FDPBürgerschaftswahl 2015Wir wollen nicht unbedingt mit der SPD koalieren
Wolfgang Kubicki will sich der SPD nicht anbiedern16.02.2015FDP-Vize Wolfgang Kubicki glaubt nicht, dass es in Hamburg zu Koalitionsgesprächen mit der SPD kommen wird. Im Interview mit dem "Deutschlandfunk" stellt er klar: "Wir wollen nicht unbedingt mit der SPD koalieren, sondern wir wollen uns der Frage zuwenden, was ist wichtig für Hamburg." Die FDP biete und biedere sich nicht der SPD an, sagte Kubicki. Die Liberalen hätten erklärt, sie stünden für Gespräche zur Verfügung, falls eine rot-grünen Koalition nicht zusammen käme.
Im Gespräch mit dem Deutschlandfunk stellte er zudem fest, es sei den Liberalen gelungen, überzeugende Lösungsvorschläge für die Probleme Hamburgs anzubieten. FDP-Spitzenkandidatin Katja Suding habe im Wahlkampf viel Aufmerksamkeit erregt. Diese sei in Interesse umgeschlagen, welche Lösungen die Partei für die Stadt zu bieten habe. Kubicki sagte, er habe festgestellt, dass der Zulauf zur FDP dramatisch zugenommen habe, ebenso die öffentlichen Bekenntnisse zur Partei. Die Häme sei weg, das Interesse da, daraus könne man Zustimmung machen.
Soziale Marktwirtschaft und die innere Liberalität
Frage: Wie lange haben Sie gestern gefeiert, Herr Kubicki?
KUBICKI: Bis zwei Uhr heute Morgen, und es war nach langer Zeit der Entbehrung wieder auch einmal ein freudiges Ereignis, das uns Gelegenheit gegeben hat, auch zu feiern.
Frage: Glückwunsch dazu. Aber wie kam es dazu? Drei Engel für Lindner in der „Gala“, eine Wutrede des Parteivorsitzenden, ein Kameraschwenk über die beachtlichen Beine der FDP-Spitzenkandidatin in Hamburg, Katja Suding. Verdankt die FDP ihren Erfolg in Hamburg wieder mal einem Spaßwahlkampf?
KUBICKI: Ich glaube, wir würden die Wählerinnen und Wähler unterschätzen, wenn wir davon ausgehen, dass sie nur auf Äußerlichkeiten achten und einen Spaßwahlkampf honoriert haben. Die Nachwahlbefragungen der Institute haben ja ergeben, dass die Menschen erklärt haben, sie haben überwiegend die FDP gewählt, weil sie eine Partei brauchen und für notwendig erachten, die sich für die soziale Marktwirtschaft einsetzt und die innere Liberalität unserer Gesellschaft garantiert. Und das findet man bei der FDP. Selbstverständlich hat Katja Suding, haben wir mit dem Wahlkampf Aufmerksamkeit erregt, aber diese Aufmerksamkeit ist in Interesse umgeschlagen und hat dazu geführt, dass die Menschen gefragt haben, welche Lösungsvorschläge für Probleme der Stadt bietet die FDP an. Und dafür haben wir eine Menge Menschen überzeugt, mehr als vor vier Jahren, etwas, das vor acht Wochen uns definitiv niemand zugetraut hat.
Jetzt geht es ans Tagewerk
Frage: Olaf Scholz hält die FDP für unseriös und möchte deshalb nicht mit ihr koalieren.
KUBICKI: Na ja, das war im Wahlkampf, das Wahlkampfgetöse, um die eigenen Menschen zu mobilisieren, um für eine eigene absolute Mehrheit zu kämpfen. Dieses Wahlziel hat er ja nicht erreicht. Jetzt geht es ans Tageswerk, und wenn Sie sich anschauen, anhören, was die Vertreter der Wirtschaft sagen oder Unternehmensverbände, die warnen Olaf Scholz davor, eine rot-grüne Koalition in Hamburg zu begründen, weil es der Stadt schaden würde, und fordern ihn auf, doch mit den Liberalen zu reden. Wir warten mal in Ruhe und Gelassenheit ab, was jetzt passiert. Der Rauch des Wahlkampfes wird verziehen, und dann wird man schauen müssen, was ist gut für Hamburg.
