11.08.2005FDP

WESTERWELLE-Interview für die "Kölnische Rundschau"

WESTERWELLE-Interview für die "Kölnische Rundschau"

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende DR. GUIDO WESTERWELLE gab der ?Kölnischen Rundschau? (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten NORBERT WALLET und BERND STADELMANN:

Frage: Herr Westerwelle, stellen Sie sich auf weitere 4 Jahre Opposition ein?

WESTERWELLE: Ich stelle mich darauf ein, daß die FDP im Herbst mit der Union gemeinsam eine bessere Regierung bildet, als das, was Deutschland in den letzten 7 Jahren hatte.

Frage: Im Moment redet keiner von der FDP, sondern alle von der großen Koalition.

WESTERWELLE: Wer von der großen Koalition redet oder von ihr träumt, kann schnell mit einer Linksregierung aus SPD, Grünen und PDS aufwachen.

Frage: Wie gut passen Sie denn überhaupt zur Union? Sie attackieren die CDU derzeit ja mehr als Rot-Grün.

WESTERWELLE: Nein, wir haben sehr viele Gemeinsamkeiten mit der Union, deshalb haben Frau Merkel, Herr Stoiber und auch ich gegenseitige Koalitionsaussagen im Namen unserer Parteien gemacht. Vor allen Dingen sind wir der gemeinsamen Überzeugung, daß wir uns von der bürokratischen Staatswirtschaft der letzten Jahre verabschieden müssen und daß Arbeit wieder Vorfahrt bekommen muß. Daß Unterschiede zwischen unseren Parteien existieren, ist selbstverständlich. Die anderen sind die Konservativen und wir sind die Liberalen.

Frage: Neueste Umfragen besagen, daß 55 Prozent der FDP-Anhänger mit Guido Westerwelle als Spitzenfigur unzufrieden sind. Irritiert Sie das?

WESTERWELLE: Solange die Wähler das anders sehen, als die Meinungsforscher, beschäftigt mich das nicht wesentlich. Und in meiner Zeit als Parteivorsitzender hat die FDP die besten Wahlergebnisse seit der deutschen Einheit eingefahren.

Frage: Die 18 unter der Schuhsohle kommt jetzt aber nicht mehr vor. Was gibt es denn diesmal für eine Zahl?

WESTERWELLE: Unter meiner Schuhsohle steht 42 ½, meine Schuhgröße. Das gilt für diesen Wahlkampf und die künftigen auch.

Frage: Sagen Sie doch einmal, um welche Wähler Sie werben? Haben Sie die gleiche Zielgruppe wie die Union?

WESTERWELLE: Zunächst einmal werben wir um diejenigen, die sich derzeit noch nicht entschlossen haben, ob sie das, was war, verlängern wollen oder ob sie mit Schwarz-Gelb auf einen neuen Anfang setzen. Es gibt sehr viele bürgerlich denkende Sozialdemokraten, die wissen, daß das Elend der letzten Jahre wesentlich auch verursacht worden ist durch eine grüne Politik wirtschafts- und forschrittsfeindlicher Prägung. Wir haben ja nicht nur 5 Millionen Arbeitslose, sondern wir haben in Wahrheit sogar 6 bis 7 Millionen Arbeitslose in Deutschland. Ich konzentriere mich deshalb darauf, besonders jene Wähler, die derzeit noch mit SPD, Grünen und PDS sympathisieren, davon zu überzeugen, daß diese Politik der politischen Linken Deutschland ärmer macht und die unsozialsten Ergebnisse hervorgebracht hat seit Gründung der Republik - nämlich die höchsten Arbeitslosenzahlen.

Frage: Als Signal für den wirtschaftlichen Neuanfang hat ihr künftiger Koalitionspartner gleich die Mehrwertsteuererhöhung in den Raum gestellt. Man vermißt bei der FDP immer noch die ganz klare Absage, daß es das mit Ihnen nicht geben wird.

WESTERWELLE: Die klare Absage an die Mehrwertsteuererhöhung können Sie nicht vermissen, denn sie ist von mir und meiner Partei mehrfach öffentlich gemacht worden. Wir lehnen eine Mehrwertsteuererhöhung ab, weil wir der Überzeugung sind, daß Deutschland eine Steuersenkungspolitik braucht. Niemand soll die Entschlossenheit der FDP unterschätzen, in Koalitionsverhandlungen auch diesen Steuersenkungskurs für neue Arbeitsplätze durchzusetzen.

Frage: Und was kommt dann am Ende heraus? Angela Merkel will ja mit ihrem Modell die Lohnzusatzkosten senken.

