20.11.2005FDP

WESTERWELLE-Interview für die "B.Z. am Sonntag"

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende DR. GUIDO WESTERWELLE gab der "B.Z. am Sonntag" das folgende Interview. Die Fragen stellte FRIEDEMANN WECKBACH-MARA.
Frage: Bis zum Wahlabend hatten Sie große Übereinstimmungen mit der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel. Warum wollen Sie Ihre Duzfreundin jetzt nicht zur Kanzlerin wählen?
WESTERWELLE: Meine persönliche Sympathie für Angela Merkel ist unverändert. Wir haben aber im Wahlkampf einen Politikwechsel verlangt…
Frage: …Den haben die Parteichefs von Union und SPD doch gerade unterzeichnet.
WESTERWELLE: Auch wenn dieses Programm noch so feierlich unterzeichnet wurde, für die Deutschen ist das kein feierlicher, sondern ein trauriger Anlaß. Dieser Vertrag ist schlecht für Deutschland, weil darin das größte Steuererhöhungsprogramm in der Geschichte der Republik vereinbart wurde.
Frage: Auch die FDP hat schon fünfmal an einem verfassungswidrigen Haushalt mitgewirkt. Was ist plötzlich so anders?
WESTERWELLE: Wir kennen bedauerlicherweise seit Jahrzehnten, daß sich im Laufe eines Jahres herausstellt, der Haushalt erfordert zu viele Schulden. Aber es ist einmalig in der deutschen Geschichte, daß eine Regierung von vornherein ankündigt, wir machen doppelt so viele Schulden, wie das Grundgesetz erlaubt, und sich nicht einmal Mühe gibt, diesen Verfassungsbruch zu vermeiden. Die Kritik der FDP und unsere Drohung mit dem Verfassungsgericht haben inzwischen Wirkung erzielt. Nun will die Regierung die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts feststellen. Den Weg sieht die Verfassung vor. Dazu muß Schwarz-Rot im Bundestag erklären, wie sie nach Recht und Gesetz diese Störung wieder abwenden wollen - und zwar im Jahr 2006. Der Hinweis auf später, etwa auf den Haushalt 2007, genügt nicht.
Frage: Die schwarz-rote Koalition hat im Bundestag eine Zweidrittelmehrheit, die sogar zur Verfassungsänderung reicht…
WESTERWELLE: Aber nicht im Bundesrat. Dort hat die FDP Einfluß auf genau so viele Stimmen wie die SPD. Deshalb ist eine Verfassungsänderung ohne die FDP nicht möglich.
Frage: Die alte und neue Gesundheitsministerin will gleiche Bezahlung für gleiche Leistung der Ärzte durchsetzen. Was haben sie dagegen?
WESTERWELLE: Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Union diesen Weg der Planwirtschaft im Gesundheitssystem mitgehen wird. Sie würde damit alles, was sie mit uns gemeinsam im Wahlkampf vertreten hat, ins Gegenteil verkehren. Irgendwo muß es auch bei der Union eine Schamgrenze geben, was man vor dem Wähler vertreten kann.
Frage: Im nächsten Jahr werden nach den Ankündigungen so viele Schulden gemacht, damit es mit der Wirtschaft aufwärts geht. Warum auch nicht?
WESTERWELLE: 2006 gibt es drei wichtige Landtagswahlen, 2007 aber nur die in Bremen. Schwarz-Rot fürchtet im nächsten Jahr die Rache der Wähler. Deshalb sind die Schulden 2006 und Steuererhöhungen 2007 politisch und nicht wirtschaftlich begründet. Der Sachverständigenrat der Bundesregierung hat klare Vorschläge zur Bewältigung der Wirtschaftskrise gemacht. Dem schließt sich die FDP an: Deutschland braucht keine Steuererhöhungen, sondern Entlastungen für Menschen und Betriebe, damit hier die Kaufkraft zunimmt, investiert wird und neue Arbeitsplätze entstehen. Dazu muß der Staat überflüssige Ausgaben streichen, mehr sparen.
Frage: Sonst?

WESTERWELLE: Wenn sich die neue Regierung wirklich an den eigenen Koalitionsvertrag hält, beschert sie Deutschland ein Programm des Abschwungs. Dann ist zu erwarten, daß sie keine vier Jahre durchsteht. Bei SPD und Union ist zwar die Angst vor dem Wähler groß. Aber auf das Rennpferd große Koalition würde ich auf keiner Rennbahn setzen, nicht einmal darauf, daß es überhaupt das Ziel erreicht

Social Media Button