Frage: Sie stehen so ein bisschen an für mögliche Gespräche mit Olaf Scholz. Dabei beklagt Ihr Parteivorsitzender Christian Lindner ja bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Sozialdemokratisierung der Republik. Warum wollen Sie ausgerechnet mit der SPD koalieren? Das passt doch gar nicht zusammen.
KUBICKI: Wir wollen nicht unbedingt mit der SPD koalieren, sondern wir wollen uns der Frage zuwenden, was ist wichtig für Hamburg. Und wenn Sie sich die Hamburger SPD anschauen, dann unterscheidet die sich von dem, was in Berlin passiert, fundamental. Olaf Scholz gilt als Vertreter von Wirtschaftskompetenz in Hamburg. Er hat den höchsten Kompetenzwert, was für die Sozialdemokraten sonst eher ungewöhnlich ist. Er setzt sich ein für die Elbvertiefung beispielsweise, für die Hafenquerspange, für eine bessere Infrastruktur in der Stadt. Er ist gegen Klimazonen in der Stadt, gegen eine City-Maut, was Grüne und andere wollen. Also, er hat einen etwas anderen Kurs, und er bezeichnet sich selbst ja als den Sozialliberalen in der SPD. Da sollte er diesen Worten doch auch Taten folgen lassen.
Grüne werden ihre Prinzipien über Bord werfen
CDU muss aufpassen
Frage: Eigentlich also eine liberale Koalition in Hamburg.
KUBICKI: Die Zeiten, in denen SPD und FDP in Hamburg koaliert haben, waren nicht die schlechtesten Zeiten für Hamburg, das gestehen auch Sozialdemokraten zu. Aber noch einmal: Wir sind momentan nicht am Zug, wir biedern uns nicht an. Wir bieten uns nicht an. Wir haben nur erklärt: Wenn es denn mit den Grünen nicht klappt, und im Interesse von Hamburg wäre zu wünschen, dass es mit ihnen nicht klappt, dann würden wir für Gespräche zur Verfügung stehen.
Frage: Christian Lindner hat ja vor der Wahl gesagt, wenn die FDP in der Hamburger Bürgerschaft bleibt, dann sei das ein Signal ans Kanzleramt, dass nämlich viele Bürger die Sozialdemokratisierung der Bundespolitik kritisch sehen. War das schon der liberale Heiratsantrag an die CDU im Bund, Herr Kubicki?
KUBICKI: Das glaube ich nicht. Das müssten Sie Christian Lindner fragen.
KUBICKI: Ich vermute, dass er gemeint hat, dass die CDU aufpassen muss, dass sie nicht ihre Wählerbasis verliert. 16 Prozent oder 15,9 Prozent in Hamburg ist doch dramatisch. In einer Stadt, die mal von der Union regiert wurde, ist es doch wirklich dramatisch und ist es ein Zeichen dafür, dass viele Wählerinnen und Wähler mit dem Kurs der CDU auf Bundesebene nicht einverstanden sind. Das ist das Signal eigentlich, nicht der Wahlerfolg der FDP. Der ist sehr schön, über den freuen wir uns, über den kann sich die Union auch freuen. Aber die Tatsache, dass die CDU in Hamburg weniger als 16 Prozent erhalten hat, das ist das Signal. Die Wählerinnen und Wähler goutieren den Kurs nicht, der in Berlin gefahren wird, obwohl sie Angela Merkel, wie ich persönlich übrigens auch, wegen ihrer außenpolitischen Kompetenz hoch schätze.
Wir würden uns nie wieder so klein machen
Frage: Wenn wir ganz weit vorausschauen auf die nächste Bundestagswahl, nehmen wir mal an, das läuft gut für die FDP bis dahin, und Sie sind wieder im Bundestag – würde Ihre Partei sich wirklich noch mal eine Koalition mit der Merkel-CDU zumuten nach den Erfahrungen vom letzten Mal?
KUBICKI: Die Frage kann ich deshalb nicht beantworten, weil 2017 wirklich sehr weit weg ist und es nicht nur darauf ankommt, ist es eine Merkel-CDU, sondern was sind die politischen Inhalte? Wie stellen wir Deutschland auf im Konzert der Großen, wie können wir den Wettbewerb weltweit bestehen, wie können, wir, wie gesagt, unsere innere Liberalität bewahren; wie können wir verhindern, dass der Staat immer mehr schnüffelt in die Privatsphäre der Menschen hinein und eher dazu beiträgt, die Privatsphäre zu schützen, beispielsweise indem er Einbruchdiebstähle aufgeklärt und ausreichend Polizei, ausreichend Polizeibeamte organisiert. Das sind Fragen, die dann gestellt werden müssen. Aber ich kann Ihnen sicher sagen, dass Persönlichkeiten wie Christian Lindner, Katja Suding oder auch ich anders agieren, würden in einer Koalition mit wem auch immer, als das in der Vergangenheit geschehen ist.
