STARK-WATZINGER-Gastbeitrag: Steuergelder sind keine Kamellen!
Die stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Bettina Stark-Watzinger MdB schrieb für das „Handelsblatt“ (Dienstags-Ausgabe) und „Handelsblatt Online“ den folgenden Gastbeitrag:
Der Wahlkampf ist in vollem Gange. Alle reden über Kanzlerkandidaturen, interne Strategiepapiere und mal mehr, mal weniger geglückte Kommunikation. Doch wir dürfen nicht aus dem Blick verlieren, worum es am 23. Februar wirklich geht: Verantwortung – auch für kommende Generationen. Kritiker wie Philippa Sigl -Glöckner werfen der Schuldenbremse vor, Investitionen zu verhindern und Politiker „denkfaul“ zu machen. Doch das Gegenteil ist der Fall: Die Schuldenlust macht Politiker denkfaul – und setzt Anreize für verantwortungsloses Handeln. Unternehmen stehen in der Regel im Wettbewerb. Der Wettbewerb zwingt sie, ihre Produkte effizient bereitzustellen.
Der Staat hat diesen Druck nicht. Ändern sich Aufgaben, wird in der Regel nach mehr Geld und mehr Personal gerufen. Fast nie wird darüber nachgedacht, wie Prozesse effizienter gestaltet werden können. Zum Beispiel, indem man Künstliche Intelligenz (KI) nutzt oder Verfahren standardisiert. Oder noch disruptiver, mutig zu sein, etwas einmal nicht mehr zu machen. Nur mit Budgetrestriktionen wird sich die Politik anstrengenden Fragen stellen, statt den einfachen Ausweg in die Schulden zu suchen. Die Schuldenbremse macht Politiker fleißig.
Sie setzt den Rahmen, in dem der Gesetzgeber sich bewegen kann. Verteilungskonflikte können nicht mehr zulasten der nächsten Generation unter den Tisch gekehrt werden. Die Schuldenbremse zwingt zur Auseinandersetzung mit Zielkonflikten. Sie ist eine Stimme für die junge Generation, unsere Kinder und Enkel. Sie bewahrt uns davor, ihre Interessen zu ignorieren. Die Schuldenbremse ist Demokratie in Aktion.
Eine sachliche Diskussion würde auch erwähnen, dass die Schuldentragfähigkeit eines Landes Voraussetzungen hat. Sie wird durch die Frage der Demografie und durch das Wachstums bestimmt. Beides sind Entwicklungen, die Deutschland stark belasten. Wer nur auf die Verschuldungsquote des Bundes schaut, übersieht, dass nach den europäischen Fiskalregeln das Sondervermögen der Bundeswehr sowie die Eigenkapitalzuschüsse für die Bahn berücksichtigt werden müssen. Für eine Aufhebung der Schuldenbremse müsste also auch hier eine Änderung erfolgen. Mit allen Konsequenzen für die finanzielle Stabilität Europas.
Und nicht zuletzt wird mit dem Begriff Investition suggeriert, es ginge immer um Zukunftsinvestitionen wie in der Wirtschaft. Die Bundeshaushaltsordnung definiert eine Investition nicht zwingend als etwas, das einen wirtschaftlichen Mehrwert bringt. In der Praxis führt das zu einer nahezu grenzenlosen Ausdehnung des Investitionsbegriffs. Wer Schulden unreflektiert zu Investitionen in den gesellschaftlichen Zusammenhalt verklärt, löst jede Begrenzung auf und öffnet Tür und Tor für eine Politik, die Steuergelder verteilt wie Kamellen.
Die Schuldenbremse schafft einen Rahmen, in dem nicht alles möglich ist, aber vieles besser werden kann. Wer sie aufhebt, öffnet die Tür zu einer Politik der unbegrenzten Versprechen und riskiert langfristig den Verlust des Vertrauens in die Stabilität unserer Staatsfinanzen. Ein Blick in die USA zeigt, was passiert, wenn diese Begrenzung fehlt: Dort übersteigt der Schuldendienst inzwischen die Ausgaben für den Verteidigungsetat. In Deutschland ist sie fast doppelt so hoch wie der Etat für Bildung und Forschung. Jeder Euro für Zinsen fehlt für Bildung, Infrastruktur und Sicherheit.
Die Politik hat wichtige Reformen und Investitionen jahrzehntelang verschleppt. Doch das ist kein Grund, jetzt den einfachsten Weg zu wählen. Im Gegenteil. Statt die Schuldenbremse aufzuweichen, sollten wir den Staat verschlanken und auf seine Kernaufgaben fokussieren. Ein effizienterer Staat schafft Spielräume für Investitionen und entlastet die Bürger langfristig. So erreichen wir mehr Wachstum, mehr Innovation und mehr Freiheit – ohne die Last auf kommende Generationen abzuwälzen.
Dass linke Parteien hier anders ticken, ist seit Längerem bekannt. Bemerkenswert aber ist die wachsende Unklarheit von CDU und CSU. Mit Wolfgang Schäuble hat sich die Union lange als Hüterin der Haushaltsdisziplin gezeigt. Unter Friedrich Merz ist selbst eine Lockerung der Schuldenbremse nicht mehr ausgeschlossen. Was gestern noch als unverrückbare Leitlinie galt, wird heute schon zur Diskussion gestellt. Was für ein Schlingerkurs!
Natürlich stehen wir vor großen Herausforderungen, deren Bewältigung viel Geld kostet – von der Energiewende über die Digitalisierung bis hin zu alternder Infrastruktur. Doch die Lösung liegt nicht darin, die Schuldenbremse aufzugeben. Als nach dem Ausbruch des Ukrainekrieges klar wurde, dass die Ausstattung unserer Bundeswehr marode ist, wurde über eine breite demokratische Legitimation das Sondervermögen geschaffen. Es ist Zeit, die Beschaffung effizienter zu machen. Durch eine gemeinsame europäische Beschaffung und eine Abschaffung der trägen bürokratischen Strukturen.
Die Schuldenbremse zwingt Regierungen dazu, nicht in Legislaturperioden zu denken, sondern langfristige Stabilität und Wohlstand im Blick zu behalten. Ohne diese Begrenzung drohen Wahlkämpfe zu Wettläufen um immer neue Versprechen zu werden – auf Kosten der Generationen, die diese Schulden eines Tages tragen müssen. Echte Politik bedeutet, Verantwortung zu übernehmen – für heute und für morgen.