10.09.2013FDPAußenpolitik

WESTERWELLE-Interview für die "Passauer Neue Presse"

Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied Bundesaußenminister DR. GUIDO WESTERWELLE gab der "Passauer Neuen Presse" (Dienstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte RASMUS BUCHSTEINER:

Frage: Die Vereinigten Staaten stellen dem Assad-Regime in Syrien ein Ultimatum und fordern die Aushändigung seiner Chemiewaffen innerhalb einer Woche. Kann der amerikanische Vorstoß einen Militärschlag womöglich noch in letzter Minute verhindern?

WESTERWELLE: Wenn sichergestellt würde, dass die Chemiewaffen des Assad-Regimes nicht mehr eingesetzt werden können, wäre das ein großer Schritt vorwärts. Ich begrüße jede Initiative, die Chemiewaffen in Syrien unter internationale Kontrolle zu stellen. Je schneller das geschieht, umso besser. Chemiewaffen gehören weltweit geächtet und vernichtet. Allerdings sollte man angesichts der bisherigen Haltung des Assad-Regimes nicht großer Hoffnung sein.

Frage: Das Weiße Haus räumt ein, bisher über keine hundertprozentigen Beweise zu verfügen, dass Assads Regime hinter dem Giftgaseinsatz in Syrien steht. Kann man sich in einem solchen Fall auf Mutmaßungen und Plausibilitäten verlassen?

WESTERWELLE: Dass Chemiewaffen eingesetzt worden sind und die Verantwortung dafür beim syrischen Regime liegt, ist auch aus unserer Sicht plausibel. Die Inspekteure der Vereinten Nationen sollten jetzt ihre Untersuchungen abschließen können. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen müssen abgewartet werden, bevor weitere Entscheidungen getroffen werden. So hat der französische Präsident Hollande angekündigt, erst zu handeln, nachdem der UN-Untersuchungsbericht vorliegt. Ich würde es begrüßen, wenn sich dem auch die USA anschließen würden.

Frage: Erst keine deutsche Unterschrift unter die Syrien-Erklärung des G20-Gipfels, dann doch - hat die Bundesregierung mit ihrem "Zickzackkurs" nicht einen großen Fehler gemacht?

WESTERWELLE: Im Gegenteil. Deutsche Außenpolitik ist an unseren Interessen orientiert und von unseren Werten geleitet, sie ist europäisch eingebettet. Es ist uns gelungen, in Wilna eine einstimmige Haltung der Europäischen Union zu erreichen. Augenscheinlich war unsere Verhandlungsstrategie erfolgreich.

Frage: Während Deutschland noch zögerte, haben sich vier große europäische Nationen sofort der G20-Erklärung zu Syrien angeschlossen. Die Kanzlerin hat das Vorgehen Frankreichs, Großbritanniens, Italiens und Spaniens als "nicht in Ordnung" kritisiert ...

WESTERWELLE: Es ist unser europäischer Ansatz, auch die Haltung der kleineren und mittleren Staaten zu berücksichtigen, die bei G20 nicht mit am Tisch sitzen. Wer Europas Stimme Geltung verschaffen möchte, dem muss eine gemeinsame Haltung Europas sehr am Herzen liegen. Dass wir das jetzt in einer wirklich schwierigen Frage und komplexen Lage hinbekommen haben, ist auch das Ergebnis unserer Verhandlungsführung.

Frage: Die Opposition sieht das anders: SPD-Chef Sigmar Gabriel spricht von "einem Totalversagen der deutschen Außenpolitik".

WESTERWELLE: Die Lage ist wirklich viel zu ernst, um daraus parteipolitisches Kapital schlagen zu wollen. Fragen von Krieg und Frieden sollten wir in Deutschland nicht zum Gegenstand innenpolitisch motivierter Wahlkampfauseinandersetzungen machen.

Frage: Der syrische Diktator Baschar-al-Assad droht für den Fall eines Angriffs der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten mit militärischen Attacken etwa gegen Israel und die Türkei. Ist es aus amerikanischer Sicht richtig, von vorneherein alles auszuschließen, was über Luftschläge hinausgeht?

