16.09.2005FDP

WESTERWELLE-Interview für die "Rheinzeitung"

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende und Spitzenkandidat für die Bundestagswahlen 2005 DR. GUIDO WESTERWELLE gab der "Rheinzeitung" (Freitag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte JOACHIM TÜRK:

Frage: Reformen sind das zentrale Thema dieses Wahlkampfes. Welches sind die Wegmarken eines Reformweges bei der FDP?

WESTERWELLE: In Deutschland leben heute 1 Million Menschen mehr in Armut als 1998. Heute wachsen hier mehr als eine Million Kinder und Jugendliche in Armut auf. Sechs bis sieben Millionen Menschen sind in Deutschland arbeitslos. Rot-Grün macht arm. Wenn die Wirtschaft abschmiert, dann leiden nicht zuerst die Reichen, dann leiden zuerst die Ärmsten. Neue Arbeitsplätze brauchen Wirtschaftswachstum, und das gibt es nur mit einer Steuersenkungsreform, die mehr Kaufkraft und Investitionen möglich macht. Außerdem setzen wir auf Forschungsfreundlichkeit, damit neue Technologien und damit Arbeitsplätze in Deutschland entstehen, anstatt wie bislang von Rot-Grün ins Ausland vertrieben zu werden.

Frage: Welche FDP-Positionen werden Sie in schwarz-gelben Koalitionsverhandlungen mit der Union unbedingt verteidigen wollen?

WESTERWELLE: Die FDP wird in eine Bundesregierung nur dann eintreten, wenn eine echte Netto-Entlastung der Bürger und insbesondere der Familien erfolgt. Wir werden im Falle eines Wahlsieges gleichermaßen klug und entschlossen verhandeln, ausdrücklich auch in der Frage der Mehrwertsteuererhöhung, die wir verhindern wollen. Wir wollen vom Stil und vom Ergebnis her ähnlich gute Koalitionsverhandlungen wie bei der schwarz-gelben Regierungsbildung in Nordrhein-Westfalen, bei denen viele hinterher erstaunt waren, wieviel wir Liberale durchsetzen konnten.

Frage: Die FDP steht für weniger Staat, weniger Umverteilung und mehr Selbständigkeit der Bürger und Unternehmen - welche konkreten Schritte wollen Sie unternehmen?

WESTERWELLE: Die Menschen in Deutschland haben das Gefühl, daß der Staat, wo sie ihn wirklich bräuchten, zu wenig für sie tut. Und wo er ihnen dann tatsächlich begegnet, da macht er ihnen mit Bürokratie das Leben schwer. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Aus den Genehmigungsverfahren müssen Anmeldeverfahren werden. Erteilt eine Behörde einem Antrag innerhalb einer gewissen Frist keinen Bescheid, gilt der Antrag als genehmigt. Und: Wirtschaftlenkende Gesetze brauchen ein Verfallsdatum, damit künftig die Verlängerung einer Regelung von einer Mehrheit im Parlament begründet werden muß und nicht die Abschaffung.

Frage: Ihre Partei wirbt für niedrigere Steuern - sind Sie näher an Paul Kirchhof als die CDU?

WESTERWELLE: Am nächsten steht uns Liberalen unser eigener Finanzexperte Hermann-Otto Solms. Er hat eine komplette Steuersenkungsreform mit niedrigeren, einfacheren und gerechten Steuersätzen vorgelegt, die Mut macht für neue Investitionen und privaten Konsum. Nach unserem Modell muß eine Familie mit zwei Kindern erst ab 38.600 Euro überhaupt Steuern zahlen. Und wir haben für jedermann auf unseren Internetseiten nachprüfbar vorgerechnet, wie wir eine Entlastung der Steuerzahler um 17 bis 19 Milliarden Euro solide gegenfinanzieren können.

Frage: Die Menschen stöhnen über hohe Energiekosten. Was kann die Politik dagegen unternehmen? Gehört der Wieder-Einstieg in die Atomenergie dazu?

WESTERWELLE: Ich kenne kein Energieunternehmen, das vorhätte, in Deutschland ein neues Atomkraftwerk zu bauen. Worum es geht, ist die deutsche Sicherheitstechnik für Kernkraftwerke, die wir nicht leichtfertig aufgeben wollen, denn es ist doch besser, die im Ausland bestehenden Kernkraftwerke werden von uns Deutschen mit unserer Technik sicherer gemacht, als daß wir zusehen müssen, wie über weltweite Sicherheitsstandards in der Atomtechnik ohne unsere Beteiligung entschieden wird. Und was die Energiepreise angeht: Deutschland hat in Europa die zweithöchsten Energiekosten, 40 Prozent der Strompreise sind vom Staat gemacht ? das hat Rot-Grün zu einem großen Teil verschuldet, da muß sich etwas tun. Wir brauchen einen vernünftigen Energiemix statt teurer Öko-Ideologien.

Frage: Sagen Sie uns ganz kompakt: Warum sollen die Menschen am Sonntag FDP wählen?

WESTERWELLE: Wir kämpfen für einen neuen Anfang durch Schwarz-Gelb. Wer Schwarz-Gelb will, muß mit der Zweitstimme FDP wählen, und wer von einer Großen Koalition träumt, kann am Ende mit einer Linksregierung aus SPD, Grünen und der Lafontaine-PDS aufwachen, denn wenn es keine Mehrheit für Schwarz-Gelb gäbe, gäbe es eine linke Mehrheit im Deutschen Bundestag. Eine große Koalition ist wie wenn zwei Elefanten in einem Kleinwagen ums Lenkrad streiten, während der eine auf die Bremse und der andere aufs Gaspedal steigt. Das wäre kein Neuanfang, sondern mehr Arbeitslosigkeit durch Stillstand.

Social Media Button