FDPIntegration und Zuwanderung

Asyl und Einwanderung nicht in einen Topf werfen

Konstantin KuhleJuLi-Chef Konstantin Kuhle kritisiert die Rhetorik der Großen Koalition in der Asyldebatte
13.08.2015

In der Flüchtlingsdebatte setzen konservative Unionspolitiker wie Horst Seehofer (CSU) sowie manche Sozialdemokraten auf zunehmend scharfe Rhetorik gegenüber Ausländern. JuLi-Chef Konstantin Kuhle sieht diese Entwicklung kritisch. "Ich halte gar nichts von einem Rückfall in Wortwahl der 90er-Jahre", sagte er im Interview mit dem "Münchner Merkur". Statt pauschalen Behauptungen forderte Kuhle differenzierte Lösungen und eine Überarbeitung der Asyl- und Einwanderungssysteme.

"Wir haben einerseits eine Diskussion über Einwanderung, die sich in erster Linie an unserer wirtschaftlichen Notwendigkeit orientiert. Wir lügen uns in die Tasche, wenn wir so tun, als bräuchten wir keine qualifizierte Einwanderung", hob Kuhle hervor. Andererseits gebe es die Frage, wer Asyl bekommen sollte. "Dass jemand wie Horst Seehofer diese beiden Themen ohne Not in einen Topf wirft, halte ich für unverantwortlich. Er setzt bewusst auf die Stimmung: weniger Ausländer! Das finde ich fahrlässig", monierte der Jungliberale. Politiker hätten die Verantwortung, auf Stimmungen mit Augenmaß zu reagieren, betonte Kuhle.

Mit Blick auf die hohe Anzahl der Asylbewerber vom Balkan befürwortete der JuLi-Chef die Einstufung dieser Staaten als sichere Herkunftsländer. "Wenn wir bei Syrern Anerkennungsquoten von fast 100 Prozent haben und beim Balkan im niedrigen einstelligen Bereich, kann man pragmatisch nicht anders reagieren, als Staaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären", stellte er fest. Andererseits müsse es aber auch eine Öffnung in den Asylverfahren geben. "Wer in einem laufenden Verfahren ist, soll bereits die Chance haben, sich auf offene Stellen in Deutschland zu bewerben", schlug Kuhle vor.

Lesen Sie hier das gesamte Interview.

Die FDP ist aus allen Parlamenten geflogen, ist nun langsam auf dem Rückweg. Geben Sie uns einen Statusbericht, wie's Ihrer Partei geht - tot, untot, wieder lebendig?

Besser. Wesentlich besser als 2013. Wir haben Tiefschläge erlebt, davon mussten wir uns erholen. Die FDP hat einen Prozess der Neuorientierung durchgemacht, sich intensiv Gedanken über Leitbild und Ziele gemacht. Wir haben gelernt, dass man als liberale Partei nicht mit Schaum vorm Mund Wahlkampf machen darf. Das neue Konzept haben wir umgesetzt, mit Erfolg in Hamburg und Bremen. Das gibt vielen in der Partei neues Selbstvertrauen.

Die CSU rät der Union: Träumt von der absoluten Mehrheit. Werten Sie das als unfreundlichen Akt gegenüber der FDP?

An unfreundliche Akte aus der Union sind wir gewöhnt. Mich hat das immer sehr verwundert, weil es auf Landesebene eine lange Geschichte vertrauensvoller Zusammenarbeit gibt, das in Berlin aber nie funktioniert hat. Wir lernen daraus, dass es ein Fehler ist, sich an eine Partei zu binden. Und ein besonderer Fehler, sich an CDU und CSU zu binden.

Also raten Sie für 2017: Finger weg von Merkel?

In die FDP sind in den letzten Jahren viele eingetreten - aber sicher keiner, weil er eine vierte Merkel-Amtszeit will. Die FDP darf nur dann eine Koalitionsaussage zugunsten der Union machen, wenn ein klarer Politikwechsel damit verbunden ist.

Raten Sie Ihrer Partei, Christian Lindner 2017 zum liberalen Kanzlerkandidaten auszurufen?

Ich glaube, Demut tut der FDP ganz gut. Dass wir 2017 nicht den Bundeskanzler stellen werden, ist offenkundig.

Für differenzierte Lösungen statt Stimmungsmache gegen Ausländer

Union und SPD haben Ihren Kurs in der Asyldebatte verschärft. Wann sind Sie soweit?

Da können Sie lange warten. Ich halte gar nichts von einem Rückfall in Wortwahl der 90er-Jahre. Die Fragen, die sich da stellen, sind unfassbar schwer zu lösen, nicht mit pauschalen Antworten. Wir haben einerseits eine Diskussion über Einwanderung, die sich in erster Linie an unserer wirtschaftlichen Notwendigkeit orientiert. Wir lügen uns in die Tasche, wenn wir so tun, als bräuchten wir keine qualifizierte Einwanderung. Und andererseits die Frage, wer Asyl bekommt. Dass jemand wie Horst Seehofer diese beiden Themen ohne Not in einen Topf wirft, halte ich für unverantwortlich.

Er greift die Stimmung in der Bevölkerung auf.

Er setzt bewusst auf die Stimmung: weniger Ausländer! Das finde ich fahrlässig. Politiker haben die Verantwortung, auf Stimmungen mit Augenmaß zu reagieren.

Teilen Sie das Ziel, Flüchtlinge vom Balkan schneller abzuweisen?

Wir halten das Grundrecht auf Asyl hoch und müssen jeden Einzelfall prüfen. Wenn wir bei Syrern Anerkennungsquoten von fast 100 Prozent haben und beim Balkan im niedrigen einstelligen Bereich, kann man pragmatisch nicht anders reagieren, als Staaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären. Ich wünsche mir andererseits aber auch eine Öffnung in den Asylverfahren. Wer in einem laufenden Verfahren ist, soll bereits die Chance haben, sich auf offene Stellen in Deutschland zu bewerben.

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