BUSCHMANN-Statement: Wir wollen eine neue Realpolitik in der Migration
Im Anschluss an die Sitzung des Präsidiums der Freien Demokraten gab der designierte FDP-Generalsekretär Dr. Marco Buschmann MdB folgendes Statement ab:
Buschmann: „[…] Das Präsidium der FDP hat heute Morgen getagt und hat sich mit folgenden Themen beschäftigt. Heute vor 80 Jahren ist das Konzentrationslager Auschwitz befreit worden. Auschwitz ist das Symbol für den Holocaust. Über eine Million Menschen sind alleine dort ermordet worden. Deshalb ist der heutige Tag der Internationale Holocaust-Gedenktag. Das ist ein Anlass, über den Schimon Peres einmal gesagt hat: ‚Der Internationale Holocaust-Gedenktag ist ein Tag der Gemeinschaft und des Nachdenkens. Eine Stunde der Bildung und der Hoffnung.‘ Und warum hat er diese Formulierung gewählt? Weil sich in der Vergangenheit gezeigt hat, wie das Böse in der Welt wirkt. Und wenn man das Böse in der Gegenwart und für die Zukunft bekämpfen möchte, muss man wissen, wie es wirkt. Deshalb ist jeder Aufruf dazu, dass die Deutschen sich weniger mit ihrer Vergangenheit und mit ihrer Verantwortung beschäftigen müssen, ein Fehler. Denn wer seine Geschichte nicht kennt und wer auch die Geschichte der eigenen Fehler, der eigenen Katastrophen nicht kennt, ist dazu verdammt, diese Fehler zu wiederholen. Das Präsidium der Freien Demokraten hat deshalb einen Beschluss gefasst, der nicht nur anknüpft an das Gedenken anlässlich des 80. Jahrestags der Befreiung von Auschwitz, sondern auch die Frage stellt, was das für Gegenwart und Zukunft bedeutet.
Wir sind ein Land, in dem es so viele antisemitische Straftaten gibt wie schon lange nicht mehr. Wir sind ein Land, das sich immer wieder schwer tut damit, seine Verantwortung für die Existenz Israels auch so klar zu bekunden, dass wir Israel beispielsweise wie einen NATO-Partner bei der Rüstungszusammenarbeit behandeln. Und wir sind ein Land, in dem wir auch im Ausländerrecht klarmachen müssen, dass wir jede einzelne Billigung oder Sympathiebekundungen für den Terror der Hamas für Menschen, die kein dauerhaftes Recht haben, bei uns zu sein, zu einem Grund machen, dass sie unser Land verlassen müssen. Wir wollen insbesondere auch, dass bei der Bekämpfung des Antisemitismus die Arbeitsdefinition der IHRA eingehalten wird, was leider in vielen Bundesländern immer noch keine Selbstverständlichkeit ist. An einem solchen Tag wie heute darf es eben nicht nur darum gehen, abstrakte Bekundungen abzugeben, sondern immer auch darum, die Frage zu beantworten: Was bedeuten 80 Jahre Befreiung von Auschwitz für die Politik von Gegenwart und Zukunft?
Das Präsidium der FDP hat sich zudem mit Fragen der Wirtschaftspolitik beschäftigt. Sie wissen, dass führende Wirtschaftsverbände in dieser Woche zu einem Warntag aufrufen. Sie rufen zu einem Warntag auf, weil die deutsche Wirtschaft 2023 nicht gewachsen, sondern geschrumpft ist. Sie ist auch 2024 nicht gewachsen, sondern geschrumpft. Schon das ist eine Ausnahmesituation. Das gab es erst einmal in der Geschichte der Bundesrepublik. Und wenn sich nichts Grundlegendes ändert in der Wirtschaftspolitik unseres Landes, dann gehen führende Experten davon aus, dass auch 2025 die deutsche Wirtschaft nicht wachsen, sondern schrumpfen wird. Das wird dann die längste Rezession in der Geschichte unseres Landes sein. Wir müssen deshalb hier schnell umsteuern. Dabei geht es auch nicht nur um abstrakte Zahlen oder Unternehmensbilanzen. Es geht um die Arbeitsplätze von Menschen. Und es geht vor allen Dingen um das gesellschaftliche Klima, das wieder davon geprägt sein muss, dass in Deutschland das Gefühl eintritt, wenn wir uns alle reinhängen, wenn wir alle die Ärmel hochkrempeln, dann wächst die Wirtschaft, dann ist genug für uns alle da […].
