STAMP-Interview: Für stärkere NRW-Vertretung in Berlin
Dr. Joachim Stamp, Ständiger Gast des Präsidiums der FDP, Landesvorsitzender der FDP und stellvertretender Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen, gab der "Rheinischen Post" (Samstagausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Kirsten Bialdiga:
Frage: Herr Stamp, hatten Sie das Ergebnis in Thüringen kommen sehen?
Stamp: Es hat eine Mutmaßung eines führenden Landespolitikers in Thüringen gegeben. Ich habe dennoch nicht erwartet, dass es der AfD gelingen könnte, eine demokratische Wahl so perfide zu hintertreiben und den eigenen Kandidaten als Strohmann zu verbrennen.
Frage: Hatten Sie vorher Kontakt zu Herrn Kemmerich?
Stamp: Ja, ich habe ihm empfohlen, sich auch auf dieses unwahrscheinliche Szenario vorzubereiten.
Frage: Und wie hat er reagiert?
Stamp: Er antwortete, dass es keine Absprache mit der AfD gibt. Was ich ihm auch glaube. Thomas Kemmerich ist ein aufrechter Demokrat, der dann im entscheidenden Moment schlichtweg mit der Situation überfordert war. Das alles war ein Riesenfehler. Aber unser Bundesvorsitzender Christian Lindner hat dann ja am nächsten Tag die Thüringer Parteikollegen überzeugt – und Kemmerich ist zurückgetreten.
Frage: Anders als Herr Lindner haben Sie sich sofort klar geäußert.
Stamp: Ich finde, dass man Christian Lindner unrecht tut: Sein Statement war nicht schwammig. Er hat gleich gesagt, dass er nicht Vorsitzender einer Partei sein kann, die in irgendeiner Weise mit der AfD kooperiert. Er war in seiner Wortwahl nicht so drastisch wie ich, weil sonst in Thüringen eine Art Trotzhaltung entstanden wäre, die den Rücktritt Kemmerichs erschwert hätte. Im Gegensatz zu Annegret Kramp-Karrenbauer hat Christian Lindner dann aber Führungsstärke bewiesen und die schwierige Lage für die FDP geklärt.
Frage: Wäre es nicht für die FDP besser, wenn sich in der Partei Ihre eindeutige Position als die maßgebliche durchsetzte?
Stamp: Es gibt da keinen Unterschied zwischen unserem FDP-Vorsitzenden und mir. Christian Lindner hat in einer beeindruckenden Rede im Deutschen Bundestag Verantwortung übernommen und für die Partei um Entschuldigung gebeten, eine solche Fähigkeit zur Selbstkritik erleben Sie bei Spitzenpolitikern selten. Es war völlig klar, dass diese Wahl nicht aufrechterhalten werden kann. Differenzen gibt es allerdings in der Bewertung der Vorgänge zwischen Ost- und Westdeutschen.
Frage: Was meinen Sie damit?
Stamp: Viele Menschen in Ostdeutschland haben einen etwas anderen Blick auf diesen Vorfall in Thüringen, den ich nicht nachvollziehen kann. Das mag auch daran liegen, dass im Osten Deutschlands zwei Diktaturen nicht richtig aufgearbeitet wurden. Viele Leute dort sehen nicht, dass es sich nur formal um eine demokratische Wahl handelte – weil die AfD einen eigenen Kandidaten vorgeschlagen hat, den sie gar nicht gewählt hat. Das war ein subversives Verhalten, das dem Geist der Verfassung widerspricht. Ich habe deshalb in der Landtagsdebatte von einem Anschlag auf die Demokratie gesprochen.
Frage: Sie gelten bereits als Kandidat für Herrn Lindners Nachfolge.
Stamp: Das ist doch Kokolores. Es stellt ihn in der Partei niemand infrage. Der Bundesvorstand hat ihm gerade eindrucksvoll das Vertrauen ausgesprochen.
Frage: Wie muss das Wahl-Ergebnis in Hamburg ausfallen, damit Herr Lindner FDP-Chef bleiben kann?
Stamp: Egal wie die Wahl ausgeht – Christian Lindner bleibt FDP-Bundesvorsitzender.
Frage: Stünden Sie im Zweifel bereit?
Stamp: Nein. Die Frage stellt sich doch gar nicht. Die Stimmung in der Partei wird sich nicht drehen.
Frage: Sehen Sie Unterschiede zwischen der AfD in Thüringen und in NRW?
Stamp: Die Solidarisierung der nordrhein-westfälischen AfD mit Höcke zeigt, dass die AfD insgesamt eine rechtsextreme Partei ist.
Frage: Sind die Wähler auch als rechtsextrem zu bezeichnen?
Stamp: Die Wähler sind nicht alle rechtsextrem, aber sie machen sich mit Rechtsextremen gemein, und das will ich nicht entschuldigen. Dennoch müssen wir den Teil der Wählerinnen und Wähler, der nicht rechtsextremistisch ist, von unserer Politik der Demokraten überzeugen. Ziel muss es sein, zumindest im Westen die AfD so schnell wie möglich unter die Fünf-Prozent-Hürde zu drücken.
Frage: Sehen Sie diese Chance in NRW?
Stamp: Ja. Die AfD bringt keine konstruktive Arbeit ein und ist in Umfragen wieder in der Abwärtsbewegung. Und entscheidend ist: Wir machen gute Politik in NRW und vor allem das macht der AfD zu schaffen.
Frage: Welche Auswirkungen der Thüringen-Krise sehen Sie für NRW?
Stamp: Keine. Wir regieren stabil.
Frage: Es könnte sein, dass der Ministerpräsident abhandenkommt…
Stamp: Armin Laschet ist auch jetzt schon in die Bundespolitik stark eingebunden. Es hilft uns, wenn wir als Nordrhein-Westfalen in Berlin noch stärker vertreten sind.