidigen. Wichtiger ist jedoch, dass 4,6 Millionen Arbeitslose - Tendenz leider weiter steigend - von der Politik Taten für morgen fordern statt Scharmützel über Traditionen und Parteigeschichte.
Die FDP wird auch kleine Schritte unterstützen, wie sie in der "Agenda 2010" erkennbar sind. Sie sind besser als nichts. Die Erfahrung mit dem Hartz-Konzept zeigt aber, dass es falsch ist, Konzepte zu zerreden und zu verwässern. Wir müssen uns auf eine Reihe von Punkten konzentrieren und diese auch verwirklichen: Wir müssen die Steuersätze weiter senken, wenn nachhaltig mehr Beschäftigung und ein höheres Wachstum erreicht werden sollen. Wir müssen Staatsaufgaben zu Gunsten privater Aktivitäten zurückführen und eine Situation beenden, die eine Staatsquote von nahezu 50 Prozent bedeutet und die dazu führt, dass der Staat fast die Hälfte der gesamtwirtschaftlichen Einkommen in seine Verfügungsgewalt bringt. Wir müssen das Arbeitslosengeld begrenzen, Arbeitslosenhilfe in die Sozialhilfe integrieren und Beschäftigungen im Niedriglohnbereich durch eine Reform der Sozialhilfe überhaupt wieder stärken. Wir müssen mehr Flexibilität in den Tarifvertragsparteien erzeugen, Öffnungsklauseln für effiziente Arbeitsverträge schaffen und den Betrieben mehr Verantwortung geben. Wir müssen den Kündigungsschutz weniger stringent gestalten, freiwillige Abfindungsregelungen ermöglichen und die Lockerung in Betrieben bis zu 20 Beschäftigten schnell wirken lassen. Wir müssen der gesetzlichen Krankenversicherung eine wirklich neue Rollenzuweisung geben und sie auf einen Grundleis-tungskatalog begrenzen. Wahlleistungen, Selbstbehalt, Prämienrückgewährung möglich machen und einen Wettbewerb der Anbieter schaffen. Wir müssen an Stabilitäts- und Wachstumspakt festhalten, Haushaltskonsolidierung beherzt angehen und eben nicht alle Kräfte auf die Lockerung der Kriterien konzentrieren.

Isabella Pfaff - Telefon [030] 227-52378 - pressestelle@fdp-bundestag.de

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