04.12.2013FDPLiberalismus

ZASTROW-Interview für die „Freie Presse“

Berlin. Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Holger Zastrow gab der „Freien Presse“ (Mittwoch-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte TINO MORITZ:

Frage: Die FDP ist in ihrer größten Krise, braucht jede Stütze – und Sie ziehen sich aus der Parteispitze zurück. Warum?

ZASTROW: Meine Heimat ist nun einmal Sachsen. Vor 14 Jahren haben wir hier im Land das Comeback unserer FDP eingeleitet. Unser Superwahljahr 2014 hat durch das Scheitern bei der Bundestagswahl die denkbar schlechtesten Ausgangsbedingungen. Deshalb muss ich mich zu 100 Prozent auf Sachsen konzentrieren, damit wir nicht in den Strudel hereingezogen werden und der bisher so erfolgreiche sächsische Weg der FDP auch nach 2014 weitergeht.

Frage: Hätte Ihre Medienpräsenz als Bundesvize nicht im FDP-Landtagswahlkampf helfen können?

ZASTROW: Das ist zwar alles schön und gut, letztendlich aber nur Beiwerk. In der jetzigen Situation der FDP muss man sich auf seine Wurzeln besinnen und auf das Wesentliche konzentrieren, zumal ich im Gegensatz zu anderen auch kein Berufspolitiker bin.

Frage: Was wird parteiintern überwiegen: Die Enttäuschung über den Rückzug oder die Erleichterung?

ZASTROW: Das weiß ich nicht. Es wird beides geben, weil ich halt polarisiere, Ideale und Überzeugungen habe. Als Bundesvize habe ich für einen anderen Kurs gekämpft. Ich trage aber auch ein Stück Mitverantwortung, weil ich mich nicht durchgesetzt habe. Mich irritiert allerdings, dass einige, die etwa für das Irrlichtern in der Steuerpolitik oder die Zustimmung zur Energiewende verantwortlich waren, wieder antreten wollen. Da hätte ich mir eine Portion Demut und Selbstreflexion gewünscht.

Frage: Inwieweit sind inhaltliche Differenzen mit dem designierten FDP-Chef Christian Lindner für Ihren Rückzug verantwortlich?

ZASTROW: Christian Lindner wird meine volle Unterstützung haben. Als neuer Vorsitzender muss er die Chance bekommen, die Partei nach seinem eigenen Bild zu formen. Aber Liberale rennen nie einer Person hinterher und sind auch keine Einheitspartei. Ich finde Unterschiede richtig cool. Es muss nicht alles gleich sein. Wir sind in der FDP alles freiheitsliebende Menschen. Die Vielfalt zuzulassen, das ist unsere Stärke.

Frage: Aber falls sie 2014 mit einem ganz anderen Kurs erfolgreich sein sollten: Wieso soll das der Bundes-FDP helfen?

ZASTROW: Entscheidend wird das Wahlergebnis sein. Das ist ein bisschen so wie im Fußball: Wie das Ergebnis zustande kommt, interessiert am Ende nicht mehr. Hauptsache, man hat den Pokal gewonnen. Wir haben hier den Ehrgeiz zu beweisen, dass die FDP wieder Wahlen gewinnen kann. Und: Wir sind das letzte schwarz-gelbe Bündnis deutschlandweit und wollen zeigen, dass konservativ-liberale Koalitionen eine Zukunft haben.

Frage: Durch die Koalitionsverhandlungen in Berlin sind die Spitzen von CDU und SPD in Sachsen wieder vermehrt miteinander im Gespräch. Macht Sie das nervös?

ZASTROW: Nein. Zum ersten: Die CDU ist eine große Volkspartei, die mit nahezu jedem spricht. Das muss so sein, das ist in Ordnung, das würde ich genauso machen. Zum zweiten: Sollen sie mal. Die CDU ist eine andere Partei, wenn sie mit der SPD regiert. Die Sachsen können selbst entscheiden, was besser für sie ist: das Berliner Modell mit zwei praktisch sozialdemokratischen Parteien oder unser bürgerliches sächsisches Bündnis.

Frage: Ihre Kritik am Koalitionsvertrag von Union und SPD im Bund als „unfassbare Katastrophe“ nannte Sachsens CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer peinlich. Haben Sie vielleicht wirklich überzogen?

ZASTROW: Nein, wieso? Natürlich gibt es am Koalitionsvertrag auch positive Dinge. Aber viele Entscheidungen sind für Sachsen wirklich eine Katastrophe, vor allem, was die wirtschaftliche Entwicklung betrifft. Dazu gehört der rigide Mindestlohn, der vor allem in ländlichen Räumen und strukturschwachen Regionen Arbeitsplätze kosten wird. Die Frage ist doch, ob eine Politik wirklich sozialer ist, wenn sie dafür sorgt, dass durch staatlich festgelegte Mindestlöhne Jobs vernichtet werden. Und dass dieses riesige Bündnis aus Union und SPD trotz Rekordsteuereinnahmen nicht einmal ein bisschen mehr Steuergerechtigkeit schafft, indem es die kalte Progression abmildert, finde ich wiederum peinlich. Warum der Staat bei einer Gehaltserhöhung weiter die Hand aufhält, soll Michael Kretschmer mal den Berufstätigen erklären. Und ebenso, warum sie jetzt auch noch die teuren Wahlgeschenke für die Renten bezahlen müssen, obwohl ihre eigenen Renten längst nicht mehr sicher sind.

 

 

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