Frage: Nämlich wie? Was würden Sie ändern?
KUBICKI: Wir würden uns nie wieder so klein machen, dass wir glauben, aus Koalitionsgründen unsere eigenen Prinzipien vernachlässigen zu müssen.
Die SPD in Bremen muss man in Rente schicken
Frage: Dann schauen wir mal nicht auf 2017, sondern in eine Zeit, die kurz bevorsteht, in den Mai zum Beispiel, da wird in Bremen gewählt. Schafft es die FDP da auch wieder in die Bürgerschaft, wo sie ja zuletzt nicht vertreten war?
KUBICKI: Selbstverständlich. Wir haben in Bremen auch eine herausragend gute Kandidatin als Spitzenkandidatin, Lencke Steiner, und wir haben eine unglaubliche Motivationslage, nicht nur in Bremen, sondern drumherum. Wir werden den Wahlkampfmodus nicht abschalten, sondern übergehen in den Wahlkampf in Bremen. Das beginnt ab heute und wird sich am 10. Mai mit einem wirklich, wie ich finde, guten Ergebnis für die FDP in Bremen und auch für Bremen insgesamt wiederfinden.
Frage: Herr Kubicki, wird dabei helfen, dass Lencke Steiner, ihre Spitzenkandidatin in Bremen, ungefähr so lange Beine hat wie Katja Suding?
KUBICKI: Dabei muss ich nicht helfen, das hat sie ja schon.
Frage: Ja, eben. Hilft das?
KUBICKI: Nein, aber Lencke Steiner ist auch eine charmante, aber sehr kompetente Frau, die ja auch Bundesvorsitzende der Jungen Unternehmer ist, die auch bewiesen hat schon in ihrem Leben, dass sie im wahrsten Wortsinn ihren Mann oder ihre Frau stehen kann. Sie ist frisch, und das ist das, was Bremen braucht. 69 Jahre SPD-Regierung – man muss sie dort, glaube ich, in die Rente schicken.
Die AfD ist keine Konkurrenz für uns
Frage: Hamburg hat 1,3 Millionen Wähler, davon sind ungefähr 50 Prozent zur Wahl gegangen, knapp drüber. Woher nehmen Sie eigentlich den Glauben, dass so wenige Wähler tatsächlich einen nachhaltigen Trend, eine Trendwende begründen.
KUBICKI: Also, zunächst einmal betrübt mich das, dass nur so wenige Menschen zur Wahl gegangen sind, und ich glaube, es hat was damit zu tun, dass im Vorwege immer schon öffentlich erklärt wird, die Sache sei gelaufen, Scholz werde auf jeden Fall gewinnen. Es ist keine Spannung mehr da, und wenn keine Spannung mehr da ist, haben die Leute das Gefühl, sie müssten auch nicht zur Wahl gehen. Das müssen wir vielleicht versuchen, insgesamt als politische Klasse zu ändern, denn uns muss daran gelegen sein, dass in einer Demokratie möglichst viele Menschen ihrer Meinung am Wahltag Ausdruck verleihen. Ich kann aber feststellen, dass bei den ganzen Veranstaltungen, die wir hatten – ich war ja sehr viel in Hamburg und bin auch sonst bundesweit unterwegs –, der Zulauf zur FDP dramatisch zugenommen hat. Die Veranstaltungen sind überfüllt, wir haben mehr Neueintritte als versterbende Parteifreunde und Austritte. Wir haben wieder öffentliche Bekenntnisse zur FDP, etwas, was es ja vor einem Jahr überhaupt nicht gegeben hat. Und ich stelle fest, die Häme ist weg, das Interesse ist da, und aus Interesse kann man auch Zustimmung machen.
Frage: Und Sie haben, jedenfalls, was die Größe angeht, was die Parteigröße angeht und die Wählerstimmen, einen neuen Konkurrenten, nämlich die AfD.
