09.07.2012FDPAußenpolitik

RÖSLER-Interview für "Bild/Bild.de"

Berlin. Der FDP-Bundesvorsitzende und Bundeswirtschaftsminister, DR. PHILIPP RÖSLER, gab "Bild/Bild.de" (Montag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte JAN W. SCHÄFER:

Frage: Über der deutschen Wirtschaft ziehen dunkle Wolken auf - würgt die Eurokrise auch unsere Konjunktur ab?

RÖSLER: Viele Firmen werden vorsichtiger, halten Bestellungen zurück. Dennoch erwarten wir in diesem Jahr wieder Wachstum. In unserer Frühjahrsprojektion gingen wir davon aus, dass unsere Wirtschaft 2012 um 0,7 Prozent wächst. Im Herbst werden wir diese Einschätzung turnusgemäß überprüfen.

Frage: Und im nächsten Jahr droht dann der Absturz - so wie 2009?

RÖSLER: Nein, das sehe ich nicht. Aber klar ist: Wir müssen weiter für eine stabile Währung kämpfen. Dafür ist es wichtig, dass Deutschland wettbewerbsfähig bleibt. Die deutsche Wirtschaft braucht eine Entlastung bei den Sozialabgaben, z.B. durch eine deutliche Senkung der Rentenbeiträge zum Jahreswechsel. Ich fordere darüber hinaus von der Opposition, ihren Widerstand gegen den Abbau der kalten Progression aufzugeben, damit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mehr Netto bleibt.

Frage: Die Bundesbürger müssen mit bis zu 300 Mrd. Euro für Schuldenstaaten haften! Sollen wir etwa ganz Europa retten?

RÖSLER: Nein - das darf und kann auch nicht das Ziel sein. Der neue Rettungsschirm ESM setzt zwar ein deutliches Signal, dass Europa bereit und in der Lage ist, stabilisierend einzugreifen, falls dies tatsächlich notwendig werden sollte. Um die Risiken für die Bürger aber so gering wie möglich zu halten, kommt es vor allem darauf an, dass die wettbewerbsschwächeren Euroländer sich anstrengen, ihre Wirtschaft reformieren.

Frage: Was ist, wenn ein Teil der 300 Mrd. Euro Kredite fällig wird? Gibt es bei uns dann Steuererhöhungen, Sozialkürzungen?

RÖSLER: Die Bundesregierung tut alles dafür, damit dieser Fall gar nicht erst eintritt. Entscheidend für mich und die FDP ist, dass unsere Ersparnisse sicher bleiben und wir keine hohe Inflation bekommen. Denn Inflation trifft vor allem die Mitte unserer Gesellschaft. Und gerade die FDP vertritt die Interessen dieser Mitte.

Frage: Und wenn die Inflation doch steigt? Lassen Sie die Regierung dann platzen?

RÖSLER: Diese Koalition steht in einer großen Verantwortung und wird auch deshalb bis zur Bundestagswahl Bestand haben. Die FDP steht in dieser Regierung für die Stabilität unserer Währung. Damit wollen wir 2013 vor den Wähler treten.

Frage: Aber es droht mehr Inflation, denn die Eurobank EZB hat gerade den Leitzins gesenkt!

RÖSLER: Zinsentscheidungen der unabhängigen EZB kommentiere ich grundsätzlich nicht. Ich stelle aber fest, dass es gut wäre, wenn die EZB schnell zur Normalität zurückkehren und sich auf Ihre Hauptaufgabe konzentrieren würde: die Sicherung der Geldwertstabilität.

Frage: Es gibt mehrere Verfassungsklagen gegen den ESM! Hat die Regierung gepfuscht?

RÖSLER: Wir sind überzeugt, dass die Gesetze, die wir beschlossen haben, einer Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht Stand halten werden.

Frage: Immer mehr Schuldenstaaten fordern Erleichterungen beim Sparkurs. Gibt Deutschland dem Druck nach?

RÖSLER: Nein. Ich habe immer gesagt, dass es keine Rabatte bei Reformen geben kann. Dabei bleibt es. Was Griechenland betrifft, ist ein zeitlicher Aufschub durch die Wahlen ohnehin schon eingetreten. Es geht hier in der Tat nicht um die Frage von einigen Wochen sondern im Kern um den Nachweis tatsächlicher Einsparungen, Privatisierungserlöse und Verwaltungsreformen. Taten statt Worte, das ist unser berechtigter Anspruch. Ich muss auch sagen: Meine Geduld geht da dem Ende entgegen.

Frage: Wird die FDP Hilfen für Spanien und Zypern zustimmen?

RÖSLER: Hilfen kann es nur geben, wenn als Gegenleistung Reformen umgesetzt werden. Das macht die FDP zur Bedingung: keine Leistung ohne Gegenleistung.

Frage: Polit-Balotelli und CSU-Chef Horst Seehofer hat nun schon mehrmals mit Koalitionsbruch gedroht. Wie lange lässt sich die FDP diese Muskelspiele noch
bieten?

RÖSLER: Wir bleiben sachlich. Die Menschen erwarten, dass wir uns um ihre Sorgen und Nöte kümmern. Sie wollen kein politisches Hickhack. Daran halten wir uns.

Frage: Ihre Haltung nützt der FDP aber nichts. Die Partei liegt in Umfragen wieder unter 5%. Was machen Sie falsch?

RÖSLER: Wir wollen uns an unserer Leistung messen lassen, wenn es darauf ankommt. Europa ist in einer sehr schwierigen Phase. Es geht in erster Linie darum, dass die gesamte Bundesregierung ernsthaft und verlässlich an Lösungen arbeitet und dass wir die aktuelle Krise meistern. Wachstum, Beschäftigung und stabiles Geld, darauf konzentrieren wir uns.

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