FDP100 Tage GroKo

Wir setzen auf echte Lösungen statt Theaterdonner

Christian Lindner Christian Lindner zieht Bilanz nach100 Tagen GroKo.
25.06.2018

Deutschland und Europa stehen vor massiven Herausforderungen. Aber auch nach 100 Tagen zeichnet sich die Große Koalition vor allem durch politischen Stillstand und internen Streit aus. Harte Zeiten für die Opposition: "Wir können keine großen Vorhaben kritisieren, denn es gibt keine", konstatierte FDP-Chef Christian Lindner. Vor der Bundespressekonferenz rügte er das Verhalten der Regierung und legte konkrete Handlungsvorschläge für eine überfällige Fortschrittsagenda vor. "Wir möchten, dass Deutschland Tempo aufnimmt", betonte er. Dafür müssten wesentliche große Fragen gemeinsam angepackt und geklärt werden.

Diese Legislaturperiode dürfe nicht am Ende zu vier verlorenen Jahren werden, mahnte Lindner. Statt sich ständig zu streiten, müssten die Regierungsparteien sich um die wirklich wichtigen Dinge kümmern. "Wir haben als Freie Demokraten ein Weiter-so der Großen Koalition erwartet, also vier ambitionslose Jahre." Gekommen sei bisher jedoch ein Schlimmer-so. Aus Sicht der Freien Demokraten der schlechteste Start einer Bundesregierung aller Zeiten. Wegen des bayerischen Landtagswahlkampfs streite die CSU "bis aufs Blut" mit der Schwesterpartei CDU.

Die "Schrillheit und Übererregtheit" der politischen Diskussion in Deutschland sieht Lindner insgesamt mit Bedenken. "Wir haben durchaus Kritik an der Bundeskanzlerin, was kein Geheimnis ist. Aber die Art und Weise, wie auch innerhalb ihrer eigenen Partei und Koalition persönlich über sie gesprochen wird und sie geradezu zu einer Hassfigur gemacht wird, das erschreckt uns sehr." Lindner prangerte den Ansatz an, über Jahre Merkels Entscheidungen mitzutragen und nun in der Endphase ihrer Kanzlerschaft nichts mehr davon wissen zu wollen. Ein offensichtliches Manöver, rügte er.

Klar ist: Deutschland steht mit Blick auf drohende Handelskriege, Wandel durch Migration und die Alterung der Gesellschaft sowie Digitalisierung vor großen Herausforderungen. Aber auf diese Fragen sowie auf das Problem europäischer Fliehkräfte habe die Bundesregierung bislang keine Antwort, "außer zu versuchen, mit Geld die Zustimmung der Menschen zu erkaufen", bemängelte Lindner. "Das ist zu wenig."

Migrationsgipfel einberufen

Insbesondere auf wichtigen Zukunftsfeldern wünsche sich die FDP mehr Tempo und mache auch konkrete Angebote. In der Flüchtlings- und Migrationspolitik müssten sich alle Regierungsparteien ihrer Verantwortung stellen. "Es ist nicht ausreichend, dass die CSU nur auf Theaterdonner setzt. Wir brauchen auf diesem Feld echte Lösungen", unterstrich Lindner.

Es gebe offene Fragen wie die Debatte über sichere Herkunftsländer, auch das Management der Migration in Gemeinden und Ländern sei immer noch unbefriedigend. Außerdem fehle der Bundesrepublik nach wie vor ein Einwanderungsrecht, das auch den Fachkräftenachzug nach Deutschland bürokratiearm mache. "Deshalb ist unser konkretes Angebot an die Regierung, einen Migrationsgipfel einzuberufen, in dem Bund, Länder, Gemeinden und alle staatstragenden Parteien einen neuen Einwanderungs- und Integrationskonsens erarbeiten." Umfassende Lösungen bei der Flüchtlingskrise seien auch deswegen wichtig, damit das Thema aus dem Zentrum der politischen Debatte rücken und andere Zukunftsfragen wie die Gestaltung der Digitalisierung bearbeitet könnten, gab Lindner zu bedenken.

Finanzielle Eigenverantwortung in Europa stärken

Auch die europäische Ebene sieht der FDP-Chef mit Sorge. "Die CSU nötigt Frau Merkel durch unverhältnismäßigen Zeitdruck dazu, falsche Zugeständnisse zu machen", hielt Lindner fest. Viele Fragen blieben offen, etwa was mit dem Investitionsbudget für die Eurozone gemeint sei, und ob damit Umverteilungsmaßnahmen in anderen Ländern gedeckt werden sollten. Die Kanzlerin sollte "doch erst einmal mit einem Paket aus Brüssel in den Deutschen Bundestag zurückkehren dürfen", verlangte Lindner. Wenn es vernünftige, nachvollziehbare Reformvorschläge gebe, die die finanzielle Eigenverantwortung in Europa stärken und nicht weiter schwächen würden, wären die Freien Demokraten bereit, diese auch mitzutragen.

Wir zeigen, dass es anders geht

In der kommenden Sitzungswoche werde die FDP-Bundestagsfraktion drei politische Initiativen ergreifen, "die zeigen, dass es auch anders ginge", erklärte Lindner. Dazu gehöre ein Antrag mit dem Schwerpunkt Bildung und Forschung, unter anderem mit Konzepten für eine Reform des Bildungsföderalismus, eine sozial gerechte Ausgestaltung der Digitalisierung der Bildung und eine Exzellenzinitiative für berufliche Bildung.

Außerdem werde die FDP-Fraktion einen Anlauf für ein Bürgerentlastungsgesetz starten, das unter anderem eine Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung um 0,5 Prozent, den Entfall des Solidaritätszuschlags ab dem Jahr 2020 und einen Freibetrag für die Grunderwerbsteuer umfasse.

"Und ein drittes Paket, das wir vorlegen werden, das ist ein Programm zur Beschleunigung der Digitalisierung in Deutschland." Hier gehe es um die Digitalisierung der Verwaltung und das notwendige Digitalministerium, die Vertiefung des digitalen Binnenmarkts in Europa und ein verbessertes, modernes Datenrecht. (ch)

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