SOLMS-Gastbeitrag für das „Handelsblatt“
Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied DR. HERMANN OTTO SOLMS schrieb für das „Handelsblatt“ (Freitag-Ausgabe) den folgenden Gastbeitrag:
Die Große Koalition beherrscht eine Sache perfekt – sie verteilt üppige Wahlgeschenke an ihr geneigte Wählergruppen, überzieht sie mit wohlklingenden Versprechen und finanziellen Verlockungen und kassiert gleichzeitig hinterrücks ab, was sie vorher gönnerhaft verteilt hat.
Der Staat schlägt unter der Großen Koalition brutaler zu denn je. Die gesetzlich vorgeschriebene Absenkung der Rentenbeiträge hat die Regierung kurzerhand ausgesetzt. Das Geld, das eigentlich den Beitragszahlern zusteht, fließt stattdessen in die teure und ungerechte Rentenreform. Die Deutschen zahlen aber nicht nur mehr für die Rente, sondern bald auch für die Pflege – Anfang 2015 wird hier der Beitragssatz steigen. Auch bei der Krankenversicherung ist mit zunehmender Belastung zu rechnen.
Das Geld sprudelt, und der Staat hat geradezu traumhaft hohe Einnahmen. Allein in dieser Legislaturperiode kann der Fiskus mit Mehreinnahmen von rund 100 Milliarden Euro rechnen. Obwohl es in der Kasse klingelt, kommt der Staat mit dem Geld nicht aus. Und an eine Entlastung der Bürger denkt die Große Koalition erst recht nicht.
Zum Beispiel bei der kalten Progression. Diskussionen darüber werden schnell im Keim erstickt, vor allem vom Finanzminister. Der hält die Abschaffung der kalten Progression einmal für machbar, dann wieder für absolut unmöglich. Und schiebt dabei den Schwarzen Peter den Ländern zu. Hinter der Weigerung zur Entlastung verbirgt sich, dass keiner – weder Bund noch Länder – auf Einnahmen verzichten will. Jeder will weiter in die Taschen der Bürger greifen.
Gleiches gilt für den Soli. Auch hier müsste man über ein vorzeitiges Auslaufen dieser zeitlich befristeten Zusatzabgabe nachdenken, die doch eigentlich an den auslaufenden Solidarpakt gebunden war. Doch das Gegenteil passiert. Anstatt die Bürger zu entlasten, überlegt sich die Regierung, wie sie die Einnahmen aus dem Soli künftig behalten und diesen zu einem dauerhaften Teil der deutschen Steuerlandschaft machen kann.
Entlastung wäre auch beim Strompreis möglich. Denn hier ist der Staat der Hauptpreistreiber. Der Anteil an Steuern, Abgaben und Umlagen liegt inzwischen bei über 50 Prozent. Bei jeder Erhöhung kassiert der Staat doppelt mit. Auf die Stromsteuer und die EEG-Umlage erhebt er Mehrwertsteuer – also eine Steuer auf die Steuer. Die Bundesregierung bereichert sich über die Energiewende schamlos an den Verbrauchern. Es ist höchste Zeit, dass diese unsozialen Mehrkosten durch die Senkung beziehungsweise Abschaffung der Stromsteuer den Verbrauchern zurückgegeben werden.
Um die schwierigen Jahre nach 2020 mit circa sechs Millionen weniger Beschäftigten zu meistern, müsste die Regierung unverzüglich umschalten – weg von konsumtiven hin zu mehr investiven Ausgaben. Der Staat müsste in Bildung und Infrastruktur investieren. Auch im privaten Sektor brauchen wir mehr Investitionen, zum Beispiel in die Modernisierung von Unternehmen und Produkten. Dazu sollte es einen Anreiz geben – beispielsweise die Wiedereinführung der degressiven Abschreibung.
Die öffentlichen Kassen sind prall gefüllt wie nie zuvor. Vor dem Hintergrund der sprudelnden Einnahmen ist es die Pflicht der Bundesregierung, die schleichende Enteignung der Leistungsträger unserer Gesellschaft endlich zu beenden.