01.04.2003FDP

WESTERWELLE-Interview

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende DR. GUIDO WESTERWELLE gab der Tageszeitung "Die Welt" (Dienstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte ARNE DELFS.

Frage: Herr WESTERWELLE, im Streit um die AWACS-Einsätze über der Türkei ist die FDP vergangene Woche mit einer Eilklage gescheitert. Werden Sie erneut vor das Bundesverfassungsgericht ziehen?

WESTERWELLE: Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu unserem Eilantrag hat kurzfristig genau die Rechtssicherheit für unsere Soldaten gebracht, die wir bewirken wollten. Ob wir in der Hauptsache eine Klärung herbeiführen werden, ist noch nicht entschieden. Es spricht einiges dafür, denn die Karlsruher Richter haben eine Klärung der Kompetenzverteilung zwischen Bundesregierung und Bundestag selbst angemahnt. Das muss zuerst politisch erfolgen, indem die Parlamentsarmee in einem Entsendegesetz klar verankert wird. Aber die Bundesregierung schiebt dieses Gesetz weiter auf die lange Bank, obgleich unsere Anträge dazu im Bundestag schon zum zweiten Mal vorliegen.

Frage: CDU-Chefin ANGELA MERKEL unterstützt den Irak-Krieg der USA auch gegen Widerstand aus ihrer eigenen Partei. Müssen Deutschlands bürgerliche Parteien wirklich auf Gedeih und Verderb an der Seite Amerikas stehen?

WESTERWELLE: Die FDP hat die deutsch-amerikanische Freundschaft stets als entscheidende Achse unserer Außenpolitik angesehen. In dieser Tradition sehe ich mich persönlich auch, geprägt durch persönliche Freundschaften und zahllose Besuche in den USA seit meiner Studienzeit. Als ein Anhänger der transatlantischen Partnerschaft sage ich aber: Ein Wort der Kritik unter Freunden ist nicht nur zulässig, sondern angebracht. Die Amerikaner bleiben unsere Freunde, aber diese militärische Aktion ohne UN-Mandat kann die deutsche Politik nicht billigen.

Frage: Hat sich die Union in der Irak-Krise zu früh festgelegt?

WESTERWELLE: Nicht zu früh, sondern zu einseitig. Ich stelle fest, dass wir für unsere differenzierte Haltung zum Irak-Konflikt in der Vergangenheit auch von den Konservativen oft genug kritisiert wurden. Jetzt kann man erkennen, dass die differenzierte Haltung der Freien Demokraten innerhalb der Basis der Union mehr Zustimmung erfährt als die Haltung der Unionsführung. Eine sehr ähnliche Entwicklung gibt es übrigens auch an der Basis von Rot-Grün, deren umgekehrt undifferenzierte Haltung im Nachhinein ebenfalls als ein schwerer Fehler der deutschen Außenpolitik angesehen wird.

Frage: Kann eine Parteiführung auf Dauer Politik gegen ihre eigene Basis machen?

WESTERWELLE: Eine Parteiführung muss führen. Sie darf nicht der Korken sein, der auf Stimmungswellen schwimmt. Aber eine Parteiführung sollte auch nicht pauschal etwas unterstützen, was in der Sache falsch ist. Eine militärische Intervention im Irak ohne ein Mandat der Vereinten Nationen ist sowohl vom damaligen Spitzenkandidaten der Union Stoiber als auch von mir im Bundestagswahlkampf als falsch bezeichnet worden. Dass offenbar nur die FDP ihre differenzierte Haltung beibehalten hat, bedauere ich.

Frage: Erwarten Sie, dass Frau Merkel angesichts der wachsenden innerparteilichen Kritik ihre Haltung noch ändern wird?

WESTERWELLE: Ich rechne damit, dass die Diskussion an der CDU-Basis nicht ohne Wirkung auf Frau Merkel bleiben wird. Wie auch Herr Fischer und Herr Schröder erkennen werden, dass ihre dogmatische Haltung, eine militärische Entwaffnung des irakischen Diktators selbst unter einem UN-Mandat auszuschließen, ein historischer Fehler war.

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