17.08.2013FDP

RÖSLER-Interview für die "Sächsische Zeitung"

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende Bundeswirtschaftsminister DR. PHILIPP RÖSLER gab der "Sächsischen Zeitung" (Samstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte ANNETTE BINNINGER:

Frage: Herr Rösler, wissen Sie, wie lange die Bahnfahrt von Berlin nach Dresden dauert?

RÖSLER: Sie werden es mir gleich sagen.

Frage: Zwei Stunden und zehn Minuten.

RÖSLER: Das hätte ich nicht vermutet.

Frage: Und das soll auch auf Jahre noch so bleiben. Warum lässt sich eine Landeshauptstadt nicht besser anbinden?

RÖSLER: Die Bundesregierung hat alle Weichen gestellt. Einer von insgesamt acht Streckenabschnitten ist fertig, einer ist im Bau. Jetzt liegt es an der Bahn, für die übrigen sechs Abschnitte die nötigen Planungen auf den Weg zu bringen.

Frage: Der Eindruck bleibt: Ob von West nach Ost oder von Ost in den tiefen Süden - der Osten scheint, was die Bahninfrastruktur angeht, weiterhin abgehängt. Das kann Ihnen auch als Wirtschaftsminister nicht gefallen.

RÖSLER: Das sind Versäumnisse vom Anfang des Jahrtausends. Das wird man leider auch nicht so leicht mehr korrigieren können.

Frage: Es trifft nicht nur den Osten, sondern, wie man am Beispiel Mainz sieht, sogar eine Landeshauptstadt im tiefsten Westen. Wer trägt die Verantwortung für dieses Bahn-Desaster?

RÖSLER: Ich glaube, man hat in den vergangenen Jahren bei der Bahn einfach zwei Dinge miteinander verwechselt. Kürzen und Sparen auf der einen und Steigerung von Effizienz auf der anderen Seite. Man hat gespart, gekürzt, eben auch beim Personal. Das bringt aber nicht unbedingt eine Steigerung der Effizienz.

Frage: Wer trägt die Schuld? Nur das Bahn-Management?

RÖSLER: Allein sicher nicht. Ich glaube, die Grundursache ist, dass es keinen echten Wettbewerb gibt.

Frage: Wir reden aber immer noch über den "Staatsbetrieb Bahn". Der Spardruck kam doch von der Bundesregierung.

RÖSLER: In dieser Legislaturperiode hat das Thema Privatisierung schlichtweg keine Rolle gespielt.

Frage: Und da nehmen Sie sogar Verkehrsminister Ramsauer in Schutz?

RÖSLER: Was in Mainz passiert ist, kann ein Verkehrsminister nur mittelbar beeinflussen. Die Bahn ist eben ein sehr großes, oft auch bürokratisches Unternehmen.

Frage: Auch beim Thema Energie hat die FDP versucht gegenzusteuern. Doch aus der vielversprechend klingenden "Strompreisbremse" ist nichts geworden. War das nicht zu viel versprochen?

RÖSLER: Die "Strompreisbremse" ist an Rot und Grün gescheitert. Vor allem die Grünen haben sich mit Blick auf die Interessen ihrer Klientel quer gestellt. Das ist unverantwortlich.

Frage: Sind die Strompreise überhaupt noch zu bremsen - in naher Zukunft?

RÖSLER: Wir müssen unbedingt an die überzogene Förderung der erneuerbaren Energien ran. Wir haben derzeit ein planwirtschaftliches System. Da legt der Gesetzgeber den Strompreis fest, nicht der Markt entscheidet. Das führt zu Ineffizienz, zu Fehlinvestitionen und zu Fehlentscheidungen. Nur ein Beispiel: Wer sich in seinen Vorgarten ein Windrad stellt, der bekommt für die nächsten 20 Jahre 95 Prozent der gesetzlich festgelegten Vergütung, selbst wenn der erzeugte Strom gar nicht in das Netz fließt. Wir haben als einzige Partei mit dem Mengenmodell ein Alternativkonzept vorgestellt. Den Energieversorgern geben wir eine Menge vor, wie viel Ökostrom sie anbieten müssen. Mit Blick auf die Kosten sollen sie selbst entscheiden, ob sie Strom aus Wind, Sonne oder Biomasse beziehen. Aber anders als bisher legen wir nicht staatlich fest, wie welcher Strom zu welchem Preis erzeugt wird. Das muss der Markt entscheiden. Und das spürt auch der Kunde.

Frage: Aber haben dann erneuerbare Energien überhaupt noch eine Chance?

RÖSLER: Wir wollen weiterhin den Anteil an erneuerbaren Energien vorgeben und steigern. Aber er muss eben auch bezahlbar bleiben.

Frage: Aber selbst wenn Sie dieses Modell sofort im Herbst gesetzlich auf den Weg bringen könnten - der Strompreis wird noch lange weitersteigen.

RÖSLER: Was gesetzlich zugesagt wurde, müssen wir einhalten. Das ist eine Frage der Rechts- und Investitionssicherheit. Aber für mich ist klar: Die Frage der Bezahlbarkeit von Strom ist eines der wichtigsten Projekte für die nächste Legislaturperiode. Bis zu einer grundlegenden Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) brauchen wir ein Moratorium für den weiteren Zubau.

