07.03.2016FDPFDP

RÜLKE-Interview: Wir wollen einen Politikwechsel

Berlin. Der FDP-Spitzenkandidat für die Landtagswahl Baden-Württemberg DR. HANS-ULRICH RÜLKE gab dem „Südkurier“ (Montag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten STEFAN LUTZ, GABRIELE RENZ und DIETER LÖFFLER:

Frage: Herr Rülke, Sie sagen auf Ihren Wahlplakaten: Wir haben das Chaos nicht angerichtet. Aber wir können es aufräumen. Was für ein Chaos denn?

RÜLKE: Das Flüchtlingschaos. Wir leben im Grunde in einer Situation, in der viele Flüchtlinge im Land leben und wir nicht wissen, wo sie sind.

Frage: Dafür kann die Landesregierung aber nichts?

RÜLKE: Doch, die Landesregierung hat es beispielsweise versäumt, die Landeserstaufnahmestellen zu vernetzen. Die Flüchtlingsdaten werden erfasst, es werden Fingerabdrücke genommen und dann kann es sein, der Flüchtling geht wieder und lässt sich irgendwo anders registrieren. Abgeglichen wird das nicht.

Frage: Ist es also ein Vorwurf an Kretschmann und Merkel?

RÜLKE: Der Slogan ist, wie gesagt, ein Generalvorwurf. Wenn die FDP in Regierungsverantwortung wäre, würden wir erstens diese Vernetzung ermöglichen. Das zweite Ziel ist die Umsetzung des Prinzips, Geldleistungen durch Sachleistungen zu ersetzen. Dem hat Kretschmann ja im Bundesrat zugestimmt, aber umgesetzt ist nichts. Das Dritte ist, dass die Quote der Abschiebungen deutlich höher werden muss. Weniger als zehn Prozent der Ausreisepflichtigen verlassen das Land. Auf europäischer Ebene ist es notwendig, zum Dublin III-Abkommen zurückzukehren. Da hat Angela Merkel offensichtlich umgedacht. Bei der Aufnahme der Ungarn-Flüchtlinge im vergangenen September hieß es noch, wir nehmen alle auf. Jetzt haben wir eine ähnliche Situation in Griechenland. Da sagt die Bundeskanzlerin plötzlich, es gebe dort Übernachtungsmöglichkeiten.

Frage: Wenn Sie sagen, wir haben das Chaos nicht angerichtet, aber wir können es aufräumen – wie stellen Sie sicher, dass Sie im Duktus nicht an die AfD heranreichen?

RÜLKE: Die AfD richtet sich gegen die Flüchtlinge, wir richten uns gegen die Flüchtlingspolitik von Frau Merkel. Sie werden in der FDP niemanden finden, der sagt, man müsse an der Grenze auf Frauen und Kinder schießen, wie Frau von Storch oder Frau Petry. Sie werden bei der FDP niemanden finden, der, wie der AfD-Kreisvorsitzende in meinem Wahlkreis, meint, das Abfackeln von Flüchtlingsheimen sei ein Akt des zivilen Ungehorsams. Der hat dafür zwar inzwischen einen Strafbefehl bekommen, wird aber noch immer im Amt gehalten und der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen lässt sich mit ihm fotografieren. Ein anderer AfD-Kandidat sagt, es sei egal, ob ein Flüchtling an der deutschen oder griechischen Grenze stirbt. Es gibt also eine Vielzahl an menschenverachtenden Äußerungen. Ich glaube schon, dass da ein ganz anderer Duktus zu hören ist.

Frage: Wie lässt sich das weitere Erstarken der AfD verhindern?

RÜLKE: Indem man die Flüchtlingskrise löst. Die AfD erstarkt deshalb, weil die Menschen den Eindruck haben, die Politik versagt. Und die Kanzlerin setzt das Signal, wir seien uneingeschränkt aufnahmefähig. Das sind die Folgen von Selfies mit Flüchtlingen und dem Satz „Wir schaffen das“, ohne zu verraten, wie. Das beunruhigt die Leute, die sagen dann: Wir müssen die Politiker da oben aufrütteln!

Frage: Sie kritisieren die Flüchtlingspolitik der CDU, kritisieren Sie auch Ihren Wunschpartner Guido Wolf?

RÜLKE: Bei der Landes-CDU ist nicht immer ganz klar, wo sie in der Flüchtlingsfrage gegenüber Frau Merkel steht. Der Klöckner-Wolf-Plan ist eine ganz andere Position als die der Kanzlerin. Gleichzeitig behaupten immer alle, dass sie hinter der Kanzlerin stünden. Was die möglichen Beiträge der Landespolitik zur Bekämpfung der Krise anlangen, so vertreten CDU und FDP ähnliche Positionen.

Frage: Sieben, acht Prozent: Die FDP steht in Umfragen gerade bestens da, im Unterschied zur CDU. Saugt die FDP Stimmen von der CDU?

RÜLKE: (lacht) Ich sauge, was mir vor die Zähne kommt. Ich mache keinen Koalitionswahlkampf, sondern ein Angebot an die Wähler. Wir als FDP wollen so gut wie möglich abschneiden.

Frage: Erstaunlich, dass Sie sagen, sie machten keinen Koalitionswahlkampf. Auf dem Parteitag haben Sie sich auf die Deutschland-Koalition festgelegt, auf Schwarz-Rot-Gold.

RÜLKE: Nein, ich werbe nicht um Stimmen für ein bestimmtes Bündnis. Wir haben beim Parteitag gesagt, es gibt mehrere Optionen. Wir sind durchaus bereit, weiter in der Opposition zu bleiben.

Frage: Warum haben Sie die grün geführte Ampel ausgeschlossen?

