10.08.2013FDPFinanzpolitik

RÖSLER-Interview für den "Nordkurier"

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende Bundeswirtschaftsminister DR. PHILIPP RÖSLER gab dem "Nordkurier" (Samstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte UWE REISSENWEBER:

Frage: Herr Rösler, Sie haben in den vergangenen Jahren drei Mal Urlaub in Boltenhagen gemacht. Hat sich die Geschäftsführung des Hotels bei Ihnen persönlich bedankt?

RÖSLER: Freundlich begrüßt hat sie mich. Ich bin total gern hier, diesmal hatten wir auch gutes Wetter. Ich war aber auch schon vorher in der Region. Die Liebe zur Ostsee ist entstanden nach meinem Examen, da bin ich mit meinem Vater an der Küste entlang gefahren. Meine Frau und ich haben auch unsere Hochzeitsreise hierher gemacht, nach Binz.

Frage: Ich meinte auch eher: Für die Senkung der Hotel-Mehrwertsteuer bedankt.

RÖSLER: Wenn man sich die Fakten anschaut, dann zeigt sich, dass sich dieser Schritt sehr deutlich auf die Investitionstätigkeit der Branche ausgewirkt hat. Die Fachhochschule Westküste hat im Raum Hamburg und Schleswig-Holstein 5200 Hoteliers befragt. Allein im Jahr 2011/12 haben diese Unternehmen eine Milliarde Euro investiert, in die Infrastruktur und damit auch in die Qualität der Übernachtung und Bewirtung. Das ist ein ansehnlicher Beitrag gewesen, um die Wettbewerbsfähigkeit auch im europäischen Vergleich zu erhalten. Vor allem wurden dabei 10.000 neue Arbeitsplätze geschaffen.

Frage: Und haben Sie vielleicht mal im Hotel nachgefragt, wie hoch in etwa der Stundenlohn für ein Zimmermädchen, den Koch und den Kellner in Mecklenburg-Vorpommern ist?

RÖSLER: Sie werden es mir bestimmt gleich sagen.

Frage: Wissen Sie es?

RÖSLER: Wie gesagt, ich bin sehr gespannt.

Frage: Die Einstiegslöhne bewegen sich bei etwa 7,50 Euro. Sie sprechen sich gegen einen Mindestlohn aus - warum sollen Zimmermädchen, Koch, Kellner Sie wählen?

RÖSLER: Wir sind gegen einen gesetzlichen, flächendeckenden, einheitlichen Mindestlohn. Wir setzen auf die Tarifautonomie. Sie hat uns die höchste Beschäftigtenzahl in der Geschichte unseres Landes beschert. Tarifpartner sollen in der Regel die Löhne aushandeln. Allerdings wissen wir auch, dass es Regionen gibt, in denen es solche Tarifpartner schlicht nicht gibt, weil weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber sich in ausreichender Zahl zusammengeschlossen haben. Und da hat der letzte Bundesparteitag beschlossen, dass wir für diese Regionen eine Lösung brauchen, mit deren Hilfe dann faire Löhne ausgehandelt werden.

Frage: Welche Lösung?

RÖSLER: "Wir haben ein Modell vorgeschlagen, wonach Arbeitgeber und Arbeitnehmer für jede Branche einen Vorschlag erarbeiten, dezentral und passgenau. Damit erhalten wir die Tarifautonomie."

Frage: Aber daran muss sich doch niemand halten.

RÖSLER: Auch eine solche Vereinbarung ist ein Vertrag, an den sich die Vertragspartner halten müssen. Daneben gibt es seit langem die Möglichkeit zum Beispiel für eine Landesregierung, einen Tarifvertrag für allgemeinverbindlich zu erklären. Das wird aber kaum gemacht. Viele Arbeitsminister, die sich auf Grund ihrer Parteizugehörigkeit für einen Mindestlohn aussprechen, nutzen dieses Instrument interessanterweise nicht.

Frage: Ein anderes heißes Eisen hier im Land ist die maritime Industrie. Andere Länder wie Südkorea, China, aber auch Frankreich subventionieren ihre Werften. Warum ist das in Deutschland nicht möglich?

RÖSLER: Subventionen sind durch EU-Recht verboten. Und eine Branche, die nur durch Subventionen am Leben erhalten wird, ist auch auf Dauer nicht zukunftsfähig. Also müssen wir einen anderen Weg gehen. Wir müssen da besser sein, wo die anderen billiger sind. Deswegen ist unser Ansatz immer wieder, Innovationen anzustoßen. Die werden sehr wohl gefördert, auch von meinem Ministerium. Zum Beispiel im Bereich der Umwelttechnik, der Antriebstechnik. Auf europäischer Ebene sehen wir in der Tat eine Herausforderung. Zumindest bei den Finanzierungskonditionen wollen wir einen Beitrag leisten, den Werften Wettbewerbsgleichheit zu ermöglichen, unter anderem für Kreuzfahrtschiffe, die hier in Mecklenburg-Vorpommern gebaut werden. Da sind wir bereit, bis an die Grenzen des Machbaren zu gehen.