Die Tatsache, dass sich Unternehmen dazu gezwungen sehen, einen Warntag zu organisieren, weil sie den Eindruck haben, dass selbst im Wirtschaftsministerium immer noch nicht verstanden wurde, was die Stunde geschlagen hat, ist ein dramatischer Befund. Dieser Befund wird auch dadurch verstärkt, dass der Wirtschaftsminister sich chronisch weigert, über Wirtschaftspolitik zu sprechen. Beispielsweise sein Parteitag wäre ja eine gute Gelegenheit gewesen. Nichts hört man dazu. Und man hört auch nichts dazu, wie wir nur unsere Stärken in der Grundstoffindustrie, in der Chemieindustrie absichern, wir hören auch nichts dazu, wie wir die neuen Kräfte der Wirtschaft, die neuen Chancen auf Wachstum richtig nutzen. […] In den USA ist angekündigt worden, dass mit privatem Kapital 500 Milliarden US-Dollar investiert werden sollen, und zwar in neue KI-Rechenzentren, weil dort die neue industrielle Revolution stattfindet. 500 Milliarden! Die größte private Investition der Weltgeschichte. Diese Rechenzentren brauchen Strom in unglaublicher Menge, zu verlässlichen Preisen und auch in verlässlicher Konstanz. Und statt auf diese neue Frage einzugehen, was das für unsere Energiewende bedeutet, damit wir nicht nur unsere traditionellen Stärken weiter erhalten, sondern auch eine Chance haben, […] als drittgrößte Volkswirtschaft auch in der Zukunft an der Wohlstandsverteilung auf der Welt teilzuhaben, […] gibt es einfach nichts. Keine Antworten. Das ist dramatisch.
Die FDP schlägt deshalb das vor, was private Investitionen […] stimuliert. Nämlich eine deutliche Reduzierung von Bürokratie, insbesondere auch von europäischer Bürokratie, sowie ein wettbewerbsfähiges Steuersystem für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber gerade auch für die Unternehmen. Und wir müssen die deutsche Energiewende vom Kopf auf die Füße stellen. Wir müssen Wege finden, wie wir die Einsparung von CO2 nicht durch immer mehr Bürokratie und Detailvorschriften vornehmen, sondern so, dass sie mit Wohlstand verbunden werden kann. Und wenn wir im jetzigen System nicht darstellen können, wo die Strommengen verlässlich und zu bezahlbaren Preisen herkommen sollen, […] ist das ein echtes Problem für die Wohlstandsentwicklung unseres Landes. Und dabei dürfen wir nicht zusehen.
Wir haben im Präsidium der Freien Demokraten als Drittes über die Migrationspolitik diskutiert und beraten. Fakt ist: Die Menschen in Deutschland wollen in ihrer ganz großen Mehrheit eine andere Migrationspolitik; eine Migrationspolitik der Steuerung und der Ordnung; eine Migrationspolitik, wie wir sie seit längerem schon nennen, die man zusammenfassen kann als neue Realpolitik in der Migration. Die FDP hat darauf in der alten Koalition immer wieder gedrungen. Dort ist auch einiges gelungen: Grenzkontrollen einschließlich Zurückweisungen, Leistungskürzungen für Dublin-Fälle, um Pull-Faktoren zu reduzieren, Verbesserungen auch im Bereich der Abschiebung. Und in der Tat hat auch das etwas bewirkt. Wenn der Bundeskanzler sich jetzt damit schmückt, dass es gelungen ist, den Migrationsstrom nach Deutschland um etwa 100.000 Menschen zu reduzieren, dann ist das auch Ergebnis des Drängens der FDP. Man muss aber festhalten, dass das nicht ausreicht. Denn wenn immer noch sehr viele Menschen nach Deutschland kommen - viele davon, ohne Recht hier zu sein, und zu wenige von denen, die kein Recht haben, hier zu sein, aber das Land nicht verlassen - dann baut sich ein immer größeres Problem auf. Ich möchte eindeutig betonen, dass die Analyse der Grünen, beispielsweise Frau Göring-Eckardts, dass das mit dem täglichen Leben der Menschen nichts zu tun habe, oder von Frau Esken von der SPD, dass man darüber nicht zu viel reden solle, grundfalsch ist. Wenn es der übergroße Wunsch der Mehrheit in unserem Lande ist, diese Verhältnisse in Ordnung zu bringen, Steuerung und Kontrolle möglich zu machen und den Zustrom der irregulären Migration zu reduzieren und den Abstrom irregulärer Migranten zu beschleunigen und zu erhöhen, dann muss seriöse Politik sich diesem Thema widmen. Denn das ist die Aufgabe demokratischer Parteien und der beste Weg, den Einfluss von Extremisten links und vor allen Dingen rechts klein zu machen.
