20.05.2005FDP

WESTERWELLE-Interview für "Die Welt"

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende DR. GUIDO WESTERWELLE gab der Tageszeitung "Die Welt" (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte NIKOLAUS BLOME:
Frage: Herr Westerwelle, glauben Sie wirklich, daß es Neuwahlen gibt, wenn Rot-Grün die Landtagswahl in NRW verliert?
WESTERWELLE: Nach einer Abwahl von Rot-Grün in Düsseldorf muß man jederzeit mit einem Ende der Regierung auch in Berlin rechnen. Neuwahlen sind möglich, wenn auch nicht überaus wahrscheinlich. Ich verlasse mich nicht darauf, aber ich arbeite darauf hin - weil sich Deutschland keine Lähmung leisten kann.
Frage: Wie arbeiten Sie auf Neuwahlen hin?
WESTERWELLE: Indem wir das Versagen von Rot-Grün benennen, unsere besseren Konzepte erläutern und an alle Verantwortungsbewußten appellieren, den Weg für einen Neuanfang freizumachen. Dies kann der Bundeskanzler tun, indem er im Bundestag die Vertrauensfrage stellt.
Frage: Meinen Sie, der Kanzler würde verlieren?
WESTERWELLE: Das hängt davon ab, wie viele der SPD-Abgeordneten, die derzeit über einen Austritt nachdenken, dies tatsächlich wahrmachen. Die Sehnsucht nach der Opposition greift bei den Sozialdemokraten jedenfalls um sich.
Frage: Die Regierung beruft sich auf ihr Wählermandat bis 2006.
WESTERWELLE: Wie lange soll die rot-grüne Hängepartie noch dauern? Diese Regierung mußte die sinnvolle Senkung der Unternehmensteuern von der Tagesordnung des Bundestages herunternehmen, weil sie keine eigene Mehrheit dafür hatte. Wir brauchen einen neuen Anfang, deshalb sollte der Wähler gefragt werden. Nur er kann einen Neuanfang legitimieren.
Frage: Die Unionsspitze will keine Neuwahlen fordern, haben die keinen Mumm?
WESTERWELLE: Die Unionsparteien haben sich nach eigener Einschätzung und anders als die FDP inhaltlich und personell wohl noch nicht ausreichend auf einen Bundestagswahlkampf eingestellt. Ich rechne aber damit, daß CDU und CSU diese offenen Fragen zügig beantworten, auch um den Willen zu einem Machtwechsel deutlich zu machen.
Frage: Bislang sagte die Opposition: Sinnvolle Regierungsvorhaben unterstützen wir, Quatsch wird blockiert. Werden Sie nach einer NRW-Niederlage von Rot-Grün auf Blockade schalten?
WESTERWELLE: Solange diese Regierung im Amt ist, wird die FDP wie bisher zu konstruktiver Opposition bereit sein - zum Wohle des Landes. Ich habe die Blockade, mit der die Ministerpräsidenten Lafontaine und Schröder 1996/97 die Regierung Kohl-Kinkel lähmen wollten, damals nicht abgelehnt, um heute ähnliches gutzuheißen.
Frage: Aber Sie sagen doch, die Regierung muß so schnell wie möglich abgelöst werden?
WESTERWELLE: Richtig - durch das Volk, in Wahlen.
Frage: Die NRW-Wahl gilt manchen als kleine Bundestagswahl. Sehen auch Sie bundespolitische Motive an erster Stelle bei den Wählern?
WESTERWELLE: Es geht insgesamt um die Abwahl des rot-grünen Modells, im Land wie im Bund. In Nordrhein-Westfalen sind mehr als eine Million Menschen arbeitslos, mehr als die Stadt Köln Einwohner hat. In solchen Zeiten wollen die Menschen keine Regierung, die sich mit teuren Seminaren zu Ameisenhege und Bärlauch beschäftigt, sondern eine Politik, die der Arbeit Vorfahrt gibt. Der notwendige Strukturwandel in NRW ist nicht gemanagt worden, das rächt sich jetzt, vor allem im Ruhrgebiet.
Frage: Das klingt nach einem Übergewicht der Landespolitik bei der Wahlentscheidung.
WESTERWELLE: Natürlich ist das Ende des letzten rot-grünen Bündnisses in einem Bundesland auch die halbe Miete für einen Wechsel im Bund. Die Ablösung von Rot-Grün in Berlin ist für viele Wähler ein willkommenes Zusatzargument. Die Menschen haben von der Fortschritts- und Wirtschaftsfeindlichkeit die Nase voll.
Frage: Das zielt wohl besonders auf die Grünen. Warum steht die Partei in den allermeisten Umfragen in NRW immer noch besser da als Ihre Liberalen?
WESTERWELLE: Wir liegen jetzt gleichauf mit den Grünen?
Frage: ..na ja...
WESTERWELLE: Die Grünen kommen in Nordrhein-Westfalen in den Umfragen von 14 Prozent, die ihnen vor einem dreiviertel Jahr attestiert wurden. Wir steigen, die sind im freien Fall. Und im Bund liegen wir in dieser Woche zum ersten Mal seit der Bundestagswahl 2002 vor den Grünen.
Frage: Wenn NRW für Rot-Grün verloren geht, sitzen die Grünen in keiner Landesregierung mehr. Der FDP ging es einmal ähnlich. Haben Sie einen Tip für die Grünen?
WESTERWELLE: Hätte ich einen Tip, die Grünen wären die letzten, denen ich ihn geben würde.
Frage: Das klingt aber nicht nett.
WESTERWELLE: Die Grünen sind mit ihrer Politik entscheidend verantwortlich für die Arbeitslosigkeit in Deutschland. Man kann ein 80-Millionen-Land wie Deutschland nicht wettbewerbsfähig halten mit Projekten wie Dosenpfand und Windrädchen. Es sind Brot- und Butter-Themen gefragt. Es geht nicht mehr darum, wie ein automatisch wachsender Wohlstand ein bißchen anders verteilt werden soll. Wir müssen dafür sorgen, daß der Wohlstand überhaupt erst einmal wieder wächst und neue Jobs entstehen. Die Grünen sind wie das Echo einer vergangenen Zeit.

Social Media Button