25.08.2005FDP

WESTERWELLE-Interview für das "Hamburger Abendblatt"

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende DR. GUIDO WESTERWELLE gab dem "Hamburger Abendblatt" (Donnerstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte ANDREAS THEWALT:

Frage: Vor drei Jahren hat schon einmal Hochwasser die Wende im Wahlkampf gebracht. Werden da beim Blick nach Bayern jetzt bei Ihnen Ängste wach?
WESTERWELLE: Wenn ich nach Bayern blicke, denke ich vor allem an die betroffenen Menschen, aber nicht an den Wahlkampf.
Frage: Der Wechselgipfel von FDP und Union ist aber gestern fast buchstäblich ins Wasser gefallen. Was hatten sie denn mit Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel und CSU-Chef Edmund Stoiber bereden wollen?
WESTERWELLE: Wir haben als Parteivorsitzende am Dienstag verabredet, mit Blick auf die Katastrophenlage in Teilen Bayerns den Wechselgipfel auf den 1. September zu verschieben. Wir werden dann demonstrativ zeigen, daß wir gemeinsam Rot-Grün ablösen und eine linke Mehrheit im Bundestag verhindern wollen. Bei allen Unterschiedlichkeiten, die es naturgemäß zwischen Liberalen und Konservativen immer gab und geben wird, ist die Summe der Gemeinsamkeiten weit größer und groß genug, um selbst mit knapper Mehrheit für Schwarz-Gelb eine gute Regierung ins Amt zu bringen.
Frage: Der FDP-Wahlkampf steckt bisher voller Attacken gegen die Union. Bekämpfen Sie da nicht den falschen Gegner?
WESTERWELLE: Wir machen keinen Wahlkampf gegen andere, sondern für unser Programm, das wir sachlich, aber mit Ausdauer vertreten. In Zeiten von Massenarbeitslosigkeit ist die dringendste Aufgabe, ein international wettbewerbsfähiges Steuersystem zu schaffen. Das ist die Mutter aller Reformen und das beste Beschäftigungsprogramm.
Frage: Sie bejubeln die Berufung von Prof. Paul Kirchhof ins Kompetenzteam der Union. Müßten Sie eher nicht trauern, weil er sich in den Dienst einer Konkurrenzpartei stellt?
WESTERWELLE: Wenn dem Kompetenzteam der Union jetzt ein starker Verbündeter für unseren Kurs der Neugründung des deutschen Steuersystems angehört, ist das der FDP mehr als willkommen. Die FDP hat den Solms-Tarif vorgelegt mit Steuersätzen von 15, 25 und 35 Prozent. Unser Steuermodell ist zudem das familienfreundlichste Konzept, das derzeit diskutiert wird. Hermann Otto Solms und Prof. Kirchhof wären in der Lage, innerhalb weniger Wochen ein völlig neues Steuerrecht zu vereinbaren, das endlich wieder unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit herstellt und auch die Kaufkraft beflügelt.
Frage: Kirchhof trägt inzwischen die geplante Mehrwertsteuererhöhung der Union mit. Und Sie?
WESTERWELLE: Wir sind gegen eine Mehrwertsteuererhöhung, weil wir den neuen Schwung nach einer Neuwahl mit einer neuen Regierung nicht durch Steuererhöhungen, also weniger Kaufkraft und mehr Schwarzarbeit hemmen wollen. In Koalitionsverhandlungen werden wir deshalb mit unserem Konzept gehen, das ausdrücklich keine Steuererhöhungen vorsieht.
Frage: 2002 führte die FDP einen Spaßwahlkampf und war permanent in aller Munde. Jetzt führen sie anders Wahlkampf. Reduziert das nicht deutlich die Wahrnehmbarkeit der Liberalen?
WESTERWELLE: Das sind Klischees, die uns entgegengehalten werden, aber mit der Sache und unserem Programm nichts zu tun haben. Wir teilen nicht die Kritikasterhaltung, die Trübsinn mit Tiefsinn verwechselt. Wir setzen auch in diesem Wahlkampf auf Optimismus und lebensbejahende Ansprache.
Frage: Das heißt konkret was?
WESTERWELLE: Wenn es etwa darum geht, bisherige Nichtwähler und junge Menschen zu gewinnen, die sich noch nicht richtig für Politik interessieren, gehe ich gern auch unkonventionelle Wege. Ich war ja nicht zufällig diese Woche bei Stefan Raab in seiner Sendung "TV total". Ich weiß, daß man dort viele Menschen erreichen und für Politik interessieren kann, die sonst bei den klassischen Politik-Talkshows sofort umschalten. Ich bin jetzt seit vier Jahren Parteivorsitzender, stehe nicht nur für die Inhalte der FDP, sondern auch für die Art und Weise der Vermittlung. Da wir in den vergangenen vier Jahren die besten Wahlergebnisse für die FDP seit der deutschen Einheit hatten, kann das, was wir machen, so falsch nicht sein.
Frage: 2002 hatten Sie ihr Projekt 18, das Wahlziel 18 Prozent. Wieviel Prozent peilen Sie diesmal an?
WESTERWELLE: Wir sind 2002 ohne Koalitionsaussage in die Wahl gegangen, weil die Lage anders war. Jetzt gehen wir mit einer Koalitionsaussage in die Wahl und setzen klar darauf, Rot-Grün abzulösen und eine linke Mehrheit im Bundestag zu verhindern. Deshalb heißt unser erstes und wichtigstes Wahlziel: Mehrheit für Schwarz-Gelb mit einer möglichst starken FDP.
Frage: Und wenn es für Schwarz-Gelb nicht reicht...

WESTERWELLE: ...geht die FDP ohne Wenn und Aber in die Opposition. Wir stehen für eine Ampelkoalition oder sonstige Hampeleien definitiv nicht zur Verfügung. Die Vorstellung, daß Jürgen Trittin von den Grünen und ich gemeinsam in einem Kabinett sitzen, ist eine virtuelle Albernheit, hat aber mit realer Politik nichts zu tun.

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