29.11.2014FDPFDP

TEUTEBERG-Gastbeitrag: Mut zur FDP

Berlin. Das FDP-Bundesvorstandsmitglied LINDA TEUTEBERG schrieb für die „Ostthüringer Zeitung“ den folgenden Gastbeitrag:

FDP-Mitglied? Auch noch im Bundesvorstand? Und alles ehrenamtlich? Da kann es inzwischen passieren, dass ich einen verwunderten, manchmal auch fast schon mitleidigen Blick ernte, wenn ich damit meine Freizeitaktivitäten umreiße. So betrachtet hat der Absturz meiner Partei auch eine gute Seite. Wer jetzt noch dabei ist, dem glaubt man schon eher, dass sie oder er es ernst meint mit dem politischen Engagement.

Was die Wähler mit dieser Abkehr von der FDP bewirkt haben, entzieht sich derzeit zumeist der öffentlichen Diskussion. Es ist in den Zeitungen und Fernsehsendungen offenbar spannender, sich neu aufkommenden Gruppierungen – den Piraten oder denen von der AfD – zu widmen. Da könnte man glatt vergessen, dass auch diese nicht im Bundestag sind. Doch wer glaubt, wir Liberale würden jetzt von der politischen Bühne verschwinden, der irrt.

Es stimmt wohl, wenn uns Liberalen eine gewisse Sturheit nachgesagt wird. Ich würde dies eher einen ausgeprägten Selbstbehauptungswillen nennen. Liberale sollten die Menschen sein, die ihre eigene Meinung völlig unabhängig davon vertreten, ob es dafür Beifall oder Missfallensbekundungen gibt. Wer in Ostdeutschland aufgewachsen ist, kennt diesen Spruch „Vom Ich zum Wir“. Er ist das Gegenmotto zum Liberalismus schlechthin. Es mag ja ein legitimes Anliegen sein, die eigene Entscheidung eingebunden zu sehen in einen kollektiven Prozess und dabei darauf zu vertrauen, dass andere im Zweifelsfall vielleicht besser wissen, was einem selbst gut tut. Genau richtig bei der FDP ist, wer dieser Neigung mit gesunder Skepsis begegnet.

Natürlich hat dieses Beharren auf Eigenständigkeit und Selbstbestimmung auch weniger erfreuliche Konsequenzen. Wer sich selbst so in die Verantwortung nimmt, dem fehlen die Ausreden für den Fall des Scheiterns. Wer sich in ein von höheren Mächten vorgeschriebenes Schicksal fügt, bekommt dann bequemerweise auch die Sündenböcke mitgeliefert, die an seinem Unglück Schuld tragen. Wer sich selbst in die Verantwortung nimmt, macht sich dagegen seine Entscheidungen nicht allzu einfach.

Allzu einfach macht es uns das politische Geschäft auch nicht, dass es nach liberaler Auffassung im Zweifelsfall zumeist besser ist, den Dingen ihren Lauf zu lassen, als in unüberlegten Aktionismus zu verfallen. Die Politik muss nicht alles regeln, sie kann es oft gar nicht. Doch wer ein fragwürdiges Gesetz oder eine unsinnige Subvention im Interesse der Bürger unterlässt, bekommt dafür kaum eine Schlagzeile. Mit Liberalen wäre es beispielsweise nur schwer vorstellbar, dass Politiker glauben, eher und preisgünstiger einen Flughafen fertigstellen zu können als Bauunternehmer. Die Rechnung für derlei Anmaßung zahlen beim Berliner Flughafenbau gerade die Steuerzahler. Solche jedermann einleuchtenden Beispiele sind eher selten. Zumeist lässt sich das Übermaß an staatlicher Regulierungssucht besser verschleiern und kommt uns doch teuer zu stehen. Mühe und Kreativität, dies zu erklären, sind gefragt.

Liberale sind nicht per se gegen den Staat. Sie sind allerdings in besonderem Maße skeptisch, was das Hineinregieren in alle Lebensbereiche betrifft. Diese Skepsis wird dann gern denunziert als Interessensvertretung für Privilegierte. Dabei steckt hinter solcher Beschimpfung in aller Regel nichts anderes als der Versuch, das Beharren auf eigenen Besitzständen zu verschleiern. Dass zum Beispiel Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes ein besonderes Interesse daran haben, die Politik in ihrem Sinne mitzugestalten, gilt gemeinhin als hinnehmbar. Die dürfen gern mehr Personal und Geld fordern. Das nennt sich dann Gemeinwohl. Wenn aber Vertreter der Wirtschaft, wenn beispielsweise mittelständische Unternehmer vor zu großen bürokratischen Apparaten warnen, dann wird dahinter sofort Profitgier vermutet. Diese seltsame Logik zu durchbrechen und mithilfe von Argumenten politische Vorstellungen zu überprüfen, ist Markenzeichen liberaler Politik.