Frage: Ab wann könnte sich dann eine solche Gesetzesänderung positiv auswirken?

RÖSLER: Das kann heute niemand sagen. Nur eines ist sicher: Wenn wir nicht schnell handeln, wird es immer teurer.

Frage: Das hiesige Modell hat zumindest eines gebracht, eine Menge Arbeitsplätze, gerade auch in Ostdeutschland, die zum Beispiel Solarmodule herstellen.

RÖSLER: Unser Ziel ist, mehr Wettbewerb bei den Erneuerbaren zu schaffen. Wettbewerb fördert die Innovationskraft. Das hilft den Unternehmen mit Blick auf die globale Konkurrenz und ist damit letztlich auch gut für den Arbeitsmarkt.

Frage: Warum haben Sie sich dann gegen Sanktionen gegen chinesische Hersteller entschieden?

RÖSLER: Weil wir eine Eskalation und einen grundlegenden Handelskonflikt vermeiden wollten. Wir haben auf Dialog statt auf Drohungen gesetzt, denn ein Konflikt hätte sich auf andere Branchen ausdehnen können. Zum Glück hat man sich jetzt ja auch friedlich geeinigt.

Frage: Die Wirtschaft fasst zur Zeit wieder etwas Tritt. Nur der Osten schwächelt weiter. Was wollen Sie dagegen tun?

RÖSLER: Unser Ziel muss sein, weiter für Wachstum in Ost wie West zu sorgen. Bezahlbare Energiepreise spielen hier eine entscheidende Rolle. Ein großes Thema in allen Regionen ist auch die Sicherung des Fachkräftenachwuchses. Und eines ist klar: Zusätzliche Steuerbelastungen, wie SPD und Grüne sie planen, sind eine Gefahr für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Mit der FDP wird es jedenfalls keine neuen Belastungen geben.

Frage: Und was können Sie dazu beitragen?

RÖSLER: Eine große Herausforderung für die nächsten Jahre ist die zunehmende Digitalisierung. Hier gibt es enormes Wachstumspotential, auch in den neuen Bundesländern. Unseren starken industriellen Kern müssen wir sichern, zugleich die Industrie mit den modernen Informationstechnologien stärker verzahnen. Hier liegen enorme Chancen für die deutsche Wirtschaft im Osten wie in ganz Deutschland.

Frage: Und die Löhne könnten da mit steigen?

RÖSLER: Es nicht Sache der Politik, das festzulegen. Das müssen die Tarifpartner miteinander besprechen. Darum sind wir auch gegen eine flächendeckenden gesetzlichen Einheitsmindestlohn.

Frage: Wo liegt denn für Sie die Schmerz-Untergrenze für einen Stundenlohn? 3,5 Euro? 4 Euro?

RÖSLER: Ich werde mich nicht auf eine Zahl festlegen lassen. Wir setzen weiterhin auf die Tarifpartnerschaft. Allerdings: Als Vertreter der sozialen Marktwirtschaft bin ich auch der Meinung, dass dies eben nicht zügelloses Wirtschaften bedeutet, sondern dass es auch Regeln geben muss. Darum darf man nicht zulassen, dass ein Arbeitgeber ein Geschäftsmodell darauf aufbaut, dauerhaft seinen Beschäftigten erkennbar zu niedrige Löhne zu zahlen.

Frage: Das Thema Steuersenkung war das große Zugpferd der FDP bei den vergangenen Bundestagswahlen. Aber das Ergebnis ist eher bescheiden ausgefallen.

RÖSLER: Wir haben die Menschen entlastet, und zwar um 22 Milliarden Euro - bei Steuern und bei Sozialabgaben. Zum Beispiel haben wir die Praxisgebühr abgeschafft. Dass unsere Wirtschaft wächst, verdanken wir auch diesen Maßnahmen.

Frage: Die Milliarden klingen viel. Für den Einzelnen war da nicht viel spürbar. Die FDP hatte aber deutlich höhere Erwartungen geweckt.

RÖSLER: Mit der Krise des Euro kamen Aufgaben auf uns zu, die 2009 nicht vorhersehbar waren. Wir haben gesehen, wie übermäßige Staatsverschuldung Länder in eine schwierige wirtschaftliche Lage bringen kann. Unsere Lehre daraus ist, dass wir die Konsolidierung der Haushalte in den Mittelpunkt unserer Arbeit stellen.

Frage: Wenn Sie nicht mehr auf das Versprechen von Steuerentlastungen setzen können, mit welchem Spitzenthema will die FDP diesmal werben?

RÖSLER: Zuallererst setzen wir uns für stabile Haushalte ein. Wir werden weitere Belastungen verhindern - und wenn möglich für steuerliche Entlastung sorgen. Konkret wird es auch um den Solidaritätszuschlag gehen. Helmut Kohl und Hans-Dietrich Genscher haben versprochen, den Soli zu befristen, dieses Versprechen müssen wir halten.

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