KUBICKI: Die AfD ist keine Konkurrenz für uns, sie ist eher eine Konkurrenz für die Union, weil alle führenden Repräsentanten ja erklären, sie seien keine Liberalen. Man ist auch kein Liberaler, wenn man homophob ist, wenn man ausländerfeindlich oder -kritisch ist und wenn man versucht, Europa zu spalten. Das ist alles andere als liberal. Wir stellen fest, dass gerade in Deutschlands Osten bei der AfD die innere Liberalität zu Schaden kommt, und deshalb ist es ein Konkurrent zu uns, aber keiner, der im gleichen Wählermarkt operiert. Die AfD ist eine Organisation, die wir bekämpfen mit allem, was wir haben.
Ich vertraue eher mir selbst
Frage: Herr Kubicki, aber so ganz stimmt das nicht. Es haben ja auch viele FDP-Wähler, ehemalige FDP-Wähler in Hamburg, diesmal die AfD gewählt.
KUBICKI: Das kann ich mir deshalb nicht vorstellen, weil wir ja mehr Wählerinnen und Wähler hatten als beim letzten Mal, auch absolut.
Frage: Sagen die Demoskopen.
KUBICKI: Ja, das Schöne an den Demoskopen ist, dass die uns vor acht Wochen noch erklärt haben, wir hätten keine Chance, in die Hamburger Bürgerschaft einzuziehen, und jetzt haben wir etwas mehr als sieben Prozent. Ich vertraue eher mir selbst, meinem Instinkt, meinen Gesprächen, die ich mit Menschen führe, als Demoskopen oder Politikwissenschaftlern, die ja meist in der Nachanalyse sind. Aber deren Vorhersagen haben sich in der Vergangenheit schon häufiger als nicht zutreffend erwiesen. Ich kann nur feststellen, dass im Wählermarkt jedenfalls, bei der Überlappung von Wählerinnen und Wählern, die AfD eine viel stärkere Konkurrenz zur Union ist als zu uns. Übrigens, in Deutschlands Osten wesentlich mehr Stimmen von den Linken bekommt. 40 Prozent der Wählerinnen und Wähler der AfD in Deutschlands Osten kommen von den Linken.
Wir wollen nicht unbedingt mit der SPD koalieren
Wolfgang Kubicki will sich der SPD nicht anbiedernFDP-Vize Wolfgang Kubicki glaubt nicht, dass es in Hamburg zu Koalitionsgesprächen mit der SPD kommen wird. Im Interview mit dem "Deutschlandfunk" stellt er klar: "Wir wollen nicht unbedingt mit der SPD koalieren, sondern wir wollen uns der Frage zuwenden, was ist wichtig für Hamburg." Die FDP biete und biedere sich nicht der SPD an, sagte Kubicki. Die Liberalen hätten erklärt, sie stünden für Gespräche zur Verfügung, falls eine rot-grünen Koalition nicht zusammen käme.
Im Gespräch mit dem Deutschlandfunk stellte er zudem fest, es sei den Liberalen gelungen, überzeugende Lösungsvorschläge für die Probleme Hamburgs anzubieten. FDP-Spitzenkandidatin Katja Suding habe im Wahlkampf viel Aufmerksamkeit erregt. Diese sei in Interesse umgeschlagen, welche Lösungen die Partei für die Stadt zu bieten habe. Kubicki sagte, er habe festgestellt, dass der Zulauf zur FDP dramatisch zugenommen habe, ebenso die öffentlichen Bekenntnisse zur Partei. Die Häme sei weg, das Interesse da, daraus könne man Zustimmung machen.
Soziale Marktwirtschaft und die innere Liberalität
Frage: Wie lange haben Sie gestern gefeiert, Herr Kubicki?
KUBICKI: Bis zwei Uhr heute Morgen, und es war nach langer Zeit der Entbehrung wieder auch einmal ein freudiges Ereignis, das uns Gelegenheit gegeben hat, auch zu feiern.
Frage: Glückwunsch dazu. Aber wie kam es dazu? Drei Engel für Lindner in der „Gala“, eine Wutrede des Parteivorsitzenden, ein Kameraschwenk über die beachtlichen Beine der FDP-Spitzenkandidatin in Hamburg, Katja Suding. Verdankt die FDP ihren Erfolg in Hamburg wieder mal einem Spaßwahlkampf?