Frage: Machen wir mal einen Sprung vom Norden des Bundeslandes in den Osten. Dort gibt es eine lange Grenze zum Nachbarn Polen. Wo sehen Sie Perspektiven der wirtschaftlichen Zusammenarbeit?

RÖSLER: Ich sehe sie als Bundeswirtschaftsminister, und ich sehe sie ganz persönlich. Ich bin damit groß geworden, dass die deutsch-französische Freundschaft zur Staatsräson gehört. Nach der Maueröffnung hat sich das zum Glück noch erweitert. Ich bin einer der größten Anhänger Polens. Deutsche Unternehmen beispielsweise im Raum Posen sind hochzufrieden mit dem Standort. Auch möchten wir gerne, dass polnische Investitionen zu uns kommen. Nicht zuletzt arbeiten wir mit Polen zusammen im Bereich Energie. Hier in Mecklenburg-Vorpommern wird ja viel Windenergie produziert. Manchmal gibt es Überproduktion. Dann sind wir unseren Nachbarländern zu Dank verpflichtet, wenn sie uns diese überschüssigen Mengen abnehmen.

Frage: Andererseits planen die Polen ja nun den Bau von Atomkraftwerken, auch in Grenznähe. Wie kommentieren Sie das?

RÖSLER: Gar nicht. Weil die EU-Regeln ganz klar sind: Jedes EU-Mitglied ist für seinen Energiemix verantwortlich. Das gilt für Deutschland, deswegen haben wir den Ausstieg beschließen können, das gilt aber auch für Polen, Frankreich und andere Staaten. Dass Kernenergie von der EU gefördert wird, das können wir uns aber nicht vorstellen.

Frage: Vom Land zum Bund. Was denken Sie denn, wo die FDP bei den Bundestagswahlen im September landen wird?

RÖSLER: Wir kämpfen dafür, dass wir in der Regierungsverantwortung bleiben. Es waren vier gute Jahre für unser Land, wenn Sie sich beispielsweise die Arbeitsmarktdaten ansehen. Wir möchten, dass das auch so bleibt. Die Themen liegen auf der Hand: solider Haushalt, stabiles Geld, keine neuen Belastungen, wenn möglich Entlastungen.

Frage: Welche?

RÖSLER: Der Soli. Jeder weiß, dass die Maßnahmen für die Finanzierung der deutschen Einheit im Rahmen des Solidarpaktes 2019 auslaufen. Und niemand hätte Verständnis dafür, wenn trotzdem noch der Soli weitergeführt würde.

Frage: Aber kein Ausstieg vor 2019?

RÖSLER: Bei der Einführung des Soli im Jahre 1991 gab es das klare Versprechen, dass diese Abgabe befristet ist. An dieses Versprechen fühlt sich die FDP gebunden. Wir wollen den Soli schrittweise abschaffen, ohne im Gegenzug die Staatsschulden zu erhöhen. Entscheidend ist, dass der Soli bald Geschichte ist.

Frage: Eine letzte Frage noch - der Abhörskandal. Ist denn wirtschaftspolitisch etwas zu machen, um das Ausmaß einzuschränken? Die FDP war ja immer eine Partei, die die Bürgerrechte hochgehalten hat.

RÖSLER: Wir haben vier Jahre vehement gegen die Einführung der Vorratsdatenspeicherung gekämpft. Lange Zeit wurden wir dafür als Sicherheitsrisiko hingestellt. Jedes Mal, wenn irgendwo eine Katze entlaufen ist und man hat sie dann einen Tag später auf einem Baum wiedergefunden, hieß es gleich aus Reihen der Innenpolitiker: Wenn wir die Vorratsdatenspeicherung gehabt hätten, dann hätten wir die Katze aber früher gefunden. Jetzt zeigt sich, wie richtig es war, beharrlich gegen hemmungsloses Datensammeln zu stehen.

Jetzt zum Thema Datenschutz, es gibt da drei Punkte: Jeder Unternehmer muss beim Thema Datensicherheit noch sensibler werden. Zweitens: Wir brauchen einheitliche Datenschutzregeln in der EU, dazu zähle ich auch Großbritannien. Dafür kämpft Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Gemeinsam mit Außenminister Guido Westerwelle wirbt sie auch dafür, auf Ebene der Vereinten Nationen den Schutz der Privatsphäre zu verankern. Drittens: Es muss dafür gesorgt werden, dass die Regeln auch eingehalten werden. Dazu müssen wir aber erst einmal genau erheben, was im Fall NSA tatsächlich passiert ist. An dieser Aufklärung arbeitet die Bundesregierung mit aller Kraft und Seriosität.

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