22.04.2020FDPFDP

RÜLKE-Interview: Das ist nicht demokratisch

FDP-Präsidiumsmitglied und Sprecher der FDP-Fraktionsvorsitzendenkonferenz Hans-Ulrich Rülke gab der „Rhein-Neckar-Zeitung“ (Mittwoch-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Axel Habermehl.

Frage: Herr Rülke, wir erleben die krasseste Streichung von Bürgerrechten in der Landesgeschichte und von der FDP kommt kaum Kritik. Warum nicht?

Rülke: Von uns kommt natürlich schon erhebliche Kritik. Gegen die Entscheidung, ein Berufsverbot für Zahnärzte zu verhängen, haben wir massiv protestiert. Da ist Sozialminister Lucha dann ja auch zurückgerudert. Wir haben auch, gemeinsam mit der SPD, den Versuch von Innenminister Strobl verhindert, die Gemeindeordnung auf dem Verordnungsweg zu ändern. Und wir haben im wirtschaftlichen Bereich an vielen Stellen Kritik an der Corona-Politik geübt.

Frage: Sie rügen Details, die große Linie tragen Sie doch mit.

Rülke: In einer solchen Krisensituation wie dieser Pandemie waren zunächst einmal Maßnahmen notwendig, um die Infektionszahlen abzusenken. Insofern haben wir manche Beschlüsse der Regierung mitgetragen.

Frage: Das Land wird seit Wochen per Verordnung regiert, das Kabinett hat einen Lenkungskreis aus Beamten bevollmächtigt. Ist das demokratisch?

Rülke: Nein, das ist nicht demokratisch. Ich habe auch den Eindruck, dass der Einfluss mancher Experten zu groß ist. Die Argumentation des Braunschweiger Helmholtz-Zentrum zum Reproduktionsfaktor des Virus‘ beispielsweise finde ich im Wortlaut der Kanzlerin und des Ministerpräsidenten. Die aktuelle Entwicklung widerlegt aber diese Experten.

Frage: Wo bleibt eigentlich der Landtag?

Rülke: Das fragen wir auch immer wieder. Wir haben den Eindruck, dass manche Minister – etwa Sozialminister Lucha und Innenminister Strobl – froh sind, kein Parlament zu haben, um einen gewissen Absolutheitsanspruch durchzusetzen. Den Ministerpräsidenten nehme ich ausdrücklich aus, der hat sich in den vergangenen Wochen bemüht, die Opposition zu informieren.

Frage: Das Recht auf körperliche Unversehrtheit steht nicht allein im Grundgesetz. Wie lange trägt die FDP-Fraktion die Eingriffe mit?

Rülke: Nur so lange, bis es eine Entspannung der Lage gibt. Das ist nun der Fall. Der Bevölkerung wurde ja immer gesagt: Wir brauchen bei den Neuinfektionen einen Verdopplungszeitraum von zwei Wochen. Das ist längst überschritten. Dann haben die Regierenden plötzlich, wie das Braunschweiger Helmholtz-Zentrum, mit dem Reproduktionsfaktor argumentiert: Da sei 1,0 das Ziel, damit die Zahl der Infizierten nicht zu schnell steige. Aber nach meiner Berechnung liegen wir in Baden-Württemberg jetzt unter 0,5. (Im Lagebericht des Landes vom Montag wird er mit 0,6 angegeben; Anm. d. Red.) Die Zahl der Infizierten halbiert sich innerhalb von zwei Wochen. Daher ist der Zeitpunkt gekommen, den Menschen ihre Bürgerrechte zurückzugeben.

Frage: Was fordern Sie konkret?

Rülke: Im Handel wollen wir diese unsinnige Grenze von 800 Quadratmetern abschaffen. Es ist nicht einsichtig, dass die Infektionsgefahr in großen Läden größer sein soll als in kleinen. Wir fordern auch eine sofortige Öffnungsperspektive für das Hotel- und Gaststättengewerbe. Die meisten Sportarten, also Vereine, sollten wieder an den Start gehen dürfen. Es versteht doch niemand, warum Reiten, Tennis, Golfen oder Segeln gefährlich sein soll. Außerdem glauben wir nicht, dass es sinnvoll und nötig ist, Kinderbetreuungseinrichtungen bis zu den Sommerferien geschlossen zu halten.

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