22.03.2014FDPFDP

THEURER-Interview für den „Reutlinger General-Anzeiger“

Berlin. Das FDP- Präsidiumsmitglied Michael Theurer gab dem „Reutlinger General-Anzeiger“ (Montag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Oliver Jirosch:

Frage: Herr Theurer, Sie waren mit 27 Jahren Deutschlands jüngster OB in ihrer Heimatstadt Horb. Heute mit 47, nach fünf Jahren als EU-Parlamentarier kandidieren Sie für den Gemeinderat in Horb. Lautet die Devise für Sie »zurück zu den Wurzeln«, wollen Sie Brüssel den Rücken kehren?

Theurer: Nein, ich möchte bei der EU in Brüssel weitermachen. Es war aber damals mein Ziel, meine Erfahrung als Kommunalpolitiker in die EU einzubringen. Ich verstehe mich in Brüssel auch als Anwalt der kleinen und mittleren Unternehmen. Ich möchte im Europa-Parlament die kommunalpolitische Perspektive aufwerten. Und im Gegenzug möchte ich nun mein Wissen und meine Erfahrung, die ich auf europapolitischer Ebene erlangt habe, in meiner Heimatstadt einbringen.

Frage: Viele empfinden es aber als Tabu-Bruch, wenn ein ehemaliger Bürgermeister sich in den Gemeinderat wählen lässt.

Theurer: Ach wissen Sie, wenn der Wähler es nicht will, dann wählt er mich nicht. Zum anderen ist meine Zeit als OB in Horb fünf Jahre her. Ich denke, das ist Schonfrist genug. Außerdem bin ich nicht der erste, der so verfährt. Ich wohne nach wie vor in Horb und möchte hier mitgestalten. Als OB aber werde ich definitiv nicht mehr kandidieren.

Frage: Nach dem Debakel bei der Bundestagswahl forderten alle in der FDP einen Neuanfang. Mit Ihnen als Nachfolger von Birgit Homburger gab es einen personellen Neustart. Was machen Sie nun anders?

Theurer: Die Liberalen wurden vor der letzten Bundestagswahl inhaltlich sehr verengt wahrgenommen: Wirtschaft und Steuersenkungen. Die FDP hat aber viel mehr zu bieten. Wir haben einen viel weiteren Horizont. Wir wollen etwa soziale Marktwirtschaft ergänzen um den Aspekt Fairness. Uns geht es um auch Bürgerrechte. Beim Thema Ausspähung und NSA haben wir eine ganz dezidierte Meinung, die die Privatsphäre der Menschen schützt.

Frage: Gut, aber für all diese Dinge stand die FDP auch schon vor der Bundestagswahl. Wie wollen Sie erreichen, dass diese Aspekte künftig gleichberechtigt neben dem Wirtschaftsaspekt wahrgenommen wird?

Theurer: Es beginnt schon damit, dass wir die FDP zur Mitmach-Partei umgestalten. Bei den Liberalen haben die Mitglieder einen direkten Einfluss auf Personalentscheidungen. Das ist das eine. Außerdem ist bei der FDP eine Re-Vitalisierung festzustellen. Nach der Bundestagswahl hatten wir einen Zulauf von rund 2 000 Mitgliedern. Wir können bei den anstehenden Europa- und Kommunalwahlen mit gut besetzten Listen aufwarten wie schon lange nicht mehr. Viele dieser neuen Mitglieder und jungen Menschen werden dafür sorgen, dass auch andere Aspekte als die Steuersenkung in den Fokus rücken. Die FDP hatte auch schon Rückenwind, im Moment kommt der Wind dagegen eher von vorn. Aber da muss man eben ein bisschen besser segeln. Wir rechnen bei der Europawahl mit einer deutlichen Fünf vor dem Komma. Glaubwürdigkeit gewinnen wir jedenfalls nur durch das direkte Gespräch mit den Bürgern vor Ort.

Frage: Lässt sich die FDP Baden-Württemberg überhaupt von Brüssel aus lenken und steuern?

Theurer: Ich bin nicht der Messias der FDP Baden-Württemberg, ich allein kann gar nichts schaffen. Ich verstehe mich als Moderator in bester liberaler Tradition. Wir schaffen die Wende zum Besseren nur mit allen Mitgliedern, wir müssen zurück zur Graswurzel-Demokratie. Führen lässt sich die Partei aus Brüssel nur durch ganz enge Abstimmung mit dem Team in Stuttgart, vor allem mit meinem Stellvertreter Hans-Ulrich Rülke.

Frage: Aber dennoch, wenn sich innerhalb ihrer Partei Grabenkämpfe entwickeln, das bekommen Sie nicht hautnah mit, im Zweifelsfall erst, wenn es zu spät ist.

Theurer: Ach wissen Sie, ich bin sehr viel unterwegs im Land, an Präsenz vor Ort mangelt es sicher nicht. Es würde auch niemand auf die Idee kommen, den CDU-Landeschef Thomas Strobl zu fragen, ob es ein Problem ist für ihn als Bundestagsabgeordneter von Berlin aus die Baden-Württemberg-CDU zu führen. Aber von Stuttgart nach Berlin sind es 636 Kilometer, von Stuttgart nach Brüssel nur 557.

Frage: Richten wir den Blick auf die Europawahl. Umfragen zufolge ist das Interesse daran eher gering. Erklären Sie als EU-Parlamentarier, warum es sich lohnt, zur Wahl zu gehen.

Theurer: Ich empfinde es eher so, dass das Interesse an Europa immer größer wird. Das hängt mit der Bewältigung der Staatsschulden-Krise zusammen. Wenn es die EU nicht gäbe, müsst sie erfunden werden. Europa steht für einen Mehrwert an Freiheit oder den freien Binnenmarkt, von dem wir gerade auch in der Region Neckar-Alb profitieren. Ein geeintes Europa steht auch für Werte. Als die Menschen in Kiew auf dem Maidan mit Europa-Flaggen in der Hand demonstriert haben, dachten sie doch nicht an Agrar-Subventionen, sondern an Werte wie Freiheit und Demokratie.

Frage: Vielleicht ist das Interesse an Europa groß, aber nicht das an den Europa-Wahlen, oder?

Theurer: Möglicherweise, aber wir müssen die Leute dazu bewegen, zur Wahl zu gehen. Vieles hat auch mit einem Wahrnehmungsproblem zu tun. Wenn in Berlin Mist beschlossen wird, wissen wir, dass die Große Koalition schuld daran ist. Wenn aber auf europäischer Ebene etwas nicht klappt, wird die EU in Frage gestellt. Das nutzen rechtskonservative Kräfte in allen Ländern – in Deutschland macht es die AfD –, um nationalistische Reflexe zu bedienen und den Nationalstaat zu verklären. Das dürfen wir Liberale nicht zulassen, wir stehen positiv zu Europa. Nationalistische Tendenzen führen in die völlig falsche Richtung.

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