28.04.2003FDP

DAIMAGÜLER-Gastbeitrag für "Die Welt"

Berlin. Das FDP-Bundesvorstandsmitglied MEHMET DAIMAGÜLER schrieb für die Tageszeitung "Die Welt" (heutige Ausgabe) den folgenden Gastbeitrag:

Türkische Männer müssen umdenken

Manche behaupten, Deutschland habe ein "Ausländerproblem". Das ist nicht wahr. Auch gibt es kein "Türkenproblem". Es gibt aber ein Problem mit vielen jungen türkischen Männern: niedriges Bildungsniveau, höchste Arbeitslosenquote und ein antiquiertes Männer- und Frauenbild. Und eine ungewöhnlich hohe Gewaltbereitschaft. Eine Untersuchung des früheren niedersächsischen Justizministers Christian Pfeiffer (SPD) zeigte: Auf 100 türkische Jugendliche kommen nach eigenen Angaben pro Jahr fast drei Mal so viel Gewalttaten wie auf gleichaltrige Deutsche. Die soziale und ökonomische Lage dieser Jugendlichen erklärt diese Tendenz allein nicht. Wir müssen vielmehr die Frage stellen, wie und mit welchen Werten diese Jugendlichen in den Elternhäusern erzogen werden.

Eine vom türkischen Soziologen Uslucan durchgeführte Untersuchung von Erziehungsmethoden türkischer Familien hat ergeben: In 20 Prozent aller türkischen Haushalte in Deutschland wird mit Gewalt erzogen. Dass schlagende Väter ein problematisches Vorbild für ihre Söhne sind, ist klar. Geschlagene Kinder schwanken zwischen latenten Minderwertigkeitsgefühlen und der Idee, sich nur über Härte und Aggressivität durchsetzen zu können. Gewaltfreie Konfliktlösung wird nicht erlernt und als "unmännlich" abgelehnt.

Erziehung mithilfe von Gewalt war früher in der Türkei gebräuchlich. Diese Zeiten sind auch in der Türkei weit gehend passé. Doch haben viele Türken in Deutschland ein Türkeibild im Kopf, das aus den sechziger Jahren stammt, der Zeit, in der sie das Land verließen. Während in der Türkei selbst eine natürliche Evolution gesellschaftlicher Regeln stattfand, herrscht in den Köpfen hier oftmals Stillstand. Die Flucht vor der Moderne ist in Deutschland Massenphänomen. Die Türken in der Türkei sind paradoxerweise in der Regel moderner und westlicher als die deutschen Türken mitten in Westeuropa.

Eine relative Armut und eine schlechte Ausbildungsperspektive der Jugendlichen gehen Hand in Hand. Doch der zu verzeichnende Rückgang an Ausbildung und Qualifikation ist auch Ergebnis eines starren und überholten familiären Gefüges. Gegenüber der Tatsache, dass der Bildung im moslemischen Kulturkreis traditionell ein hoher Wert beigemessen wird, verhalten sich oft türkische Eltern hier zu Lande sehr ambivalent gegenüber deutschen Bildungsinstitutionen. Mithilfe im Haushalt, die Erziehung kleinerer Geschwister und eine frühzeitige eigene Familiengründung werden naturgemäß erwartet.

"Hergeheiratete" türkische Frauen verstärken diesen Erziehungsstil. Zwar sind diese jungen Frauen häufig trotz ihrer Armut und fehlenden Bildung sehr viel fortschrittlicher, als ihre künftigen Männer in Almanya es haben wollen. Ihre Selbständigkeit wird ihnen ausgerechnet in Deutschland schnell wieder genommen. Sie sprechen kein Deutsch und haben auch nicht die Chance, Deutsch zu lernen, weil sie in völliger Abhängigkeit und Isolation bei den Schwiegereltern leben. So kommt es, dass in Berlin Kinder eingeschult werden, die in Kreuzberg oder in Neukölln geboren wurden, aber bei der Einschulung kein Wort Deutsch sprechen. Schulisches und berufliches Versagen sind vorprogrammiert, der Weg in das gesellschaftliche Aus sicher.

Sprache und Werte sind die zwei Säulen des gesellschaftlichen Miteinanders. Beides müssen Staat und Gesellschaft fördern, aber auch fordern. Wer in Deutschland lebt, muss Deutsch lernen. Der Staat muss ausreichend Sprachkurse anbieten, aber er muss auch durchsetzen, dass Deutsch gelernt wird. Die Politik muss zudem dafür sorgen, dass unsere Werte auch anerkannt werden. Unser Grundgesetz ist ein Ausfluss unserer Werteordnung. Wenn dort die Gleichheit aller Menschen festgeschrieben ist, wieso trauen wir uns dann nicht zu sagen: Wer in Deutschland lebt, hat die Gleichberechtigung von Mann und Frau zu respektieren. Wenn sich die Politik nicht traut, dies einzufordern, dann darf sie sich nicht wundern, wenn bestimmte Gruppen sich nicht darum scheren.

Die aus der Türkei stammenden Frauen müssen durch Integrations- und Sprachkurse gefördert werden. Ihnen muss nicht nur die Sprache beigebracht werden, sondern auch ihre Rechte. Wir wollen selbstbewusste türkische Frauen. Nur sie können ihren Söhnen ein vernünftiges Frauen- und Männerbild vermitteln.

Jene in der Politik, die von Einwanderern möglichst wenig einfordern, schaden diesen am meisten, weil sie den Weg in die gesellschaftliche Isolation dieser Menschen ebnen. Der schlimmste Feind des Ausländers ist leider manchmal der unkritische Ausländerfreund.

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