Wer sich diesem Thema verweigert, der macht die Extremisten groß. Da darf man sich hinter nichts verstecken, da darf man nichts tabuisieren, sondern die Dinge müssen beim Namen genannt werden. Wir haben dazu Vorschläge in unseren Beschlüssen für eine neue Realpolitik in der Migration gemacht. Beispielsweise muss man sich dem Thema widmen, dass der Anspruch auf Asyl mittlerweile, man muss es so sagen, faktisch zum Blankoscheck dafür geworden ist, mehrere Jahre Aufenthalt und Versorgung in Deutschland zu bekommen. Denn die Prüfungsverfahren für diese Anträge sind so kompliziert, so aufwendig sind und so langsam, dass dieses Verfahren einschließlich dann eines abschlägigen Bescheides und der Vollziehung im Wege der Abschiebung mehrere Jahre dauert.
Das ist ein Pull-Faktor, der es für Menschen attraktiv macht, in Deutschland einen solchen Antrag zu stellen, selbst wenn keinerlei Aussicht auf Erfolg besteht, weil die Perspektive, mehrere Jahre lang in einem der reichsten Länder der Welt zu sein, eben ein Pull-Faktor ist. Deshalb brauchen wir hier Wege, dafür zu sorgen, dass, auch wenn solche Ansprüche gestellt werden, das kein automatischer Zugang nach Deutschland ist. Und dafür haben wir Perspektiven aufgezeigt. Das sind die Drittstaatsverfahren, die leider im Moment noch im europäischen Recht durch eine Intervention der Außenministerin so bürokratisch laufen, dass sie kaum eine Chance haben zu funktionieren. Das ist das sogenannte Verbindungselement, das dafür sorgt, dass Menschen nur in Drittstaatsverfahren behandelt werden dürfen, die eine besondere Beziehung zu dem Land haben. Aber wenn Menschen aus aller Welt zu uns kommen, aus etlichen Herkunftsstaaten, dann ist es geradezu ausgeschlossen, dass alle diese Menschen eine solche Beziehung zu einem einzigen bestimmten Drittstaat haben, in dem man möglicherweise diese Verfahren durchführen will. Deshalb muss dieses Kriterium fallen. Das ist auch der Wunsch vieler europäischer Partner, und das ist ein Weg, wie wir das möglich machen wollen.
Es gibt auch noch weitere Ideen, beispielsweise Europa zu stärken. Es ist ja grotesk, dass wir das Non-Refoulement-Verbot, also den völkerrechtlichen Anspruch auf Asyl, immer noch so praktizieren, dass er an jeder europäischen Binnengrenze neu gestellt werden kann. Wenn aber Europa eine gemeinsame Asylpolitik hat, dann ist die relevante Grenze die Außengrenze der EU. Dort muss der Antrag gestellt werden, dort muss er bearbeitet werden und nicht an jeder Binnengrenze neu. Wenn sich Europa und die gemeinsame Asylpolitik ernst nimmt, dann muss Europa in seinem eigenen Recht, aber auch im Völkerrecht das Prinzip durchsetzen, dass die europäische Außengrenze relevant ist […] und nicht jede deutsche Binnengrenze.
Wir müssen zweitens Abschiebeverfahren straffen. Insbesondere die Dublin-Verfahren dauern viel zu lange. Wir müssen auch klar machen gegenüber unseren europäischen Partnern, dass wir bereit sind, auch vor den EuGH zu ziehen, wenn unsere Nachbarn ihre Verpflichtungen nicht einhalten.
Wir müssen drittens dafür sorgen, dass Kriegsflüchtlinge beispielsweise mit traumatischen Gewalterfahrungen auch daraufhin überprüft werden, ob es hier Gewalt und Amokneigung gibt. Spätestens dann, wenn Menschen selbst aktiv gewalttätig werden, brauchen wir ein systematisches Gefährdungsmanagement, ein Bedrohungsmanagement, wie es von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern schon seit vielen Jahren gefordert wird. Die Innenministerkonferenz muss hier ein klares Konzept entwickeln, wie der Informationsaustausch über diese Hinweise auf Gewalt und Amokneigung systematisch erfasst und den Behörden auch so zur Verfügung gestellt werden kann, dass sie rechtzeitig handeln können.
