16.05.2014FDPFDP

WISSING-Interview für die „Allgemeine Zeitung“

Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied DR. VOLKER WISSING gab der „Allgemeinen Zeitung“ (Freitag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte REINHARD BREIDENBACH:

Frage: Herr Wissing, bei der Europawahl braucht die FDP keine Prozenthürde zu fürchten, da müsste die Stimmung in der Partei doch gut sein?

WISSING: Sie ist generell gut, wir haben eine Aufbruchstimmung, ein „jetzt-erst-recht“- Gefühl. Die Europawahl ist eine enorme Chance, die werden wir nutzen. Aber die Wahl scheint für die Bürger nicht so attraktiv zu sein, die Themen auch nicht. Es gibt hoch brisante Themen. Wir haben eine dramatische Situation in der Ukraine, und wir haben nach wie vor die Euro-Schuldenkrise. Die FDP sagt zu Europa: Ja, weil...., und nicht: Ja, aber. Schauen Sie im Gegensatz dazu nur mal auf das, was Herr Henkel von der AfD noch vor wenigen Monaten gefordert hat: eine Aufspaltung in einen Nord und einen Süd-Euro. Das hätte zum Beispiel auch Deutschland und Frankreich entzweit. Und das angesichts der Ukraine-Krise. Aberwitzig. Parolen wie „Mut zu Deutschland“ sind eine Verzerrung der Realität, es muss heißen: Mut zu Europa. Die Bürger müssen jetzt genau betrachten, was die Parteien tun, auch, weil die Landtagswahlen 2016, unter anderem in Rheinland-Pfalz, und die Bundestagswahl 2017 schneller kommen als manche glauben.

Frage: Die Große Koalition in Berlin...

WISSING: ...betreibt vor allem eine völlig verfehlte Sozialpolitik, etwa mit dem Modell Rente mit 63. Die Zeche dafür wird allerdings erst mit Verzögerung präsentiert. Wer die Rente mit 63 gut findet, den frage ich: Was glauben Sie, werden Ihre Enkel einmal dazu sagen, die das bezahlen müssen? Was ich in Berlin sehe, sind Steuererhöhungen, den Bruch der Rentenformel, eine Verschärfung der Probleme, die durch den demografischen Wandel entstehen. Und dass die Union oft argumentiert: „Wir halten den Schaden ja noch klein“, ich finde das erbärmlich. Die FDP in Rheinland-Pfalz würde jedenfalls 2016 nie mit einer Partei koalieren, deren Maßstab sich darauf beschränkt, den Schaden möglichst klein zu halten.

Frage: Um 2016 in Mainz mit jemandem zu koalieren, müssten Sie allerdings zuerst in den Landtag kommen.

WISSING: Es gibt Leute, die sagen uns: Es ist keine Frage, ob ihr reinkommt, sondern nur, ob ihr in die Regierung kommt. Wir arbeiten und sind sehr zuversichtlich. Aber ich bin kein Hellseher. Ich will aber mal daran erinnern, dass die Regierungsbilanz der FDP in Rheinland-Pfalz äußerst erfolgreich war, mit enormen Modernisierungen, aber ohne jeden Skandal. Manche Projekte der Nachfolgeregierungen sind heute Fälle für den Staatsanwalt. Siehe Nürburgring.

Frage: FDP-Schwerpunkte für die Landtagswahl 2016?

WISSING: Kurz gesagt: eine arbeitnehmerfreundliche Politik. Die Arbeitnehmer müssen derzeit nämlich so ziemlich alles bezahlen, was die Regierungspolitik anrichtet. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Bildung: keine Strukturdebatten, sondern Chancengerechtigkeit für alle. Die frühkindliche Bildung muss massiv ausgebaut werden, da fehlt es an Personal und Ausstattung. Die Hochschulen brauchen bessere Förderung. Und auf unsinnige Projekte würden wir natürlich verzichten.

Frage: Zählt dazu auch der Hahn?

WISSING: Wenn ein Bundesland sagt: „Wir wollen einen Flughafen“, ist das grundsätzlich begrüßenswert. Aber dann braucht man ein Konzept. Der Hahn funktioniert deshalb nicht, weil tragende Teile der Landesregierung ihn aus ideologischen Gründen nicht wollen. Solange die Grünen mitregieren, hat der Hahn keine Chance. Die amtierende grüne Wirtschaftsministerin Lemke will den Flughafen Hahn nicht. Das wissen natürlich auch potenzielle Investoren. Ideologische Politik ist immer schlecht, das sieht man auch bei Forschung und Entwicklung. Frau Lemke freut sich über das faktische Ende der Biotechnologieforschung in Rheinland-Pfalz, aber die Menschen werden dafür teuer bezahlen. Allerdings haben auch viele in der CDU Probleme bei diesem Thema, weil die Risiken einseitig dämonisiert werden.

Frage: Mit wem würden Sie denn nun am liebsten in Rheinland-Pfalz regieren, wenn Sie es sich aussuchen könnten?

WISSING: Die Frage macht jetzt keinen Sinn. Anders als vor der Bundestagswahl 2013 kann die FDP mit Blick auf die Rheinland-Pfalz-Wahl 2016 aber keineswegs sagen, dass für sie nur eine Koalition mit der CDU vorstellbar wäre. Zumal sich die CDU in Rheinland-Pfalz offenbar eine Koalition mit den Grünen vorstellen kann. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: In der Großen Koalition sagt die Union, sie werde von der SPD bei Entscheidungen nach links gezogen. Wohin wird die CDU dann erst von den Grünen gezogen? In Hessen wird man das vielleicht bald sehen. Ich bin da sehr gespannt.

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