FDPBöhmermann-Satire

Deutschland muss sich wieder freischwimmen

Christian Lindner und Wolfgang KubickiChristian Lindner und Wolfgang Kubicki sehen die Forderungen aus Ankara kritisch
13.04.2016

FDP-Vize Wolfgang Kubicki hat die Bundeskanzlerin aufgefordert, der türkischen Regierung deutlich zu machen, dass Berlin ein anderes Verständnis von Meinungs- und Pressefreiheit hat als Ankara. Bei der Klage der türkischen Regierung gegen Jan Böhmermann brauche es nämlich eine Ermächtigung der Bundesregierung, um weitere staatsanwaltliche Ermittlungen gegen den Satiriker einzuleiten, betonte Kubicki. FDP-Chef Christian Lindner übte scharfe Kritik an der politischen Abhängigkeit der Bundesregierung von der Türkei, die die Kanzlerin für den Deal zur Bewältigung des Flüchtlingszustroms in Kauf genommen habe.

"Präsident Erdogan nutzt seine Position als politischer Taktgeber nun aus", erklärte Lindner. "Nachdem er bereits Milliarden und Zugeständnisse beim EU-Beitritt regelrecht erpresst hat, hat er nun die deutsche Regierung bei der Bewertung unserer Grundrechte am Wickel." Der FDP-Chef forderte die Bundesregierung auf, sich wieder politisch freizuschwimmen und ihre Unabhängigkeit zurückzufinden.

"Unabhängige Gerichte müssen beurteilen, ob das Gedicht von Jan Böhmermann unerlaubte Schmähkritik ist. Der türkische Präsident hätte wie jeder andere das Recht, sich dagegen zu wehren", betonte Lindner. "Es ist aber ein Witz, dass Herr Erdogan in Deutschland die Mittel des Rechtsstaats gegen Jan Böhmermann nutzt, die er in der Türkei mit Füßen tritt."

Bundesregierung muss Kritik der Türkei aushalten können

Die Kanzlerin befinde sich in einer Falle, die sie sich selbst gestellt habe, stellte Kubicki klar. "Entscheidet sich die Bundesregierung, die Ermächtigung nicht zu erteilen, dann wird es Verwicklungen mit der Türkei geben. Entscheidet sie sich dafür, wird es innenpolitisch ein riesiges Problem geben", gab der Freidemokrat im Interview mit "NDR Info" zu bedenken. Für Kubicki ist jedoch eindeutig: Die Bundesregierung müsse den Ärger mit der Türkei riskieren und auch gegebenenfalls aushalten. Ansonsten könne sie sich künftig alle Sonntagsreden über Pressefreiheit sparen. Auch liege eine solche Ermächtigung keinesfalls im Interesse der Bundesrepublik.

Er halte die Schmähkritik des "ZDF"-Moderators gegen Erdogan zwar für geschmacklos, aber nicht für strafrechtlich relevant. "Als Strafverteidiger glaube ich, dass es gedeckt ist durch die Kunstfreiheit und deshalb eine weitere Ermittlung keine Aussicht auf Erfolg haben wird", sagte Kubicki.

"Es muss der ‪Türkei und ihrem Präsidenten zuvörderst deutlich gemacht werden, dass auch Grenzüberschreitungen im demokratischen Diskurs nicht mit dem Strafrecht bekämpft werden, um Andersdenkende mundtot zu machen", unterstrich der FDP-Vize. "Schlimm genug, dass die Bundesregierung nicht scharf gegen die Angriffe Erdogans auf die ‪Pressefreiheit und die Unabhängigkeit der Justiz in der Türkei protestiert hat. Es wird spannend zu sehen, was diese Bundesregierung noch zu leisten im Stande ist, wenn unsere Werte nicht nur zu beschreiben, sondern zu verteidigen sind."

Hintergrund

Die Aufforderungen der Türkei, strafrechtliche Folgen für den deutschen Komiker auf den Weg zu bringen, werden derzeit geprüft. Zahlreiche Freie Demokraten und JuLi-Mitglieder taten bereits ihre Unterstützung und Solidarität für den Satiriker kund. "Was darf Satire? Alles", verdeutlichte die FDP Bremen auf ihrem ordentlichen Landesparteitag in Anlehnung an das berühmte Zitat von Kurt Tucholsky. Auch der Kabarettist Dieter Hallervorden, der sich zuletzt im Wahlkampf der FDP Sachsen-Anhalt für die liberale Sache engagierte, schloss sich Böhmermann an und veröffentlichte ein Protest-Lied, in dem er den türkischen Machthaber herausfordert: "Erdogan, zeig mich an!"

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