KUBICKI: Ich glaube, wir würden die Wählerinnen und Wähler unterschätzen, wenn wir davon ausgehen, dass sie nur auf Äußerlichkeiten achten und einen Spaßwahlkampf honoriert haben. Die Nachwahlbefragungen der Institute haben ja ergeben, dass die Menschen erklärt haben, sie haben überwiegend die FDP gewählt, weil sie eine Partei brauchen und für notwendig erachten, die sich für die soziale Marktwirtschaft einsetzt und die innere Liberalität unserer Gesellschaft garantiert. Und das findet man bei der FDP. Selbstverständlich hat Katja Suding, haben wir mit dem Wahlkampf Aufmerksamkeit erregt, aber diese Aufmerksamkeit ist in Interesse umgeschlagen und hat dazu geführt, dass die Menschen gefragt haben, welche Lösungsvorschläge für Probleme der Stadt bietet die FDP an. Und dafür haben wir eine Menge Menschen überzeugt, mehr als vor vier Jahren, etwas, das vor acht Wochen uns definitiv niemand zugetraut hat.
Jetzt geht es ans Tagewerk
Frage: Olaf Scholz hält die FDP für unseriös und möchte deshalb nicht mit ihr koalieren.
KUBICKI: Na ja, das war im Wahlkampf, das Wahlkampfgetöse, um die eigenen Menschen zu mobilisieren, um für eine eigene absolute Mehrheit zu kämpfen. Dieses Wahlziel hat er ja nicht erreicht. Jetzt geht es ans Tageswerk, und wenn Sie sich anschauen, anhören, was die Vertreter der Wirtschaft sagen oder Unternehmensverbände, die warnen Olaf Scholz davor, eine rot-grüne Koalition in Hamburg zu begründen, weil es der Stadt schaden würde, und fordern ihn auf, doch mit den Liberalen zu reden. Wir warten mal in Ruhe und Gelassenheit ab, was jetzt passiert. Der Rauch des Wahlkampfes wird verziehen, und dann wird man schauen müssen, was ist gut für Hamburg.
Frage: Sie stehen so ein bisschen an für mögliche Gespräche mit Olaf Scholz. Dabei beklagt Ihr Parteivorsitzender Christian Lindner ja bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Sozialdemokratisierung der Republik. Warum wollen Sie ausgerechnet mit der SPD koalieren? Das passt doch gar nicht zusammen.
KUBICKI: Wir wollen nicht unbedingt mit der SPD koalieren, sondern wir wollen uns der Frage zuwenden, was ist wichtig für Hamburg. Und wenn Sie sich die Hamburger SPD anschauen, dann unterscheidet die sich von dem, was in Berlin passiert, fundamental. Olaf Scholz gilt als Vertreter von Wirtschaftskompetenz in Hamburg. Er hat den höchsten Kompetenzwert, was für die Sozialdemokraten sonst eher ungewöhnlich ist. Er setzt sich ein für die Elbvertiefung beispielsweise, für die Hafenquerspange, für eine bessere Infrastruktur in der Stadt. Er ist gegen Klimazonen in der Stadt, gegen eine City-Maut, was Grüne und andere wollen. Also, er hat einen etwas anderen Kurs, und er bezeichnet sich selbst ja als den Sozialliberalen in der SPD. Da sollte er diesen Worten doch auch Taten folgen lassen.
Grüne werden ihre Prinzipien über Bord werfen
CDU muss aufpassen
Frage: Eigentlich also eine liberale Koalition in Hamburg.
KUBICKI: Die Zeiten, in denen SPD und FDP in Hamburg koaliert haben, waren nicht die schlechtesten Zeiten für Hamburg, das gestehen auch Sozialdemokraten zu. Aber noch einmal: Wir sind momentan nicht am Zug, wir biedern uns nicht an. Wir bieten uns nicht an. Wir haben nur erklärt: Wenn es denn mit den Grünen nicht klappt, und im Interesse von Hamburg wäre zu wünschen, dass es mit ihnen nicht klappt, dann würden wir für Gespräche zur Verfügung stehen.
Frage: Christian Lindner hat ja vor der Wahl gesagt, wenn die FDP in der Hamburger Bürgerschaft bleibt, dann sei das ein Signal ans Kanzleramt, dass nämlich viele Bürger die Sozialdemokratisierung der Bundespolitik kritisch sehen. War das schon der liberale Heiratsantrag an die CDU im Bund, Herr Kubicki?