RÜLKE: Weil wir einen Politikwechsel wollen. Ich habe fünf Jahre lang die grün-rote Landesregierung bekämpft. Manche Medien nennen mich eher positiv den eigentlichen Oppositionsführer, andere sehen es etwas negativer und nennen mich Brüllke. Faktum ist, ich war wahrscheinlich der schärfste Kritiker dieser Regierungspolitik. Nun gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder ich sage: Ich bin bereit, mit Euch zusammenzuarbeiten. Dann brauche ich, um meine Glaubwürdigkeit nicht zu verlieren, einen Politikwechsel. Oder ich sage: Mit Euch arbeite ich nicht zusammen!

Frage: Dann stellen Sie die Grünen aber außerhalb des demokratischen Spektrums?

RÜLKE: Nein, wir haben den Grünen die Möglichkeit gegeben, uns einen Politikwechsel zu signalisieren. Herr Kretschmann hat in einer Zeitung erklärt, mit fünf Prozent könne man keinen Politikwechsel verlangen. Gut, dann kann man aber von uns auch keine Koalition verlangen.

Frage: Man kann doch nicht ernsthaft sagen, das Land sei im Chaos versunken. Warum sollte Kretschmann etwas ändern?

RÜLKE: Wir halten dennoch seine Schulpolitik für falsch. Es war falsch, die Grundschulempfehlung abzuschaffen. Es ist ein Fehler, die Gemeinschaftsschule zu privilegieren und dabei die Berufsschulen unter die Räder kommen zu lassen. In der Wirtschaftspolitik schlagen die Entscheidungen dieser Regierung nur deshalb nicht negativ durch, weil die Konjunktur so robust ist. Bildungszeitgesetz, Tariftreuegesetz oder die Novelle zur Landesbauordnung werden sich bitter rächen, wenn die Konjunktur in schwierige Gewässer kommt.

Frage: Aber die Weichenstellungen gehen doch ebenso mit der SPD heim. Mit der würden sie aber koalieren?

RÜLKE: Ja, es gibt sicher auch Entscheidungen der SPD, die wir für falsch halten. Aber die SPD hat immerhin signalisiert, sie wäre verhandlungsbereit, sogar noch vor der Wahl.

Frage: Sie ketten sich wieder an die CDU?

RÜLKE: Wir ketten uns nicht an die CDU. Wir haben ja deutlich gesagt, wir bleiben nötigenfalls in der Opposition.

Frage: Lehnen Sie sich etwas weit aus dem Fenster? Hängt das Nein an Ihrer Person?

RÜLKE: Nein, meine Aussage, dass es in Baden-Württemberg eine grün geführte Ampel unter FDP-Beteiligung nicht geben wird, deckt sich mit dem Parteitagsbeschluss von Pforzheim. Ich kann doch nicht auf dem Parteitag beschließen, es mir nicht vorstellen zu können und es dennoch machen. Damit würde man die Wähler hinter die Fichte führen. So etwas mache ich nicht mit.

Frage: Da kommt einem gleich ein anderes Wahlplakat in den Sinn: Du kannst Rülke nicht ändern, aber Rülke das Land. Wer will Sie ändern?

RÜLKE: Es gibt sicher manche, die mit mir nicht ganz einverstanden sind, aber ich wurde mit immerhin 99,5 Prozent zum Spitzenkandidaten gewählt. Der Slogan ist eher ein selbstironischer Verweis auf einen Politiker mit Ecken und Kanten.

Frage: Aber auch einen, der sich in Badehose vermarktet. Haben wir da mehr PR-Gags zu erwarten?

RÜLKE: Nein. Dass dieses Foto mal lebensgroß im Studio der Tagesthemen steht, hätte ich nicht gedacht. Es ist 35 Jahre alt, da sind keine Obszönitäten drauf. Ich würde es nochmal machen. Aber trotzdem ist klar: Man muss vorsichtig sein, dass man es nicht übertreibt. Sonst besteht die Gefahr, in die Kategorie Spaßwahlkampf eingruppiert zu werden. Das Guido-Mobil war 2002 in Ordnung, aber die 18 auf der Schuhsohle war zu viel. Nach der Prominenz der Badehose war für mich klar, dass man in der Richtung nicht mehr aufsatteln darf.

Frage: Welchen Rülke bekommt der Wähler denn, wenn er am 13. März FDP wählt – den Staatsmann oder den Brüllke?

RÜLKE: Es geht ja um Rollen. Wenn ich in eine Regierungskoalition eintrete, habe ich eine andere Rolle als bisher. Dann kriegen Sie den Staatsmann. Wenn Sie mich nicht wählen, bleibe ich in der Opposition, dann wird es wieder etwas krawalliger.

Frage: Die Bundes-FDP blickt gespannt auf Sie. Gibt es Vorgaben?

RÜLKE: Nein. Du kannst Rülke nicht ändern, heißt auch, Rülke lässt sich nicht fern-steuern. Auch nicht durch die Bundes-FDP.

Frage: Wie schnell entscheidet sich eine Regierungskoalition?

RÜLKE: Das hängt nicht nur von uns ab. Die Frage ist, was rechnerisch und was politisch möglich ist. Dann kommt man am ehesten auf eine schwarz-rot-goldene Koalition. Wenn CDU und SPD Gespräche führen wollen, dann finden sowohl ich als auch der Kollege Theurer einen Platz im Terminkalender.

Frage: Oder Sie sind aus dem Spiel, weil es zu Grün-Schwarz oder Schwarz-Grün kommt.

RÜLKE: Wenn CDU und Grüne miteinander koalieren, dann sind wir in der Opposition. Das ist völlig klar.

Frage: Also Deutschland-Koalition Schwarz-Rot-Gelb oder Opposition?

RÜLKE: Nach den jetzigen Umfragewerten: Ja.

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