WESTERWELLE: Ich beteilige mich an solchen Spekulationen nicht. Die Amerikaner haben sich noch nicht festgelegt, die Beratungen der Abgeordneten beginnen ja gerade. Klar ist aber auch, dass die Weltgemeinschaft angesichts des ersten Chemiewaffeneinsatzes im 21. Jahrhundert nicht einfach zur Tagesordnung übergehen kann. Es bleibt unser eindringlicher Appell an Russland, dem Regime in Damaskus seine schützende Hand im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zu entziehen.

Frage: Manche SPD-Außenpolitiker schlagen vor, die Kreml-Kontakte von Altkanzler Gerhard Schröder zu nutzen, um Präsident Vladimir Putin zum Einlenken zu bewegen. Was halten Sie davon?

WESTERWELLE: Die Bundesregierung ist im engsten Gespräch mit Russland, mit China und mit allen Staaten der Region, einschließlich Iran. Auch zuletzt in St. Petersburg beim G20-Gipfel habe ich intensiv mit Außenminister Lawrow gesprochen. Moskau hat bisher leider keine konstruktive Haltung im Sicherheitsrat eingenommen. Ich glaube nicht, dass man Präsident Putin mit Leisetreterei zum Einlenken bewegen kann.

Frage: Israels Sicherheit ist deutsche Staatsräson, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel immer wieder bekräftigt. Wie würde sich Deutschland im Falle eines syrischen Angriffs auf Israel verhalten?

WESTERWELLE: Was die Bundeskanzlerin für Deutschland gesagt hat, bedarf keiner weiteren Interpretation.

Frage: Die Vereinten Nationen warnen vor den Folgen eines militärischen Eingreifens in Syrien und fordern die unbegrenzte Aufnahme von Flüchtlingen aus der Region in Europa. Wozu ist Deutschland bereit?

WESTERWELLE: 17.000 Syrer haben bei uns in Deutschland bereits Zuflucht gefunden. Die ersten der 5.000 Flüchtlinge, die Deutschland darüber hinaus aufnehmen wird, stehen kurz vor der Einreise. Der Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen hat das humanitäre Engagement Deutschlands ausdrücklich gewürdigt. Wir verhalten uns vorbildlich und geben hoffentlich auch Europa ein Beispiel. Wenn sich andere Staaten anschließen und in ähnlicher Größenordnung Flüchtlinge aufnehmen würden, wäre das ein außerordentlich gutes Signal.

Frage: Themenwechsel: Nur noch knapp zwei Wochen bis zur Bundestagswahl, die FDP muss aber weiter bangen. Warum kommen die Liberalen in diesem Wahlkampf nicht aus dem Umfragetief?

WESTERWELLE: Je näher die Entscheidung rückt, desto deutlicher sehen die Bürgerinnen und Bürger die Alternative zur Fortsetzung der christlich-liberalen Koalition. Es wäre ein Bündnis von SPD, Grünen und Linkspartei.

Frage: Schwarz-Gelb oder Opposition - gibt es für die FDP nach dem 22. September keine Alternative?

WESTERWELLE: Bei allen Fragen hinsichtlich der Regierungsbildung haben der Parteivorsitzende und der Spitzenkandidat das erste Wort. Zum Thema Koalitionen werden beide bei unserem Parteikonvent in wenigen Tagen in Mainz eine klare Ansage machen. Es ist bekannt, dass ich ein Anhänger bürgerlicher Koalitionen bin.

Frage: Vermissen Sie bei Kanzlerin Merkel das unbedingte Bekenntnis zu Schwarz-Gelb?

WESTERWELLE: Die Bundeskanzlerin und der CSU-Parteivorsitzende haben sich klar für die Fortsetzung der christlich-liberalen Regierung ausgesprochen. Entweder werden wir wieder gemeinsam regieren. Oder Union und FDP sitzen gemeinsam in der Opposition. Die SPD wird sich nicht noch einmal auf eine Große Koalition einlassen. Im Zweifel wird sie sich dafür entscheiden, in einer Linksregierung den Bundeskanzler zu stellen. Wir kämpfen dafür, das zu verhindern.

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