KUBICKI: Das glaube ich nicht. Das müssten Sie Christian Lindner fragen.
KUBICKI: Ich vermute, dass er gemeint hat, dass die CDU aufpassen muss, dass sie nicht ihre Wählerbasis verliert. 16 Prozent oder 15,9 Prozent in Hamburg ist doch dramatisch. In einer Stadt, die mal von der Union regiert wurde, ist es doch wirklich dramatisch und ist es ein Zeichen dafür, dass viele Wählerinnen und Wähler mit dem Kurs der CDU auf Bundesebene nicht einverstanden sind. Das ist das Signal eigentlich, nicht der Wahlerfolg der FDP. Der ist sehr schön, über den freuen wir uns, über den kann sich die Union auch freuen. Aber die Tatsache, dass die CDU in Hamburg weniger als 16 Prozent erhalten hat, das ist das Signal. Die Wählerinnen und Wähler goutieren den Kurs nicht, der in Berlin gefahren wird, obwohl sie Angela Merkel, wie ich persönlich übrigens auch, wegen ihrer außenpolitischen Kompetenz hoch schätze.
Wir würden uns nie wieder so klein machen
Frage: Wenn wir ganz weit vorausschauen auf die nächste Bundestagswahl, nehmen wir mal an, das läuft gut für die FDP bis dahin, und Sie sind wieder im Bundestag – würde Ihre Partei sich wirklich noch mal eine Koalition mit der Merkel-CDU zumuten nach den Erfahrungen vom letzten Mal?
KUBICKI: Die Frage kann ich deshalb nicht beantworten, weil 2017 wirklich sehr weit weg ist und es nicht nur darauf ankommt, ist es eine Merkel-CDU, sondern was sind die politischen Inhalte? Wie stellen wir Deutschland auf im Konzert der Großen, wie können wir den Wettbewerb weltweit bestehen, wie können, wir, wie gesagt, unsere innere Liberalität bewahren; wie können wir verhindern, dass der Staat immer mehr schnüffelt in die Privatsphäre der Menschen hinein und eher dazu beiträgt, die Privatsphäre zu schützen, beispielsweise indem er Einbruchdiebstähle aufgeklärt und ausreichend Polizei, ausreichend Polizeibeamte organisiert. Das sind Fragen, die dann gestellt werden müssen. Aber ich kann Ihnen sicher sagen, dass Persönlichkeiten wie Christian Lindner, Katja Suding oder auch ich anders agieren, würden in einer Koalition mit wem auch immer, als das in der Vergangenheit geschehen ist.
Frage: Nämlich wie? Was würden Sie ändern?
KUBICKI: Wir würden uns nie wieder so klein machen, dass wir glauben, aus Koalitionsgründen unsere eigenen Prinzipien vernachlässigen zu müssen.
Die SPD in Bremen muss man in Rente schicken
Frage: Dann schauen wir mal nicht auf 2017, sondern in eine Zeit, die kurz bevorsteht, in den Mai zum Beispiel, da wird in Bremen gewählt. Schafft es die FDP da auch wieder in die Bürgerschaft, wo sie ja zuletzt nicht vertreten war?
KUBICKI: Selbstverständlich. Wir haben in Bremen auch eine herausragend gute Kandidatin als Spitzenkandidatin, Lencke Steiner, und wir haben eine unglaubliche Motivationslage, nicht nur in Bremen, sondern drumherum. Wir werden den Wahlkampfmodus nicht abschalten, sondern übergehen in den Wahlkampf in Bremen. Das beginnt ab heute und wird sich am 10. Mai mit einem wirklich, wie ich finde, guten Ergebnis für die FDP in Bremen und auch für Bremen insgesamt wiederfinden.
Frage: Herr Kubicki, wird dabei helfen, dass Lencke Steiner, ihre Spitzenkandidatin in Bremen, ungefähr so lange Beine hat wie Katja Suding?
KUBICKI: Dabei muss ich nicht helfen, das hat sie ja schon.
Frage: Ja, eben. Hilft das?
