11.03.2003FDP

WESTERWELLE-Interview für die "Neue Westfälische"

WESTERWELLE-Interview für die "Neue Westfälische"

Der FDP-Bundesvorsitzende DR. GUIDO WESTERWELLE gab der "Neuen Westfälischen" (morgige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten UWE ZIMMER, LUTZ TIMMERMANN und ALEXANDRA JACOBSON.

Frage: Herr Westerwelle, Jürgen W. Möllemann behauptet in seinem Buch "Klartext", dass sie vom israelischen Geheimdienst Mossad erpresst worden sind. Wie fühlt man sich denn so als Erpressungsopfer?

WESTERWELLE: Ich bin mir nicht sicher, ob das Buch nicht besser "Durchgeknallt" heißen sollte.

Frage: Die Zeilen von Jürgen Möllemann drücken zweifellos eine tiefe Verachtung für Sie aus.

WESTERWELLE: Ich beschäftige mich mit solchen Räubergeschichten nicht, die nur geschrieben werden, um die Auflage zu steigern. Ich interessiere mich für Dinge, die für Deutschland wichtig sind. Wie soll diese Debatte auf jemanden wirken, der zu den 400.000 Menschen zählt, die im vergangenen Monat erneut arbeitslos geworden sind?

Frage: Was macht das Projekt 18?

WESTERWELLE: Die 18 ist ein Wahlziel gewesen. Das haben wir nicht erreicht. Unser nächstes Wahlziel entscheiden wir erst vor der nächsten Bundestagswahl, wann immer die auch stattfinden wird.

Frage: Bedeutet "wann immer", dass Sie mit einem Scheitern der rot-grünen Regierung vor der nächsten Bundestagswahl im Jahr 2006 rechnen?

WESTERWELLE: Der Kick der Macht ist ein starkes Bindemittel. Aber ich schließe zum ersten Mal nicht aus, dass es zu Neuwahlen kommen könnte. Diese Regierung könnte zum einen an der Außen- und Sicherheitspolitik zerfallen. Aber vor allem in der Wirtschafts- und Sozialpolitik sind Sollbruchstellen sichtbar geworden, die keiner für möglich gehalten hätte.

Frage: Sehen Sie der Rede des Bundeskanzlers am kommenden Freitag gespannt entgegen?

WESTERWELLE: Die Reden des Bundeskanzlers sind mir relativ gleichgültig. Ein Bundeskanzler wird an seinen Taten gemessen. Dass er ein milliardenschweres staatliches Investitionsprogramm plant, erinnert mich an Programme aus den 70er Jahren, die wir allesamt als Strohfeuer kennen gelernt haben.

Frage: Ihr Fast-Koalitionspartner Edmund Stoiber wollte auch neue Schulden machen.

WESTERWELLE: Da habe ich ihm öffentlich schon vor der Bundestagswahl massiv widersprochen. Wir müssen die Strukturen in diesem Land ändern. Wir haben in Deutschland eine bürokratische Staatswirtschaft, die Arbeitsplätze kostet. Der Bundeskanzler muss außer Steuerentlastungen vor allem eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes durchsetzen. Letzteres wird ihm von seinem so genannten Superminister Wolfgang Clement längst empfohlen. Herr Schröder müsste sich massiv mit den Gewerkschaftsfunktionären anlegen, deren Wirtschafts- und Gesellschaftsbild aus dem 19. Jahrhundert stammt. Wenn der Kanzler diesen Weg der Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft gehen sollte, wird er die Unterstützung aller FDP-Parlamentarier im deutschen Bundestag erhalten.

Frage: Woran scheitert Superminister Clement?

WESTERWELLE: Herr Clement scheitert vor allem an der mangelnden Rückendeckung seines Bundeskanzlers und an der offenen Gegnerschaft einer sehr betonköpfigen SPD-Bundestagsfraktion, die in weiten Teilen wie von Gewerkschaftsfunktionären ferngesteuert wirkt.

Frage: Der Kündigungsschutz soll wohl nach dem Willen des Kanzlers erhalten bleiben. Bedauern Sie das?

WESTERWELLE: Niemand will an den normalen Kündigungsschutz ran. Es geht um den gesteigerten Kündigungsschutz bei Betrieben, die größer sind als fünf Beschäftigte. Jeder, der sich mit dem Mittelstand beschäftigt, weiß doch, dass ein Handwerker lieber Überstunden machen lässt, als dass er bei ordentlicher Auftragslage eine zusätzliche Stelle mehr schafft. Er weiß, dass er diese Stelle bei schlechter Lage nicht zurückführen kann. Es ist aber besser, wir haben Arbeitsplätze mit etwas weniger Kündigungsschutz als Arbeitslosigkeit mit vollem Kündigungsschutz.

Frage: Was die Menschen im Moment stark bewegt: Kommt es zum Krieg im Irak?

WESTERWELLE: Der Krieg kann nur verhindert werden, wenn der Druck auf den irakischen Diktator erhalten bleibt.

Frage: Befürworten Sie eine zweite UN-Resolution ?

WESTERWELLE: Sie wäre als Ermächtigungsgrundlage für ein mögliches militärisches Eingreifen aus völkerrechtlicher Sicht unerlässlich. Ich bin dafür, dass die Regierungschefs schon vor der entscheidenden UN-Sitzung miteinander reden. Denn insbesondere die Sprachlosigkeit zwischen George W. Bush und Gerhard Schröder ist ein Problem. Beide schwächen die UN, indem sie Alleingänge gestartet haben. Aber was den Weltfrieden angeht, müssen die Vereinen Nationen das erste und letzte Wort haben.

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