Wir brauchen viertens eine vernetzte Migrationspolitik, eine strategische Migrationspolitik der gesamten Bundesregierung. Was meine ich damit? Viel zu häufig wird die Migrationspolitik als eine Singularaufgabe des Innenministeriums betrachtet. Wir brauchen aber die Einbeziehung auch von Entwicklungszusammenarbeit und Außenpolitik, um das Thema Migration in den Griff zu bekommen. Wir müssen die Entwicklungszusammenarbeit zu einem Instrument machen, um unsere Interessen im Bereich der Migration durchzusetzen. […] Oder um es klarer auszudrücken: Entwicklungshilfe, kann es nur für Staaten geben, die auch im Bereich der Migration mit uns kooperieren. Das bedeutet, dass sie insbesondere ihre eigenen Staatsbürger zurücknehmen müssen, wenn sie kein Recht haben, bei uns in Deutschland zu sein. Und es ist auch eine Aufgabe der Außenpolitik, in den Hauptherkunftsländern dafür zu sorgen, dass dort tatsächliche und rechtliche Abschiebehindernisse beseitigt werden. Das kann nicht nur eine Aufgabe des Innenministeriums sein, sondern es muss eine strategische Aufgabe der gesamten Bundesregierung sein. Wir müssen hier unsere Interessen auch klar artikulieren. Wir müssen aufhören, der Welt Predigten zu halten, sondern wir müssen klar sagen, was wir von unseren Partnern erwarten. Diese Sprache wird im Zweifelsfall auch eher respektiert und angenommen als allgemeine Bekundung.
Und wir müssen fünftens dafür sorgen, dass es eine Fortsetzung des EU-Türkei-Deals gibt. Wir haben gesehen, dass mit diesem Instrument irreguläre Migration deutlich reduziert wurde. Deshalb müssen wir auch daran anknüpfen.
Das sind die fünf Forderungen, die wir im Detail ausgeführt haben im Bereich der Migrationspolitik. Jetzt werden Sie sich möglicherweise noch fragen: Hat das Präsidium auch über Dinge beraten, die im Deutschen Bundestag diese Woche stattfinden? Ja, natürlich. Das Präsidium der Freien Demokraten wird dem Bundesvorstand unserer Partei und auch der Bundestagsfraktion dazu eine klare Empfehlung abgeben. Sie wissen, dass in dieser Woche im Deutschen Bundestag eine Debatte stattfindet über einen Antrag, den CDU und CSU stellen werden, einen allgemeinen politischen Antrag, der bekundet, in welche Richtung es mit der Migrationspolitik weitergehen soll. Der Geist dieses Antrages entspricht auch dem, was wir unter einer neuen Realpolitik in der Migration verstehen, nämlich mehr Kontrolle und Ordnung. Wir könnten uns deutlich mehr Bausteine vorstellen, als sie dort benannt sind. Einige habe ich ja vorhin ausgeführt, aber dieser Antrag geht generell in die richtige Richtung. Er ist eine allgemeinpolitische Bekundung für das, was man für erstrebenswert hält. Und als solche allgemeinpolitische Bekundung halten wir ihn auch für unterstützenswert. […]
Es gibt über diesen Antrag viele Debatten. Wenn es sich um einen Gesetzentwurf handelte, dann kann und muss man auch in der Tat jedes Wort auf die Goldwaage legen - weil das muss stimmen. Aber bei einem politischen Bekenntnis ist klar, worum es geht: Mehr Kontrolle an den deutschen Grenzen, eine konsequentere Abschiebung von Gefährdern und Straftätern, und auch dafür zu sorgen, dass die dafür notwendige Infrastruktur, die die Bundesländer eben nicht ausreichend zur Verfügung stellen, dass die auch jetzt zur Verfügung gestellt werden. Also eine solche Aufforderung der CDU/CSU insbesondere auch an CDU-Ministerpräsidenten wie Hendrik Wüst oder Daniel Günther, die sich ja in schwarz-grünen Koalitionen schwer tun, eine konsequente Politik der Steuerung und Ordnung in ihrem Zuständigkeitsbereich durchzusetzen, was sich auch an der Zahl der Abschiebehaftplätze ablesen lässt. Eine solche Aufforderung an die Ministerpräsidenten, die kann man nur für richtig halten.
Wir wollen diesen Antrag deshalb nicht so lesen, um Gründe zu finden, was dagegenspricht, sondern wir wollen es möglich machen, dass Demokraten die Thematik lösen, von denen die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung möchte, dass sie gelöst werden. Damit die Menschen nicht an die Ränder streben; damit liberale Demokratie beweist, dass sie lösungsfähig ist. Und deshalb halte ich es für unverantwortlich, die Debatte über diesen Antrag zu tabuisieren. Wir müssen in der Sache darüber sprechen, wie wir das Problem der Steuerung und Ordnung der Migration in den Griff bekommen.
Dazu kann dieser Antrag einen politischen Beitrag leisten. Die FDP ist eine Partei, die dieses Problem lösen will, weil wir der Überzeugung sind: Nur, wenn Demokraten dieses Problem lösen, wird die Demokratie auch in Zukunft stabil sein in Deutschland. Wir wollen nicht den Weg Österreichs gehen, wo nach vier Jahren Schwarz-Grün nun möglicherweise Blau-Schwarz folgt. Wir wollen den Weg Dänemarks gehen, das Problem der irregulären Migration lösen und damit die Radikalen klein machen.“