KUBICKI: Nein, aber Lencke Steiner ist auch eine charmante, aber sehr kompetente Frau, die ja auch Bundesvorsitzende der Jungen Unternehmer ist, die auch bewiesen hat schon in ihrem Leben, dass sie im wahrsten Wortsinn ihren Mann oder ihre Frau stehen kann. Sie ist frisch, und das ist das, was Bremen braucht. 69 Jahre SPD-Regierung – man muss sie dort, glaube ich, in die Rente schicken.
Die AfD ist keine Konkurrenz für uns
Frage: Hamburg hat 1,3 Millionen Wähler, davon sind ungefähr 50 Prozent zur Wahl gegangen, knapp drüber. Woher nehmen Sie eigentlich den Glauben, dass so wenige Wähler tatsächlich einen nachhaltigen Trend, eine Trendwende begründen.
KUBICKI: Also, zunächst einmal betrübt mich das, dass nur so wenige Menschen zur Wahl gegangen sind, und ich glaube, es hat was damit zu tun, dass im Vorwege immer schon öffentlich erklärt wird, die Sache sei gelaufen, Scholz werde auf jeden Fall gewinnen. Es ist keine Spannung mehr da, und wenn keine Spannung mehr da ist, haben die Leute das Gefühl, sie müssten auch nicht zur Wahl gehen. Das müssen wir vielleicht versuchen, insgesamt als politische Klasse zu ändern, denn uns muss daran gelegen sein, dass in einer Demokratie möglichst viele Menschen ihrer Meinung am Wahltag Ausdruck verleihen. Ich kann aber feststellen, dass bei den ganzen Veranstaltungen, die wir hatten – ich war ja sehr viel in Hamburg und bin auch sonst bundesweit unterwegs –, der Zulauf zur FDP dramatisch zugenommen hat. Die Veranstaltungen sind überfüllt, wir haben mehr Neueintritte als versterbende Parteifreunde und Austritte. Wir haben wieder öffentliche Bekenntnisse zur FDP, etwas, was es ja vor einem Jahr überhaupt nicht gegeben hat. Und ich stelle fest, die Häme ist weg, das Interesse ist da, und aus Interesse kann man auch Zustimmung machen.
Frage: Und Sie haben, jedenfalls, was die Größe angeht, was die Parteigröße angeht und die Wählerstimmen, einen neuen Konkurrenten, nämlich die AfD.
KUBICKI: Die AfD ist keine Konkurrenz für uns, sie ist eher eine Konkurrenz für die Union, weil alle führenden Repräsentanten ja erklären, sie seien keine Liberalen. Man ist auch kein Liberaler, wenn man homophob ist, wenn man ausländerfeindlich oder -kritisch ist und wenn man versucht, Europa zu spalten. Das ist alles andere als liberal. Wir stellen fest, dass gerade in Deutschlands Osten bei der AfD die innere Liberalität zu Schaden kommt, und deshalb ist es ein Konkurrent zu uns, aber keiner, der im gleichen Wählermarkt operiert. Die AfD ist eine Organisation, die wir bekämpfen mit allem, was wir haben.
Ich vertraue eher mir selbst
Frage: Herr Kubicki, aber so ganz stimmt das nicht. Es haben ja auch viele FDP-Wähler, ehemalige FDP-Wähler in Hamburg, diesmal die AfD gewählt.
KUBICKI: Das kann ich mir deshalb nicht vorstellen, weil wir ja mehr Wählerinnen und Wähler hatten als beim letzten Mal, auch absolut.
Frage: Sagen die Demoskopen.
KUBICKI: Ja, das Schöne an den Demoskopen ist, dass die uns vor acht Wochen noch erklärt haben, wir hätten keine Chance, in die Hamburger Bürgerschaft einzuziehen, und jetzt haben wir etwas mehr als sieben Prozent. Ich vertraue eher mir selbst, meinem Instinkt, meinen Gesprächen, die ich mit Menschen führe, als Demoskopen oder Politikwissenschaftlern, die ja meist in der Nachanalyse sind. Aber deren Vorhersagen haben sich in der Vergangenheit schon häufiger als nicht zutreffend erwiesen. Ich kann nur feststellen, dass im Wählermarkt jedenfalls, bei der Überlappung von Wählerinnen und Wählern, die AfD eine viel stärkere Konkurrenz zur Union ist als zu uns. Übrigens, in Deutschlands Osten wesentlich mehr Stimmen von den Linken bekommt. 40 Prozent der Wählerinnen und Wähler der AfD in Deutschlands Osten kommen von den Linken.