Ich weiß, dass so mancher sich vor Eigenverantwortung und Risiko fürchtet. Und ich will darüber auch gar nicht urteilen. Ich weiß, dass zwar alle gerne von Freiheit reden, dann aber nicht wenige zusammenzucken, wenn ihnen die freie Entscheidung überantwortet wird. Die Sehnsucht nach Geborgenheit und nach Sicherheiten steckt in jedem von uns, doch sie ist jeweils sehr unterschiedlich ausgeprägt und sie kann von so manchem auch als Hindernis empfunden werden. Unser Angebot richtet sich zwar an alle, wird aber längst nicht jeden überzeugen. Doch ich bin fest davon überzeugt, dass es eine hinreichend große Anzahl von Bürgern gibt, für die unsere Botschaft attraktiv und eine liberale Stimme in der Bundespolitik unentbehrlich ist.

Eine Stimme, die im Bundestag derzeit nicht zu hören ist. Obwohl doch vermeintlich alle hinreichend liberal sind – die Konservativen, die Sozialisten, sogar die übrig gebliebenen Kommunisten und natürlich die Grünen. Gerade Letztere schicken sich besonders demonstrativ an, das liberale Erbe anzutreten. Für die ist es so wenig selbstverständlich, dass jeder selbst über sein Essen entscheiden kann, dass sie das in einem Antragstext erst klarstellen müssen. Eigentlich nicht weiter erklärungsbedürftig, dass eine solche Partei nicht besonders liberal sein kann. Da vertraue ich darauf, dass sich das jedem interessierten Zeitgenossen erschließt. Jedenfalls dann, wenn sich nicht allzu viele Liberale in der Rolle des machohaft bekennenden Fleischessers gefallen oder Rauchen zum Ausdruck liberalen Lebensgefühls hochstilisieren. Allzu schrille Töne übertönen auch das Offenkundige. Wir Liberale sollten der Verbotsgesellschaft Einhalt gebieten, ohne in trotzige Extreme zu verfallen.

Liberalismus ist eine Haltung, die sich durch alle Politikfelder zieht und größtmögliche Freiheit und Verantwortung des Einzelnen mit Zukunftsoptimismus verbindet. Gemeint ist nicht blinder Fortschrittsglaube, sondern Zutrauen in Innovationskraft und Erfindergeist des Menschen. Bisher ist es der Menschheit noch immer gelungen, im Streben nach einer Besserung ihrer Lage mit immer neuen Lösungen aufzuwarten. Zukunftsangst, sei sie konservativ oder grün-alternativ, verspielt gesellschaftliche Chancen.

Um unserer Botschaft mehr Gehör zu verschaffen, brauchen wir übrigens auch Mut zur Ideologie. Bei aller Belastetheit dieses Begriffes meint er doch eigentlich so viel wie Grundeinstellung und Wertvorstellung. Erst die leidenschaftliche Suche nach fundierten Sachpositionen macht eine Partei intellektuell spannend und interessant. Es gilt, Wertvorstellungen offenzulegen und zu erklären statt Technokratie und vermeintlichem Pragmatismus zu frönen. Dazu gehört auch ein sorgfältiger Umgang mit Sprache. Nicht zuletzt aus dem Anspruch heraus, es nicht Linken verschiedener Couleur zu überlassen, Begriffe zu prägen und allein zu besetzen. Freiheitlichen Werten Gehör zu verschaffen, setzt voraus, die inhaltliche und begriffliche Auseinandersetzung anzunehmen statt sich wie das Kaninchen vor der Schlange linker Deutungshoheit zu ergeben.

Und ich bin mir sicher, dass die nächsten Monate so manchen nachdenklich stimmen werden, der bislang die FDP für überflüssig gehalten hat. Denn das, was wir jetzt in Berlin erleben, diese Koalition der übergroßen, kostspieligen und wenig durchdachten wechselseitigen Geschenkpakete auf Kosten der Beitragszahler der Sozialkassen und der Steuerzahler, wollte so sicher kaum jemand. Letztlich allerdings wird eines entscheidend sein für die Zukunft der Liberalen in Deutschland. Wir müssen wieder glaubwürdig werden.

Das ist auf den ersten Blick eine schwierige Aufgabe, denn wir sind ja nirgendwo mehr in Regierungsverantwortung. Andererseits sind wir damit auch frei. Frei, mit langem Atem zu beweisen, dass uns unsere Vorstellungen und Ideen antreiben und nicht etwa die Hoffnung auf den nächsten Dienstwagen. Jeder Liberale, ob mit oder ohne Parteibuch, ist eingeladen, bei den Freien Demokraten mitzumachen. Das ist anders als Abwarten auf den Zuschauerrängen auch Erfolg versprechend.

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