13.02.2006FDP

WESTERWELLE-Interview für die "Mainzer Allgemeine Zeitung"

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende DR. GUIDO WESTERWELLE gab der Mainzer Allgemeinen Zeitung (Samstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte REINHARD BREIDENBACH:

Frage: Herr Westerwelle, bei Ihrem letzten Interview mit dieser Zeitung im Mai 2004 waren Sie der Ansicht, daß die Bundestagswahl nicht erst 2006, sondern schon 2005 stattfinde. Wie ist Ihre Prognose für die nächste Bundestagswahl?

WESTERWELLE: Da habe ich noch keine Prognose. Aber ich bin sicher: Schwarz-Rot ist eine Übergangsregierung, beide denken längst an die Zeit danach, das haben sie übrigens mit der FDP gemeinsam.

Frage: Die rheinland-pfälzische FDP hat sich auf die Fortsetzung des Regierungsbündnisses mit der SPD festgelegt. Geht es auch mit der CDU, wenn das Wahlergebnis es erzwingt?

WESTERWELLE: Ich unterstütze die Entscheidung der rheinland-pfälzischen FDP. Die amtierende Regierung in Mainz ist überaus erfolgreich, das liegt nicht zuletzt an der Mittelstandspolitik von Hans-Artur Bauchhage.

Frage: Ist sozialliberal langfristig ein Modell für den Bund?

WESTERWELLE: Das kann man heute noch nicht beantworten. Es gibt auf Bundesebene zwei Entwicklungen, deren Ende offen ist. Zum einen eine enorme Sozialdemokratisierung der Union, zum anderen, bei der SPD, ein heilloses Durcheinander über den künftigen Kurs...

Frage: Beispiel?

WESTERWELLE: Zum Beispiel in der Frage Rente mit 67. Da gibt es eine Diskussion zwischen den Herren Platzeck, Müntefering und Beck, der bestimmte Berufsgruppen herausnehmen will aus der Regelung "Rente erst mit 67". Ich halte es für einen großen Fehler, daß das Renteneintrittsalter auf 67 angehoben wird, ohne zuvor die notwendige Strukturreform auf dem Arbeitsmarkt und die nötige Steuerentlastung zu beschließen, damit die Betroffenen überhaupt Arbeit finden können. Unterm Strich ist das eine fette Rentenkürzung. Um zum Ausgangspunkt zurückzukommen: Die Koalitionsfrage auf Bundesebene werden wir beantworten, wenn sie sich stellt: unmittelbar vor der nächsten Bundestagswahl.

Frage: Derzeit bewegt die deutsche Innenpolitik ein Streik im öffentlichen Dienst. Ist er berechtigt?

WESTERWELLE: Dieser Streik ist ein Luxusarbeitskampf. Wenn man einen sicheren Arbeitsplatz hat, dann sind 18 Minuten Mehrarbeit am Tag zumutbar. Wenn durch diesen Streik Kindergärten stillgelegt werden, dann schlage ich den betroffenen Eltern vor, wenigstens symbolisch eine Rechnung an die Gewerkschaft Verdi zu schicken. Noch niemals ist ein Land durch mehr Freizeit aus einer Krise herausgekommen, das Programm "Aufschwung durch Freizeit³ funktioniert nicht, auch wenn Verdi das meint.

Frage: Für 2006 wird insgesamt ein wirtschaftlicher Aufschwung prognostiziert, über dem das Damoklesschwert der Mehrwertsteuererhöhung 2006 hängt...

WESTERWELLE: Wir alle hoffen auf den Aufschwung. Derzeit werden wir von der
boomenden Weltkonjunktur mitgezogen. Ob aber mit dieser bürokratischen Staatswirtschaft in Deutschland ein eigener, selbsttragender Aufschwung zu schaffen ist, das bezweifele ich. Es ist extrem schädlich, daß die Regierung alles vertagt, was dringend angepackt werden müßte. Das betrifft zum Beispiel die Energiepolitik, auch den Bereich Gesundheit. Bei den sozialen Sicherungssystemen ist insgesamt nur eine Mehrbelastung der Bürger beschlossen worden, die dann auch noch die Krönung durch eine dreiprozentige Mehrwertsteuererhöhung erfährt.

Frage: Die was bewirken?

WESTERWELLE: Daß Arbeitsplätze verloren gehen und die Schwarzarbeit gefördert wird. Eine dreiprozentige Mehrwertsteuererhöhung wäre das größte Steuererhöhungsprogramm in der Geschichte unserer Republik: Gift für die Wirtschaft. Die FDP wird das zum zentralen Thema der Landtagswahlkämpfe machen. Wir wollen an Landesregierungen beteiligt sein, auch damit wir die Mehrwertsteuererhöhung im Bundesrat verhindern können.

Frage: Sie haben auch die Energiepolitik als unerledigtes Thema angesprochen. Was müßte da geschehen?

WESTERWELLE: Die Menschheit wird in Zukunft froh sein, wenn sie ihren steigenden
Energiebedarf überhaupt noch decken kann. Wir brauchen einen Energie-Mix, bei dem
Energiegewinnungsformen nicht ideologisch gegeneinander stehen, sondern vorurteilsfrei
kombiniert werden.

Frage: Mit Kernenergie?

WESTERWELLE: Wenn wir sichere Kernkraftwerke in Deutschland aus ideologischen Gründen abschalten, um anschließend den Strom aus unsicheren Anlagen im Ausland einzukaufen, dann ist das ökologischer und ökonomischer Irrsinn.

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