WESTERWELLE: Ich bin sehr optimistisch, daß wir die Lohnzusatzkosten senken können, ohne daß es an anderer Stelle Steuererhöhungen gibt, denn wir haben ja vorgerechnet, daß es anders geht. Die FDP hat ein Steuersenkungsvolumen von 17 bis 19 Milliarden Euro vorgelegt. Durch Bürokratieabbau, Subventionskürzungen und das Stopfen von Schlupflöchern im Steuerrecht ließen sich auf der Gegenseite 35 Milliarden Euro erwirtschaften. Unser Konzept ist durchgerechnet und wird übrigens von der gesamten Wirtschaft und den meisten Sachverständigen hoch gelobt. Mit dieser Kraft der Argumente werden wir in die Koalitionsverhandlungen gehen, und gerade weil ich weiß, daß auch eine gehörige Anzahl von Unionspolitikern, auch führenden Unionspolitikern, unsere Haltung teilt, bin ich auch optimistisch, daß wir das durchsetzen können.

Frage: Wirklich?

WESTERWELLE: Ja. Aber ich werde das doch nicht so auftrumpfend vertreten, so daß die Union nur mit einem Gesichtsverlust auf unseren Kurs einschwenken kann. Dann käme diese Entwicklung nämlich nicht zustande. Wer Steuersenkungen will, muß entschieden sein, muß klug und mit Verhandlungsgeschick vorgehen. Die Wähler können uns dabei übrigens unterstützen und die FDP stark machen.

Frage: Wie schnell soll´s denn gehen mit den Steuererleichterungen?

WESTERWELLE: Ein neues und gerechteres Steuersystem muß gleich zu Beginn vereinbart werden, auch wenn nicht alles sofort zum 1.Januar 2006 in Kraft treten kann. Manches braucht länger, manches braucht auch Übergangsfristen. Aber wir müssen Deutschland in den ersten zwei Jahren der neuen Regierung auf einen neuen Kurs gebracht haben. Wir müssen den Politikwechsel sichtbar durchsetzen, damit auch die Binnenkonjunktur wieder anspringt. Wir müssen den Schwung nutzen.

Frage: Sie wollen die Steuern senken, die Überschuldung beseitigen und die Arbeitslosigkeit abbauen ? alles auf einmal oder gibt es eine Reihenfolge?

WESTERWELLE: Was heißt: Alles auf einmal? Das eine hängt vom anderen ab. Wir werden die Staatsfinanzen in Deutschland nur wieder in Ordnung bekommen, wenn wir die Steuern senken. Der Schlüssel zur Konsolidierung der Staatsfinanzen sind neue Arbeitsplätze und eine zentrale Voraussetzung für neue Arbeitsplätze ist ein niedrigeres, einfaches und gerechteres Steuersystem. Wer nur die Lohnzusatzkosten verändert, handelt falsch. Die eine Schulter der Volkswirtschaft zu entlasten und gleichzeitig die andere Schulter zu belasten, das wäre die Fortsetzung der Politik der Trippelschritte, mit denen Deutschland in den letzten 7 Jahren gescheitert ist. Wir müssen insgesamt die Belastung der Bürgerinnen und Bürger reduzieren, genau wie die der Investoren, weil nur so wieder Kaufkraft entsteht, die Konjunktur anspringt und Wachstum zustande kommt.

Frage: Wer macht denn nun Wirtschaftspolitik in der neuen Regierung? Edmund Stoiber sagt ja noch nicht einmal, ob er nach Berlin kommt oder nicht.

WESTERWELLE: Ich habe das nicht zu kritisieren. Herr Stoiber ist nicht der Spezialsprecher für irgendeinen Bereich, sondern er äußert sich als CSU-Vorsitzender zu allen Fragen. Dasselbe Recht nehme ich für mich in Anspruch. Es ist übrigens durchaus so, daß ich mit Herrn Stoiber trotz mancher Frotzeleien gut zusammen arbeite, ebenso wie mit Angela Merkel. Gehen Sie mal davon aus: Wenn es nur eine Stimme Mehrheit für Schwarz-Gelb gibt, wird es eine schwarz-gelbe Regierung geben, und zwar eine gute.

Frage: Oder eben sonst eine große Koalition...

WESTERWELLE: Nein, sondern Rot-rot-grün. Herr Fischer kriegt doch jetzt schon Unterzuckerung bei dem Gedanken, daß er aus dem Olymp des internationalen Polit-Jetsets zurück müßte auf die harten Oppositionsbänke. Um eine solche Unterzuckerung zu vermeiden, schluckt der auch die Kröte Lafontaine.

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